Dr. Prokop: „Brauchen umfassende Reformen“
Er bleibt der Kopf des Deutschen Leichtathletik-Verbands (DLV). Dr. Clemens Prokop wurde am Wochenende beim 46. Verbandstag in Dresden mit enormer Zustimmung von 94,5 Prozent erneut zum Präsident gewählt. Im Interview spricht der 56-jährige Jurist aus Regensburg über zwölf Jahre Amtszeit, welche weiteren Veränderungen er nun bewirken will und für welchen neuen IAAF-Präsident er plädiert.
Herzlichen Glückwunsch zur Wiederwahl, Dr. Clemens Prokop. Die Wahl an sich galt als Formsache, die enorme Zustimmung von knapp 95 Prozent war aber schon eine Überraschung. Wie wichtig sind Ihnen diese Zahlen?Clemens Prokop:
Sie sind mir wichtig. Da es eine geheime Wahl war, ist dieser Prozentsatz schon sehr gut. Damit kann man ohne Übertreibung sagen, dass der Verband tatsächlich hinter der Person Prokop und den damit verbundenen Inhalten steht.
Sie starten mit dieser Wahl nun in Ihre bereits vierte Amtszeit. Wie groß ist die Anspannung vor der Aufnahme der neuen Aufgaben, die nun auf Sie warten?
Clemens Prokop:
Ich könnte jetzt plakativ sagen, die nächste Amtszeit wird die schwierigste. Aber es kommen tatsächlich einige neue Herausforderungen dazu, aber auch sehr schöne, wie etwa die Europameisterschaften 2018 in Berlin. Die Vorbereitung wird sehr zeitintensiv, aber auch spannend. Denn auch medial haben wir hier die Chance, unsere Sportart umfassend zu präsentieren.
Die EM ist eine der Aufgaben, die direkt in der Öffentlichkeit sichtbar sind. Welche Aufgaben warten im Hintergrund?
Clemens Prokop:
Wichtig ist vor allem die Arbeit an der Basis. Wir müssen in den Ganztagesschulen Fuß fassen. Damit das passiert, müssen wir selber die Initiative ergreifen. Ich kann mir hier auch gut Wettbewerbe zwischen Schulen vorstellen, als Beispiel. Das dürfen wir nicht verschlafen, denn wir müssen in unserer Sportart mittel- und langfristig denken und uns entsprechend nach Talenten umsehen, die wir brauchen, um im Spitzensport erfolgreich zu sein.
Aus diesem Grund setzte ich mich auch dafür ein, dass wir den Verlust an Meetings bekämpfen. Wir müssen die vorhandenen Meetings stärken und auch inhaltlich stützen. Auch mit Blick auf Athleten, die nicht bei den ganz großen Sportfesten starten können, denn ohne Wettkämpfe ist die Gefahr groß, dass sie die Lust an der Leichtathletik verlieren.
Sie haben angekündigt, dass Ihr Blick auch über die nationale Leichtathletik hinausgehen wird und Sie sich als DLV-Präsident auch in der internationalen Sportpolitik einmischen wollen. Wo sehen Sie hier konkret Bedarf?
Clemens Prokop:
Wir brauchen Reformen in der Leichtathletik. Deshalb steht für mich auch jetzt schon fest, dass ich für Sebastian Coe als neuen Präsident des Weltverbandes IAAF plädieren werde. Er ist bereit für umfassende Reformen. Ich sehe Handlungsbedarf in der Gestaltung der Diamond League, im Programm von Meisterschaften, aber auch im Regelwerk. Mein Traum ist immer noch, dass die Zuschauer am Ende eines Siebenkampfes direkt am Zieleinlauf über 800 Meter ablesen können, wer den gesamten Wettkampf gewonnen hat. Wir müssen die Attraktivität der Leichtathletik weiter steigern. Und da wollen wir uns einbringen.
