| Interview DLV-Laufsymposium

Dr. Dirk Steinbach: „Laufen erfindet sich immer wieder neu“

Sportwissenschaftler Dr. Dirk Steinbach war früher Triathlet und verfügt über zehn Jahre Lehr- und Forschungserfahrung an der Deutschen Sporthochschule Köln. Von 2007 bis 2010 war er am Zentrum für Zukunftsstudien der Fachhochschule Salzburg (Österreich) tätig. Seit 2011 ist er geschäftsführender Gesellschafter der Sport Innovation GmbH & Co. KG (SPIN) in Köln und Lehrbeauftragter an den Fachhochschulen Salzburg und Dornbirn. Beim DLV-Laufsymposium in Siegen wies er auf die veränderte Motivation von Laufteilnehmern hin und gab Tipps, wie Veranstalter auf den Trend weg von Zeiten und Platzierungen reagieren können. Im Interview spricht er zudem über eine mögliche Verknüpfung von realen und virtuellen Läufen, Chancen von ehrenamtlich organisierten Veranstaltungen und die Zusammenarbeit mit externen Partnern.
Harald Koken

Herr Dr. Steinbach, Sie haben beim Laufsymposium in Siegen insbesondere ehrenamtlich tätige Laufveranstalter zu einer nachhaltigen Strategieentwicklung aufgerufen. Warum halten Sie dies für notwendig?

Dr. Dirk Steinbach:

Es geht nicht darum alles anders zu machen, aber wer rückläufige Teilnehmerzahlen beklagt, muss seine Strategie überdenken. Die Umfeldbedingungen in der Laufbewegung verändern sich. Um bestehen zu können, brauchen Veranstalter eine klare Zielsetzung und ein Profil. Zumal die Entwicklung unübersichtlich ist. Wichtig ist, dass das gesteckte Ziel machbar erscheint und die Veranstalter motiviert sind, dieses zu erreichen.

Veränderte Umfeldbedingungen, damit meinen Sie die Orientierung weg vom Wettkampfgedanken?

Dr. Dirk Steinbach:

Die Loslösung vom Leistungsgedanken beobachten wir in allen Bereichen des Sports. Generell messen sich Menschen gerne auch mal, aber nicht mehr regelmäßig, nicht mehr in vorgegebenen Standards und Normen, sondern sie suchen neue Formen, um sich miteinander zu messen. Das muss nicht einer gegen den anderen sein, sondern gemeinsam gegen eine Herausforderung. Die Art, wie man sich messen will, verändert sich also gewaltig. So entwickeln sich immer wieder neue Herausforderungen, immer wieder neue Challenges.

Können kleine Veranstalter, bei denen zum Teil nur ein Ehrenamtler das Ganze stemmt, bei dieser Entwicklung überhaupt noch mithalten?

Dr. Dirk Steinbach:

In der Regel ist es nicht nur ein Ehrenamtler. Was man aber oft hat ist, dass ein Ehrenamtler ein ganz starker Impulsgeber ist, sozusagen der Treiber hinter einer Veranstaltung. Das ist oft so, dass einer das Herzblut reinsteckt und die anderen mitreißt. Aber alleine ist das nicht zu stemmen. Natürlich gibt es die Möglichkeit ganz klein in der Nische etwas zu organisieren. Es ist vielleicht möglich im eigenen Familienkreis ein Mini-Event zu machen. Das kann auch gut sein, das kann funktionieren. Aber wenn man ein bisschen größer werden will, sind die Rahmenbedingungen, die Anforderungen zu groß, so dass das nicht gehen kann. Es wäre auch wichtig, dass derjenige, der die Idee hat, der das Konzept entwirft, dass der sich auch mit der Strategie, mit der Hauptentwicklung befassen kann und sich nicht mit anderen Details wie dem Kuchenverkauf ober der Parkplatz-Organisation beschäftigen muss. Daher geht es nicht ohne ein funktionierendes Team.

Wie sehen Ihre Prognosen für die Entwicklung des Laufmarktes aus?

