DLV-Youngster - Ehrfurcht und Autogramme sind tabu
"Der scheint ein ganz netter Kerl zu sein, hat mir hinterher auch gratuliert." 200-Meter-Sprinter Sebastian Ernst hat sich bei den Hallen-Weltmeisterschaften in Budapest seine erste Gratulation von einem ganz Großen eingeholt. Von Frankie Fredericks, den schon im Vorlauf der 19-jährige Deutsche über seine Paradestrecke abgezockt hat. Dieser ist eines von drei aktuellen Beispielen an jungen DLV-Athleten, die im Begriff sind, den Sprung auf die internationale Bühne zu schaffen.
Sebastian Ernst ist momentan nicht aufzuhalten (Foto: Chai)
"Ist schon ein komisches Gefühl, sein Vorbild Marcin Jedrusinski und eine Sprint-Legende hinter sich zu lassen und die zweitschnellste Vorlaufzeit zu laufen", erzählt der Schalker U20-Junioren-Europameister. Spätestens seit seinem Sieg in Tampere zählt Sebastian Ernst zu den größten Talenten im Land. Neben ihm haben zwei weitere Goldmedaillengewinner der U20-Europameisterschaften in der vergangenen Hallensaison ihre ersten Duftmarken nicht nur in der deutschen Elite hinterlassen.Die Deutsche Hallenmeisterin im Weitsprung, Sophie Krauel, löste wie Sebastian Ernst das erste Ticket zu ihren ersten großen Meisterschaften. Zwei ungültige Versuche und 6,49 Meter waren dann allerdings genau fünf Zentimeter zu wenig. Dabei hatte sich die Jenaerin so fest vorgenommen, ins Finale zu kommen. Das große Ziel haarscharf verpasst.
Lehrgeld bezahlt
Trotzdem, mit erst 19 Jahren schon bei Weltmeisterschaften dabei, in einer Disziplin, in der bisher noch mit Fiona May oder Tatjana Kotowa reifere Springerinnen das Sagen hatten. Mit "Lehrgeld bezahlt" kann man das nicht gerade bezeichnen. Waren die Gründe für ihr knappes Ausscheiden Nervosität, Ehrfurcht? Zumindest sagte sie beeindruckt von der Atmosphäre in einem Interview, sie hätte sich am liebsten von all den Stars ein Autogramm geholt.
Die Aktien von Frankfurts Hochspringerin Ariane Friedrich, die genauso wie die anderen beiden in Finnland Gold holte, scheinen ebenfalls im Wert stetig, fast linear zu steigen. Zu Beginn der Hallensaison "schockte" sie die Hochsprung-Szene mit 1,92 Metern. Prompt folgten Einladungen zu den renommierten Hallenmeetings in Weinheim und Arnstadt.
Gemischte Gefühle
"Das Gefühl, dort teilnehmen zu dürfen, ist eigentlich nicht richtig zu beschreiben, es ist eine Mischung aus Ehrfurcht, Staunen, Respekt und Nervosität", drückt sie ihren Stolz aus, schon auf der gleichen Matte gelandet zu sein wie etwa eine Kajsa Bergqvist. Der dritte Platz bei den Deutschen Hallenmeisterschaften war für sie die Krönung der Hallensaison. Zumal sie im vergangenen Jahr eine schwere Fußverletzung zu überstehen hatte. Dass die 1,93 Meter, die Qualifikation für Budapest, zwar auch noch schön gewesen wären, keine Frage. Aber sie ist sowieso lieber eine Freundin von kleinen beständigen Schritten, statt von Hoch- und Tiefflügen. Diese Einsicht hat sie in Frankfurt schnell gekriegt.
Die Leistung von Sebastian Ernst mit der knapp verpassten Finalteilnahme in Ungarns Hauptstadt stand ein wenig im Schatten der Bronzemedaille von Sprintkollege Tobias Unger. Die Konkurrenz aus dem eigenen Stall. Nichts Neues für den Schalker. Till Helmke, der eine ganze Zeit lang immer auf dem Platz vor Sebastian gelandet war, habe ihn erst zu dem gemacht, was er heute ist. "Ich habe alles gegeben, um besser zu werden als er", sagt der Deutsche Vizehallenmeister über 200 Meter. Die Nummer zwei – für ihn der beste Ansporn.
Mittendrin
Wenn der kurzgeschorene, windschnittige Schalker weiterhin seine Schritte so auf den roten Tartan trommelt, wird ihm Frankie Fredericks, vorausgesetzt er verabschiedet sich nicht demnächst in den Ruhestand, noch öfters gratulieren müssen. Sophie Krauel wird es in Zukunft gar nicht mehr wagen, daran zu denken, sich von irgend jemand ein Autogramm holen zu wollen. Ariane Friedrich wird bei ihrem nächsten Hochsprung-Meeting mit Kajsa Bergqvist nicht mehr vor Ehrfurcht erstarren. Denn von nun an gehören die drei dazu und sind mittendrin in der internationalen Leichtathletik-Szene.
Und! Nicht zu vergessen. Es gibt noch ein paar weitere amtierende U20-Europameister, von denen man in Deutschland wahrscheinlich schon bald hören wird. René Bauschinger zum Beispiel, Julia Zandt oder Ulrike Giesa vielleicht.