| Interview

Dr. Clemens Prokop: "Anti-Doping-Gesetz wäre großer Fortschritt"

Für Doper könnten in Deutschland harte Zeiten anbrechen. Spitzensportlern, die mit verbotenen Mitteln erwischt werden, drohen bald empfindliche Strafen. Dies sieht ein Regierungsentwurf für ein Anti-Doping-Gesetz vor.
Martin Neumann

Der gemeinsame Entwurf des Bundeinnenministeriums, Bundesjustizministeriums und Bundesgesundheitsministeriums wurde noch nicht offiziell vorgelegt, Grundzüge wurden aber schon bekannt. Leichtathletik sprach mit DLV-Präsident Clemens Prokop, der seit Jahren für ein solches Gesetz geworben hat, über den Entwurf und die möglichen Konsequenzen.

Herr Prokop, hat Sie in der vergangenen Woche ein Anruf aus Neu-Isenburg erreicht?

Dr. Clemens Prokop:
Ich wurde von vielen angerufen, aber an eine neue Nummer aus Neu-Isenburg kann ich mich nicht erinnern. Wer soll das denn gewesen sein?

Ein Vertreter des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Dort befindet sich ja das momentane Ausweichquartier des DOSB.

Dr. Clemens Prokop:
Nein, vom DOSB kam kein Anruf.

Ich hätte gedacht, dass eventuell Michael Vesper anrufen würde. Der DOSB-Generaldirektor hätte Ihnen ja sportlich fair zum Entwurf des Anti-Doping-Gesetzes gratulieren können. Schließlich finden sich darin viele Punkte, die der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) jahrelang gefordert und sich damit gegen den DOSB gestellt hat. Beispielsweise können Besitz und Handel mit Dopingmitteln sowie deren Anwendung zu einer Haftstrafe von bis zu drei Jahren führen.

Dr. Clemens Prokop:
Es geht ja nicht um den sportlichen Wettstreit von Verbänden. Ohnehin liegt momentan nur ein Entwurf zum Anti-Doping-Gesetz vor, der in seiner Gesamtheit erst noch vorgestellt und begründet werden wird. Das darf man nicht vergessen. Allerdings hat dieser Entwurf großes politisches Gewicht, da drei Bundesministerien beteiligt waren. Wichtig ist, dass für die Zukunft des Sports die bestmöglichen Rahmenbedingungen geschaffen werden.

Bei der Mitgliederversammlung des DOSB im vergangenen Jahr wurde die „Besitzstrafbarkeit“ noch mit klarer Mehrheit abgelehnt. Der DLV war immer für die Einführung. Warum?

Dr. Clemens Prokop:
Es geht um eine generelle Frage: Soll sich bei Doping nur das Umfeld des Sportlers strafbar machen oder auch der dopende Athlet? Für uns war immer klar: Wenn wir Doping bekämpfen wollen, muss auch der Sportler selbst strafrechtlich belangt werden. Es kann nicht sein, dass der Profiteur straffrei davonkommt. Diese Strafbarkeitslücke würde durch ein Gesetz mit solchen Regelungen geschlossen.  Welche Schwierigkeiten es dadurch bei der täglichen Arbeit gibt, haben die Schwerpunktstaatsanwaltschaften in Bayern und Baden-Württemberg erlebt. Sie konnten nach ihren Berichten im Leistungssport keinen Fuß fassen, weil sie das Dopingfeld nicht über den Sportler selbst aufrollen konnten.

Sie sprechen über die staatliche Strafgerichtsbarkeit. Über die Sportgerichte wird der Doper ja zudem bestraft …

Dr. Clemens Prokop:
… das ist richtig. Und so soll es auch bleiben. Allerdings hat die Sportgerichtsbarkeit als Aufklärungsmittel faktisch nur die Dopingkontrollen zur Verfügung. Leider decken diese nur einen kleinen Teil der Dopingwirklichkeit auf. Die großen Dopingskandale – beispielsweise um den Radprofi Lance Armstrong – wurden nicht über Dopingkontrollen aufgeklärt, sondern über Zeugenbefragungen und weitergehende Beweiserhebungen.

