Dr. Clemens Prokop - „Stärker in den Fokus“
Der Countdown beginnt zu ticken. Am Donnerstag (7. Mai) sind es nur noch hundert Tage bis zur WM in Berlin (15. bis 23. August). Im Interview mit dem Sport-Informations-Dienst (sid) spricht Dr. Clemens Prokop, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), über den Stellenwert und die Bedeutung des Großereignisses.
Herr Dr. Prokop, am Donnerstag sind es noch 100 Tage bis zur Leichtathletik-WM in Berlin. Was erwarten Sie vom Sporthöhepunkt des Jahres 2009?Dr. Clemens Prokop:
Wir erwarten, dass die Leichtathletik stärker in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung gerät. Nehmen Sie die 63 Stunden Live-Übertragung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Dadurch steigt auch der Bekanntheitsgrad unserer Athleten. Die Leichtathletik-Familie vom Trainer über den Kampfrichter bis hin zu den Funktionären wird zudem extra motiviert. So eine Veranstaltung reißt mit. Und natürlich wollen wir durch die WM auch das Leistungs- Niveau im Top-Bereich noch erhöhen. Derzeit bereiten sich viele unserer Athleten mit beispiellosem Aufwand auf die Titelkämpfe vor.
Top-Veranstaltungen reißen in Deutschland ein Massenpublikum mit, wie Fußball-WM 2006 und Handball-WM 2007 gezeigt haben...
Dr. Clemens Prokop:
Ich bin 2001 auch mit dem Ziel angetreten, hochkarätige Veranstaltungen in Deutschland zu präsentieren, um dadurch mehr Aufmerksamkeit auf die Leichtathletik zu lenken. Wenn ich zurückblicke, klappte das ganz gut. Wir hatten 2002 die erfolgreiche EM, jetzt die WM, ganz zu schweigen von Dingen wie Europacup, Weltfinale oder Cross-EM.
Großereignisse kosten aber auch Geld. Primo Nebiolo, damaliger Präsident des Leichtathletik-Weltverbandes IAAF, hat bei der WM 1993 in Stuttgart in Anspielung auf Klagen über die finanzielle Belastung für die Veranstalter gesagt: „Be happy and pay the deficit“ (Seid fröhlich und zahlt das Defizit). Gilt das auch für die WM in Berlin?
Dr. Clemens Prokop:
Das ist keine Besonderheit der IAAF, sondern Standard aller internationalen Sportorganisationen. Solange sich Städte bei der Bewerbung gegenseitig fast überbieten, entspricht es der Logik, dass auch internationale Sportorganisationen wirtschaftlichen Nutzen aus der Veranstaltung ziehen. Die zentralen Einnahmen der IAAF sind Fernsehgelder. Dafür sind die Freiluft-Weltmeisterschaften alle zwei Jahre am wichtigsten. Dies sind auch die Veranstaltungen, die für die Sponsoren am attraktivsten sind. Mit den Überschüssen wird dann die Organisation der Welt-Leichtathletik querfinanziert.
Mit anderen Worten, „Pay and be happy“ ist Teil des Geschäfts und es gibt keinen Grund, sich darüber zu beklagen?
Dr. Clemens Prokop:
Schon bei der Bewerbung sind die finanziellen Lasten des Veranstalters klar definiert. Wir wollten die WM trotzdem, weil wir uns als DLV zusammen mit dem Land Berlin einen deutlich überschießenden Wert von ihr versprechen. Die Chancen sind größer als die Lasten.
Das Entscheidende scheint die Wahrnehmung der Sportart, der Marke Leichtathletik, zu sein...
Dr. Clemens Prokop:
Die Vielfalt der Leichtathletik mit ihren 47 olympischen Disziplinen scheint mir Stärke und Problem zugleich. Die Vielfalt ist ein Teil der Faszination. Dadurch ist es aber auch schwer, Personen zu finden, die das Gesicht der Sportart über die Fachwelt hinaus sind. Nehmen Sie Biathlon. Jeder Biathlet kann mehrere Disziplinen hintereinander machen. Heute sehen sie ihn hier, morgen da. Oder auch die Formel 1 hat mit ihrer Begrenzung auf wenige Akteure beneidenswerte Wiedererkennungswerte. Dadurch entwickelt das Publikum fast eine persönliche Beziehung zu den Sportlern. Bei uns ist so etwas deutlich schwerer zu entwickeln.
Quelle: Sport-Informations-Dienst