| DLV-Kongress 2015

DLV startet Qualitätsoffensive im Breiten- und Gesundheitssport

Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) hat am Wochenende bei seinem Kongress „Erlebnisraum Leichtathletik“ in Nellingen-Ruit bei Stuttgart mit hochkarätigen Referenten und 150 Teilnehmern aus Vereinen und Verbänden des gesamten Bundesgebiets eine Qualitätsoffensive im Breiten- und Gesundheitssport gestartet.
Ewald Walker

<link video:12007>Video-Beitrag: "Erlebnisraum Leichtathletik" - Drei tolle Tage in Ruit
<link news:39938>Stimmen und Bilder zum Kongress

Zahlreiche Sportmediziner wie der ehemalige 5.000-Meter-Europameister Thomas Wessinghage (Bad Wiessee), Klaus Michael Braumann (Hamburg), Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention, DLV-Arzt Andreas Nieß (Tübingen) oder Pavel Dietz (Mainz) haben eine äußerst düstere Situation im Gesundheitsbereich und im Bewegungsverhalten der Deutschen und deren Folgen gezeichnet und massive Forderungen zur Verbesserung dieser Situation erhoben.

„Es gibt derzeit sozialpolitisch kaum etwas Wichtigeres als die Folgen von Bewegungsmangel und Übergewicht zu bekämpfen“, sagte Wessinghage. Alle zwölf Minuten ein Schlaganfall, alle 19 Minute eine Amputation als Folge muten wie eine Zeitbombe an. Der DLV wäre schlecht beraten sich in diesen Zeiten nur um den Spitzensport zu kümmern, betonte Wessinghage, 22-facher Deutscher Meister und Olympiateilnehmer 1972 in München.

Bewegung, egal welcher Art

Nach Auffassung des Hamburger Sport- und Bewegungsmediziner Klaus-Michael Braumann ist die dramatische Entwicklung im Gesundheitsbereich eine große Herausforderung aber auch Chance für den DLV. Der Verband müsse in ein Programm „Bewegung, egal welcher Art, einsteigen“, so Braumann. Ohne regelmäßige körperliche Bewegung verdopple sich das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

„Es ist nicht mehr zu verleugnen, dass regelmäßige körperliche Aktivität durch Anpassungen im Gehirn kognitive und intellektuelle Leistungen verbessern“, sagte der ehemalige Arzt der deutschen Schwimm-Nationalmannschaft. Auch für ältere Menschen gäbe es immer mehr Gründe nach körperlicher Fitness zu streben. „Bewegung verhindert häusliche Stürze und soziale Verarmung“, sagte Braumann.

Thomas Wessinghage wies dabei darauf hin, dass nicht Bewegung- und Sportangebote dringend geboten seien. „Wir müssen unseren Lebensstil ändern“, meinte der 63-Jährige, der noch immer fünfmal die Woche für 40 Minuten die Laufschuhe schnürt. Der Direktor einer Rehaklinik in Bayern sieht bei der Lösung der Probleme eine Chance für den DLV und seine Vereine. „Sie haben ein hohes Bewegungspotenzial, kompetente methodisch-didaktische Kenntnisse und eine hohe Motivationskraft in seinen Übungsleitern und Trainer“, ist der Rudolf Harbig-Preisträger überzeugt.

Leichtathletik mit hohem Erlebniswert

Michael Böhnke (Wuppertal), wies darauf hin, dass der Richtungsstreit um die Alternative Leistungs- oder Breitensport im DLV aus den 90er Jahren überwunden sein. „Heute haben beide Säulen starke Partner im DLV“, sagte Theologe Böhnke. Die beiden Sinnrichtungen stünden für Ergebnis- oder Erlebnisorientierung. Er zeichnete ein Bild von der Faszination, die sich aus dem „Erlebnis Leichtathletik“ ergibt.

Wenn Ariane Friedrich 2009 bei der WM in Berlin 55.000 Zuschauer zur völligen Stille bringe und ihre elegante Lattenüberquerung in den Aufschrei des Publikums hineinlege, sei dieser Moment der Stille ein einzigartiges, nicht wiederholbares Erlebnis der Leichtathletik. Derselbe Moment der Stille umgibt auch einen Usain Bolt und seinen Konkurrenten beim Start zum 100 Meter-Lauf, bevor ein Knall die Situation in geballte Dynamik auflöse.

„Für mich war es ein unglaubliches Erlebnis, beim Istanbul-Marathon mit Läufern aus 152 Nationen von Asien nach Europa zu laufen“, brachte Böhnke persönliches Erleben in den Kongress mit ein. Die klassische Leichtathletik befinde sich zudem in einem Prozess, wo der zwangsweise räumliche Wechsel durch den Umbau der Stadien in Fußball-Tempel in den öffentlichen Raum neue Erlebnisfelder ermögliche. Leichtathletik in Städten auf Marktplätzen, vor Kirchen oder historischen Bauwerken wie das Brandenburger Tor haben ebenfalls hohe Erlebniswerte.

Dem demografischen Wandel begegnen

Mit der Vorstellung der leichtathletischen Gesundheitsangebote durch Kristin Behrens („Reif für die Insel“), Ausdauer-Funktionstests für Läufer und Walker von Matthias Weippert sowie der neuen Laufschule („Kinder laufend unterwegs“) von Jutta Bryxi und Fred Eberle fand auch die praktische Seite Eingang in den Kongress.

Olympiasiegerin Heike Drechsler beschrieb ihre Wandlung von der einstigen Hochleistungssportlerin zur Breitensportlerin. „Ich bin glücklich, dass meine Generation jenseits der 50 im Verein altersgemäß trainieren kann“, sagt Drechsler, die im Vorjahr erstmals das Deutsche Sportabzeichen abgelegt hat. „Ich laufe dreimal die Woche jeweils eine Stunde und versuche so, mich fit zu halten“.

„Der Kongress konnte deutlich aufzeigen, dass der Erlebnisraum Leichtathletik über günstige strukturelle Voraussetzungen und eine attraktive Vielfalt verfügt, um dem demografischen Wandel zu begegnen“, zog DLV-Vizepräsident Dr. Matthias Reick (Bremen) ein positives Fazit. Die Leichtathletik ermögliche generationsübergreifenden Sport in verschiedenen Erlebniswelten, was die Sportart so einzigartig mache, sagte Reick. Das Alter als Erlebnis zu wahrzunehmen und Bewegung als Medikament des Jahrhunderts sei eine wichtige Erkenntnis des Kongresses.

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