EAA-Präsident überzeugt vom neuen EM-Rhythmus
Die Leichtathletik-EM fand über Jahrzehnte nur alle vier Jahre statt. Doch 2012 ändert sich dieser Rhythmus abrupt: Der Europäische Leichtathletik-Verband EAA veranstaltet die Titelkämpfe künftig alle zwei Jahre. Und muss seine Idee verteidigen.
Schnapsidee! Vorolympischer Störfaktor! 15 Millionen Euro teurer Irrtum? Die Kritik am künftigen Zwei-Jahres-Rhythmus der Leichtathletik-EM, die zu allem Überfluss auch noch fünf Wochen vor den Olympischen Spielen in London (Großbritannien) stattfindet, war zuweilen heftig.Doch Hansjörg Wirz wischt alle Gegenargumente beiseite. "Sie ist eine dringende Notwendigkeit, um auf unserem Kontinent mehr Athleten-Potenzial zu entwickeln", sagte der Präsident des Europäischen Leichtathletik-Verbandes (EAA) vor dem Auftakt der 21. Titelkämpfe am Mittwoch in Helsinki (Finnland).
Starke Fernseh-Präsenz
Hansjörg Wirz (69), seit 1999 Präsident der EAA, hat nach einer umfangreichen Studie die europäischen Verbände schnell von seinem Plan überzeugt. "Auch das Fernsehen ist stark präsent. Wir haben schon jetzt mehr Übertragungszeiten als 2010 in Barcelona, obwohl ohne Gehen und Marathon in Helsinki fünf Disziplinen weniger ausgetragen werden", sagte der EM-Vierte von Athen 1969 über 400 Meter Hürden.
Er räumte aber auch ein: "Die EAA investiert stark in diese zusätzliche EM. Wir beteiligen uns stärker an den Produktionskosten der EBU und zahlen auch dem Veranstalter einen höheren Anteil an den Organisationskosten. Es soll keine Verlierer geben."
DLV begrüßt den neuen Rhythmus
Auch im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) wird der Rhythmuswechsel der EM, die bisher immer nur im Jahr Olympischer Winterspiele stattfand und künftig stets auch vor den Sommerspielen über die Bühne gehen soll, begrüßt: "Ich glaube, dass dieser Schritt richtig ist und die Teilnahme an der EM sich bei richtiger Planung nicht negativ auf das Ergebnis bei Olympia in London auswirken muss", sagte DLV-Präsident Clemens Prokop.
Thomas Kurschilgen, als Sportdirektor für das Gelingen der Unternehmen Helsinki und London verantwortlich: "Unsere Athleten mussten nicht zum Start in Helsinki überredet werden. Alle Athleten haben sich mit ihren Trainern für eine Teilnahme ausgesprochen. Eine EM ist zudem von hohem medialem Interesse. Wir haben die EM in den Vorbereitungsprozess zu den Spielen mit der frühen DM in Bochum und dem fünfeinhalbwöchigen Vorbereitungsabschnitt auf dem Weg nach London planvoll eingeordnet. Unsere Athleten reisen kurzfristig an und nach dem Wettkampf schnell wieder ab. Auf eine teambildende Maßnahme im Vorfeld haben wir bewusst verzichtet. Für unsere Läufer und Sprinter ist die EM von hohem Interesse, weil sie bei Olympia und der WM - wie viele Europäer - oft im Schatten von Afrikanern, Amerikanern und Jamaikanern stehen. Für junge Athleten ist Helsinki eine Herausforderung zum Erlernen internationaler Wettkampfkompetenz und einige können hier auch noch die Olympia-Norm realisieren."
Robert Harting plant Kurztrip
Viele verschwenden wie Diskus-Favorit Robert Harting nicht viel Zeit mit Helsinki: Der zweimalige Weltmeister, 2010 EM-Zweiter, schwebt am Donnerstag ein, bestreitet am Freitag die Qualifikation und Samstag das Finale. Am Sonntag fliegt er nach der Siegerehrung direkt wieder zurück nach Berlin.
"Wir freuen uns, dass viele der besten Europäer an der EM teilnehmen", sagte Hansjörg Wirz, dem allerdings auch nicht verborgen geblieben ist, dass Stars wie Stabhochsprung-Weltrekordlerin Yelena Isinbayeva - und aus ihrem russischen Team alle sechs Weltmeisterinnen von Daegu (Südkorea) 2011 - fehlen. Keine Überraschung, dass sich auch etliche Briten mit Blick auf Olympia im eigenen Land in Helsinki rar machen.
Doch Hansjörg Wirz glaubt, dass die Meisterschaft am Ende ihren Namen verdient - und er hofft, dass sich die Zwischen-EM im Laufe der Jahre noch stärker etabliert. "Die anderen Kontinente haben längst alle zwei Jahre eigene Titelkämpfe, das ist auch in Europa notwendig", sagte er und argumentiert: "Bei Olympia und einer WM sind unter rund 2.000 Ahleten etwa 900 Europäer am Start, bei einer EM aber über 1.350. Diese 450 Athleten haben nur alle vier Jahre eine Meisterschaft - zu wenig, um Potenzial zu entwickeln."
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)