| Hintergründe

DOSB-Präsident: Unabhängigere NADA und Verbänden mit Reform helfen

Mit Abstand urteilt DOSB-Präsident Alfons Hörmann etwas anders über die Rio-Spiele und den Doping-Skandal um Russland. Eine Lehre für ihn: Die Deutsche Anti-Doping-Agentur soll unabhängiger werden. Jetzt kommt der Endspurt der Leistungssportreform: "Verbänden helfen".
dpa/sim

Der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) Alfons Hörmann hat die Weltverbände im Umgang mit dem Doping-Skandal um Russland und die Zulassung von 280 Athleten aus dem Land zu den Rio-Spielen nachträglich noch einmal scharf gerügt. "So, wie die Fachverbände den Beschluss des IOC umgesetzt haben, habe ich es mir anfangs nicht vorstellen können", sagte er im Interview der Deutschen Presse-Agentur (dpa) selbstkritisch. Schließlich hatte der DOSB-Chef die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) gegen einen Komplett-Ausschluss Russlands prinzipiell für richtig gehalten.

Alfons Hörmann war davon ausgegangen, dass die Weltverbände bei der Einzelfallprüfung die russischen Sportler nicht mehr oder weniger einfach passieren lassen würden. Am Ende waren 280 Athleten aus Russland am Start. "Damit war es nicht das richtige Signal gegenüber der Weltöffentlichkeit und dem internationalen Sport", meinte Hörmann. "Die Fachverbände haben ihre Verantwortung schlichtweg in weiten Teilen nicht so wahrgenommen, wie sie es hätten tun müssen."

Forderung nach WADA-Reform

Hart ins Gericht geht er mit der Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, die trotz der Hinweise auf Staatsdoping in Russland "überhaupt nicht oder nur oberflächlich" gehandelt habe. Dass daraus resultierend das IOC vor den Rio-Spielen unter (Zeit)-Druck geraten sei, sei "der große Fehler und das große Versagen der WADA" gewesen, kritisierte Hörmann. "Und ich vermute nach Gesprächen mit Insidern: Russland ist nur die Spitze des Eisberges, weil in zahlreichen Ländern ähnliche Konstellationen von eindeutigen Abweichungen zum WADA-Code zu befürchten sind."

Deshalb müsse die WADA reformiert und unabhängiger werden. So wie die WADA organisiert sei, "ist es offenkundig schwer für sie, die anstehenden Aufgaben zu bewältigen", sagte Hörmann. Politik und Sport würden sich die Schuld gegenseitig zuschieben. Zudem komme die Politik ihrer Verantwortung in den Gremien der WADA bestenfalls mit der dritten oder vierten Ebene nach. "Der politische Einfluss entspricht damit nicht ansatzweise dem, was sinnvoll und erkennbar dringend notwendig wäre", befand Hörmann. "So wird die weltweit dringend notwendige Chancengleichheit nicht zu gewährleisten sein."

"Unabhängigere NADA sehr sympathisch"

Der Forderung nach mehr Unabhängigkeit der WADA schließt sich Deutschlands oberster Sportfunktionär an. Zudem will er sie auch für die Nationale Anti Doping Agentur (NADA). "Mir wäre auch die Schaffung einer noch unabhängigeren NADA sehr sympathisch", sagte Hörmann.

Mache es denn weiterhin Sinn, dass der Sport im Aufsichtsrat vertreten sei? Sei es sinnvoll, dass nennenswerte Teile des Geldes für die NADA vom DOSB oder den Fachverbänden kämen und der Sport damit sozusagen die Kontrolleure selbst finanziere? "Vielleicht sollte gerade jetzt die Politik mehr Verantwortung übernehmen und den Anti-Doping-Kampf noch mehr beeinflussen. Damit hätten wir künftig eine klare Gewaltenteilung", erklärte Hörmann.

Auch bei dem seit einem Jahr existierenden Anti-Doping-Gesetz hat er die einst ablehnende Position des DOSB weitgehend revidiert. Bisher könne er "nirgends die vom Sport ehemals befürchteten Nachteile" erkennen. Die damals unterstellte Beeinträchtigung der Sportgerichtsbarkeit durch das Gesetz habe bisher zu keinem praktischen Problem geführt. "Nach all dem, was wir um das Russland-Thema erlebt haben, ist es psychologisch und im Sinne einer klaren Dokumentation unserer Null-Toleranz-Politik enorm wertvoll, dass wir ein solches Gesetz in Deutschland haben."

Leistungssport-Reform: Zukunftschancen der Verbände im Fokus

Zentrales Thema des DOSB bis Jahresende wird der Endspurt der geplanten Leistungssport-Reform sein, die nicht nur willkommen geheißen, sondern auch mit Sorgen von den Verbänden erwartet wird. Werden die in Rio medaillenlos gebliebenen Schwimmer und Fechter zum Beispiel abgestraft oder aufgepäppelt? "Das erste und klare Ziel muss immer sein, Verbänden, die Probleme haben zu helfen, damit sie wieder auf einen erfolgreichen Weg kommen", erklärte Hörmann. "Zu sagen, der Verband, der keine Medaillen bringt, bekommt automatisch kein Geld mehr, wäre keine verantwortungsvolle Sportpolitik."

In Zukunft zähle also noch weniger, was gewesen sei und wo Jemand herkomme, "sondern vorrangig welches Potenzial der jeweilige Verband in jeder einzelnen Disziplin" habe. "Da kommt es also weniger darauf an, wie viele Medaillen man in der Vergangenheit holte, sondern welche nachweisbaren Chancen man in der Zukunft aufzeigen kann."

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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