Dr. Dirk Steinbach:

Wir werden die Dinge sehen, die wir in den letzten Jahren schon gesehen haben, also dass die Magnetwirkung der Großveranstaltungen weiter zunehmen wird, aber auch, dass neue Formate auftreten. Welche Formate das sein werden, wissen wir noch nicht. Aber dass es neue Formate geben wird, das ist sehr deutlich. Sicher werden auch neue Herausforderungen auf die Veranstalter zukommen. Die Sicherheitsproblematik ist ein Riesenthema, das ganz schwer zu handhaben ist. Möglicherweise werden auch die Ansprüche der Teilnehmer weiter steigen. Ich kann mir vorstellen, dass wir uns in fünf oder sechs Jahren sehr stark mit dem Thema „Virtuelle Welt, reale Welt und deren Vernetzung“ auseinandersetzen. Das heißt, dass wir Laufevents haben, die gleichzeitig virtuell an verschiedenen Orten stattfinden, aber auch in der realen Welt. Das ist eine Sache, die ich im Moment gespannt beobachte. Ich schaue, was sich da entwickelt und was da passiert.

Welche Herausforderungen kommen auf Laufveranstalter zu?

Dr. Dirk Steinbach:

Es wird schwieriger Veranstaltungen zu organisieren, weil die Anforderungen von gesetzlicher Seite größer werden. Dazu zählen zum Beispiel die Sicherheitsvorschriften und der verschärfte Datenschutz. Aber insgesamt müssen wir uns um das Laufen keine Sorgen machen, weil es sich immer wieder neu erfinden wird. Die Laufveranstaltungen werden sich sicherlich entwickeln. Da sehe ich die Herausforderung für den organisierten Sport, dass er seinen Platz und seine Rolle findet. Das heißt, wenn neue Formate entstehen, muss das auch dazu führen, dass zumindest ein Teil dieser Läufe in den Vereinen ankommt und dort mithilft Dinge zu entwickeln, aufzubauen, Events zu organisieren.

Welche Lösungsansätze geben Sie Laufveranstaltern mit auf den Weg?

Dr. Dirk Steinbach:

Das Wichtigste ist, dass man eine klare Vorstellung hat, was man machen möchte und was man nicht machen möchte. Der größte Fehler ist, zu versuchen es allen recht zu machen und alle Entwicklungen auf dem Laufmarkt zu bedienen. Es gilt ein klares Profil festzulegen und etwas zu finden, was zu den eigenen Zielen, zur eigenen Organisation, zum eigenen Event passt. Ich glaube auch, dass wir mehr in Partnerschaften organisieren müssen, in Allianzen, also dass nicht jeder das Rad selber neu erfinden muss, sondern mehr in Partnerschaften innerhalb des Sports zusammenarbeitet. Die Laufveranstalter untereinander, aber auch mit Partnern außerhalb des Sports, die Kompetenzen mitbringen, die wir selber in der Form nicht haben, zum Beispiel bei Social Media.

Wo sehen Sie mögliche Nischen?

Dr. Dirk Steinbach:

Laufen ist eine einfache Geschichte. Es lässt sich mit allen möglichen Dingen verbinden. Wer da kreativ ist und Ideen hat, der wird auch immer auf neue Ideen kommen. Vieles ist möglich. Auch die Läufer sind offen für Neues, suchen immer wieder Neues. Das heißt, wer kreativ ist, der wird seine Nische finden. Aber: Eine Strategie zu haben ist wichtig. Es gibt so viele interessante Sachen, an denen man sich beteiligen möchte, Richtungen, in die man gehen möchte. Das ist aber nicht zu leisten. Deswegen muss man klar für sich festlegen, wo man hinmöchte, wie die Vision aussieht. Man muss klar überlegen: Passt das zu uns? Ist das etwas, für das wir brennen? Ist das etwas, das Läufer suchen? Diese Facetten müssen zusammenpassen. Wenn man an allen Rädern ein bisschen dreht, kommt man am Ende zu keinem Ergebnis.

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