12 Jahre sind Sie nun schon Präsident im DLV. Wie beurteilen Sie die Entwicklung der Leichtathletik in dieser Zeit?
Clemens Prokop:
Die Leichtathletik hat sich enorm entwickelt. Der DLV ist zu einem Wirtschaftsunternehmen geworden, dessen Herausforderung es ist, sich zu finanzieren. Wir arbeiten viel strukturierter mit Sponsoren zusammen als es früher denkbar war. Früher wurde eine Bande für das Stadion gekauft und dann waren alle glücklich und das war es. Heute haben wir viele unterschiedliche Kooperationen mit Unternehmen, die auch auf ganz vielfältigen Ebenen laufen. Das ist aber nur ein Beispiel für die Entwicklung.
Ein anderes großes Beispiel ist aber auch der Anti-Doping-Kampf. Wenn wir zurück denken ins Jahr 2000, da war der Fall Dieter Baumann ein großes Thema. Seitdem hat sich im Anti-Doping-Bereich viel getan. Damals gab es noch keine NADA, keine Sportschiedsgerichte und keine richtig klaren Regeln, nachdem die Dopingverfolgung und Sanktionierung erfolgen sollte. Da hat sich viel verändert.
Aber auch im Breitensport haben wir viel entwickelt. Genau wie in der Kommunikation. Wenn ich heute sehen, mit wie vielen vereinsungebundenen Menschen wir über leichtathletik.de oder laufen.de in Kontakt kommen, dann sind wir strukturell und auch inhaltlich weit nach vorne gekommen.
Hat sich Ihrem Empfinden nach damit insgesamt auch die Wahrnehmung der Sportart in der Öffentlichkeit gewandelt?
Clemens Prokop:
Momentan nehmen wir eine steigende mediale Wahrnehmung wahr. Sowohl was die Fernsehzeiten angeht als auch die Beiträge in den Printmedien. Da befinden wir uns aktuell in einer Aufschwungphase. Das zeigt sich auch in den Einschaltquoten. Neben Fußball und Formel 1 sind wir im Sommer die attraktivste Sportart.
Öffentlich wird aber auch das Thema Doping in der Leichtathletik wahrgenommen. Sie sitzen zusammen mit Dagmar Freitag mit in den Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD, wenn es um ein Anti-Doping-Gesetz geht. Das Thema Anti-Doping hat also auch inzwischen die Politik erreicht. Ist das schon alleine ein Erfolg?
Clemens Prokop:
Das ist ein Zeichen, dass es als brisantes politisches Thema verstanden wird. Und damit wird nicht nur die gesellschaftliche Bedeutung deutlich, sondern auch der dringende Handlungsbedarf. Deshalb fühle ich mich bestärkt, denn zeitweise waren wir ja eher ein einsamer Rufer in der Wüste mit der Forderung nach stringenten gesetzlichen Lösungen. Dass es jetzt in der Politik angekommen ist, sehe ich sehr positiv.
Wenn die Koalition zustande kommt, kommen wir mit unseren Vorschlägen zumindest ins das Gesetzgebungsverfahren und das ist schon ein entscheidender Schritt. Mir ist wichtig, dass wir nicht nur theoretische Bedenken in den Raum stellen, die dann ungelöst stehen bleiben, sondern dass wir auch zu wirklichen Ergebnissen kommen.
Lassen Sie uns vier Jahre weiter denken. Was wäre das schönste Kompliment, das man Ihnen nach 16 Jahren Amtszeit machen könnte?
Clemens Prokop:
Ich hoffe, dass wir bis dahin möglichst viele Ziele, die wir uns in Dresden vorgenommen haben, realisiert haben, dass wir uns den Problemen mutig gestellt haben. Und natürlich fände ich es schön, wenn wir dann nicht nur einen sechsminütigen Film über die sportlichen Highlights der abgelaufenen Legislaturperiode zeigen können. Wenn es nach mir geht, kann der Film dann auch gerne dreißig Minuten lang sein.
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