Welche Rechte werden die Ermittler durch das neue Gesetz haben?

Dr. Clemens Prokop:
Sollte das Gesetz kommen, haben die Ermittler alle Möglichkeiten, die ihnen die Strafprozessordnung zur Verfügung stellt. Das geht von Durchsuchungen bis zur Zwangsvernehmung von Zeugen.

Ein Beispiel: Würde ein Leichtathlet – ob Deutscher oder Ausländer – bei einem Meeting hierzulande des Dopings überführt, könnte er ins Gefängnis wandern?

Dr. Clemens Prokop:
Momentan ist es schwierig, Detailfragen zu beantworten, da wie gesagt das Gesetz noch nicht offiziell vorgestellt und begründet wurde. Theoretisch könnte es aber bei Vorliegen der hierfür erforderlichen Voraussetzungen eine Folge sein.

Sie haben den Entwurf als Meilenstein bezeichnet. Welche Punkte sind Ihnen neben der „Besitzstrafbarkeit“ besonders wichtig?

Dr. Clemens Prokop:
Ich kann mich nur auf die Fakten des Entwurfs beziehen, die bislang bekannt geworden sind. Nach meiner Auffassung ist die Strafbarkeit der Anwendung von Dopingmitteln ein wichtiger Punkt. Außerdem soll wohl die Arbeit der Nationalen Anti-Doping-Agentur Nada gestärkt werden, indem der Informationsfluss von den Staatsanwaltschaften zur Nada verbessert wird. Auch sollen wohl leichter Schiedsgerichte eingerichtet werden können. Das würde die Sportgerichte erheblich stärken. Aber wie schon gesagt: Für alle Details muss man erst die Vorstellung und Begründung des Gesetzes abwarten.

Nach allem was bisher bekannt ist, fehlt eine „Kronzeugenregelung“ für geständige Dopingsünder, die ihre Hintermänner nennen. Sie haben sich immer für eine solche Regelung stark gemacht.

Dr. Clemens Prokop:
Das ist ebenfalls ein offenes Detail. Fest steht: Es gibt in der Strafprozessordnung eine Kronzeugenregelung, die Anwendung finden könnte. Dazu muss man aber abwarten, wie letztendlich der Gesetzestext aussieht.

Der Gesetzentwurf soll nur für Kaderathleten gelten. Warum werden Breitensportler und Athleten aus der zweiten und dritten Reihe nicht erfasst?

Dr. Clemens Prokop:
Sollte es so sein, dass gezielt die Strafbarkeit von Spitzensportlern angestrebt wird, kann das sehr stark damit zusammenhängen, dass hier die Lücken aus der Vergangenheit bei der Dopingbekämpfung beanstandet wurden. Auch hier gilt es die Vorstellung und Begründung des Gesetzentwurfs abzuwarten.

Von einem Gesetzentwurf bis zur Umsetzung des Gesetzes ist es stets ein weiter Weg. Fürchten Sie, dass das Anti-Doping-Gesetz noch verwässert wird – schließlich wollte der DOSB ja nie das Nebeneinander von Sportgerichtsbarkeit und Strafgerichten?

Dr. Clemens Prokop:
Ich gehe davon aus, dass ein von drei Ministerien abgestimmter Entwurf nur noch von sehr gewichtigen Argumenten in den Grundzügen verändert werden kann. Anders sieht es mit Detailfragen aus. Aber letztlich kann ich nur spekulieren.

Können Sie das Argument des DOSB nachvollziehen, dass die Strafgerichte im schnellen Sportbusiness einfach zu langsam entscheiden? Sie selbst haben als Richter ja einen tiefen Einblick in die Materie.

