| Nach Doping-Skandal

Dr. Clemens Prokop: Russland müsste vom IOC suspendiert werden

Für den Präsidenten des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV) Dr. Clemens Prokop ist die juristische Argumentation von IOC-Präsident Thomas Bach gegen einen Kollektivbann Russlands angesichts des massiven Dopings nicht nachvollziehbar. Die IOC-Charta gebe alle Möglichkeiten dazu.
dpa/sb

DLV-Chef Dr. Clemens Prokop hält die Position von IOC-Präsident Thomas Bach zu den Konsequenzen aus dem nachgewiesenen Staatsdoping in Russland für fragwürdig. "Wenn die Werte der Charta des Internationalen Olympischen Komitees ernst genommen werden, müsste das NOK Russlands bis zur Lösung seines Doping-Problems vom IOC suspendiert werden, zum Schutz aller betroffenen Athleten und von Fair-Play im Wettkampf", schrieb der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes in einem Beitrag für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" (Dienstag).

Prokop hält Bachs Argumentation, man müsse zwischen individueller Gerechtigkeit und kollektiver Verantwortung abwägen, vor allem für sportpolitisch motiviert. Auf dieser Grundlage hatte Bach einen Kollektivausschluss Russlands von den Olympischen Spielen abgelehnt. "Mit dieser Argumentation stellt sich Bach aber in Widerspruch zu Regel 59 der IOC-Charta, wonach ausdrücklich Nationale Olympische Komitees (NOK) suspendiert werden können", argumentiert Prokop.

Jede Suspendierung eines NOKs stelle gleichzeitig eine Kollektivstrafe für die hierdurch betroffenen Sportler dar. Die Zulässigkeit von Kollektivstrafen könne auf der Basis der IOC-Charta daher "nicht ernsthaft in Frage gestellt werden, und das IOC praktiziert ja auch die Suspendierung von NOKs".

NOK nicht verstrickt? "Kaum vorstellbar"

Zur Rechtfertigung der Zurückhaltung gegenüber dem russischen Sport baue der IOC-Präsident noch eine zweite Verteidigungslinie auf. Bach habe in einem "FAZ"-Interview im Januar darauf verwiesen, dass im Bericht der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) von Chefermittler Richard McLaren keine Nachweise für eine Verstrickung des russischen NOK in die "Verschwörung gegen den Sport" gefunden worden seien. "Dies ist zwar zutreffend, tatsächlich aber kaum vorstellbar", meinte Prokop. "Wie weit müssen die Verantwortlichen des russischen NOK vom Sport entfernt sein, wenn sie eine institutionell strukturierte Doping-Praxis in diesem unglaublichen Ausmaß nicht wahrnehmen?"

Außerdem obliege es nach Regel 27 der IOC-Charta den nationalen NOKs, den World-Anti-Doping-Code anzunehmen und umzusetzen. "Die Doping-Bekämpfung zählt damit zu den zentralen Aufgaben eines NOK", befand der Direktor des Amtsgerichts in Regensburg. Wenn nach dem McLaren-Report in Russland zwischen 2011 und 2015 mehr als 1.000 Sportler sportartübergreifend von einem organisierten Doping-System profitiert hätten und systematisch wie zentralisiert der Doping-Kontrollprozess manipuliert worden sei, habe das russische NOK offensichtlich seine Aufgabe nach der IOC-Charta nicht erfüllt.

Suspendierung als "kraftvolles Zeichen"

"Daher spielt es keine Rolle, ob sich die Verantwortlichen des russischen NOK auch nachweislich einer aktiven Mitwirkung schuldig gemacht haben", schrieb Prokop. Entscheidend sei vielmehr, dass sich die NOKs zur Erfüllung ihrer Aufgaben gemäß der IOC-Charta faktisch der nationalen Anti-Doping-Instanzen bedienten und sich damit auch deren Verschulden zurechnen lassen müssten.

Eine Suspendierung Russlands wäre aus Prokops Sicht "ein kraftvolles Zeichen, dass auch systematisches staatlich gefördertes Doping mit allen Möglichkeiten bekämpft" werde. Die gegenteiligen Äußerungen des IOC-Präsidenten hätten "jedoch kein Signal zum Aufbruch im Kampf um die Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit des Sports gebracht".

Quelle: Deutsche Presse-Agentur (dpa)

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