Dr. Clemens Prokop:
Der Irrtum in diesem Argument ist ja, dass der Anschein erweckt wird, die staatlichen Strafgerichte würden die Sportgerichte ersetzen. Das ist ja gar nicht so. Sollte der Entwurf Gesetz werden, werden die Sportgerichte genauso schnell und effektiv arbeiten wie bisher, die für sie geltenden Vorschriften bleiben völlig unverändert. Die staatliche Strafgerichtsbarkeit kommt quasi „oben rauf“. Deshalb spielen Verlauf und Ausgang vor diesen Gerichten keine Rolle für die Entscheidungen der Sportgerichte. Die Ergebnisse der staatlichen Ermittlungen können aber wiederum an die Sportgerichte weitergegeben werden, was zu weiteren Verfahren führen kann. Damit wird die Sportgerichtsbarkeit durch diesen Entwurf gestärkt und keinesfalls geschwächt.

Der Gesetzentwurf wurde noch nicht offiziell vorgestellt. Wann rechnen Sie damit und wie lange könnte sich der politische Prozess hinauszögern?

Dr. Clemens Prokop:
Da muss ich spekulieren. Wenn ich es richtig in Erinnerung habe, sollte bis zum Jahresende der Gesetzgebungsprozess vorgesehen sein. Letztendlich liegt es aber in der Hand der beteiligten Ministerien. Ein solches Verfahren beinhaltet Anhörungen von Verbänden und Lesungen im Bundestag. Der Entwurf hat also noch ein langes Verfahren vor sich.

Was bedeutet das Gesetz – sollte es wie geplant verabschiedet werden – für die deutsche Leichtathletik?

Dr. Clemens Prokop:
Es wäre für den gesamten Sport in Deutschland ein großer Fortschritt, nicht nur für die Leichtathletik. Es wäre ein starkes Zeichen, dass in Zukunft Sportgerichte und strafrechtliche Ermittler effizient Hand in Hand gegen Doping kämpfen. Dadurch würden sportliche Leistungen wieder eine viel größere Glaubwürdigkeit erhalten und der pauschale Schatten des Dopingverdachts deutlich kleiner werden, weil damit Doping mit allen Möglichkeiten eines Rechtsstaates verfolgt würde. Auch im internationalen Vergleich hätten wir damit ein bemerkenswertes Gesetz, so dass wir uns auch in der Diskussion selbstbewusst einbringen könnten.

Wird es durch das Gesetz weniger Dopingfälle in Deutschland geben?

Dr. Clemens Prokop:
Das wäre Spekulation. Fest steht: Wenn Dopingbetrüger nicht nur eine zeitlich befristete Sperre durch die Sportgerichte befürchten müssen, sondern auch zusätzlich staatliche Strafen bis hin zu Freiheitsstrafen, wird die Hemmschwelle für Doping deutlich höher sein. Außerdem wird das Risiko der Entdeckung durch die Möglichkeit staatlicher Ermittlungen deutlich größer – ein üblicherweise sehr wirksamer Abschreckungseffekt.

Eine andere Facette des Themas Dopings: Robert Harting hat den Weltverband IAAF aufgefordert, ihn von der Kandidatenliste zur Wahl des „Welt-Leichtathleten 2014“ zu streichen, weil auch Justin Gatlin auf der Liste steht. Der Sprinter war zweimal wegen Dopings gesperrt. Robert Harting bemängelt, dass die IAAF „nicht einmal Athleten ausgrenzen kann, die sich bewusst für den Betrug entschieden haben“. Können Sie seinen Schritt nachvollziehen?

Dr. Clemens Prokop:
Für mich ist es ein bemerkenswertes Zeichen von Robert Harting. Wenn man bedenkt, dass mit der Auszeichnung „Welt-Leichtathlet“ auch eine Vorbildwirkung verknüpft ist, kann ich seine Aussage sehr gut nachvollziehen.

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