| Berlin 2018

Ehemalige Top-Athleten im Einsatz für die Heim-EM

Ob als Volunteer, Kampfrichter oder Mitarbeiter im Organisationsteam – mit Heike Drechsler, Betty Heidler, Sebastian Bayer, Helge Schwarzer oder dem Direktor der Europäischen Meile Konstantin Krause haben fünf frühere Leichtathleten zum Erfolg der Europameisterschaften in Berlin beigetragen.
Jane Sichting

Sie ist eine der bekanntesten Leichtathletinnen in ganz Deutschland. Unzählige Male stand sie in vollbesetzten Stadien auf der Tartanbahn und lieferte Spitzenleistungen ab. Sie weiß, wie es sich anfühlt, Olympiasiegerin zu sein oder bei Welt- und Europameisterschaften ganz oben auf das Treppchen zu steigen. Und plötzlich steht sie im Berliner Olympiastadion mit einem Rechen in der Hand an der Weitsprunggrube und zieht für andere Athleten den Sand wieder glatt.

Heike Drechsler ist Kampfrichterin bei den Europameisterschaften in Berlin. Und das bleibt trotz schwarz-blauer Einheitskleidung und Basecap nicht unbemerkt. Zahlreiche Medien wollen ein Interview, Fans fragen nach einem Foto und ehemalige Athleten – national wie international – grüßen sie in der Rolle als Trainer von der Tribüne aus. „Die Leichtathletik ist halt eine große Familie“, strahlt die ehemalige Weitspringerin.

Die EM in Berlin sei für sie eine der schönsten Meisterschaften gewesen, die sie erlebt hat. Wenn auch aus einer neuen Perspektive. „Mir ist es wichtig, der Leichtathletik etwas wiederzugeben“, sagt die Deutsche Rekordhalterin im Weitsprung. Als sie vor zwei Jahren nach Berlin gezogen ist, suchte sie nach einer Möglichkeit, sich im Sport zu engagieren, und absolvierte einen Kampfrichterlehrgang. „Es war schon lustig, wenn dir als Olympiasiegerin erklärt wird, wie Weitsprung funktioniert“, lacht sie. Doch habe sie auch viel Neues gelernt: „Besonders die technische Ausbildung war hochinteressant. Viele Details aus anderen Disziplinen kennt man ja als Athlet selbst gar nicht.“

Die Arbeit an der Basis

Ihre Aufgabe bei der EM in Berlin war das Einebnen der Sandgrube. „Dabei habe ich den Wettkampf hautnah miterlebt und konnte auf technische Details der Springer achten.“ Persönlich habe die 53-Jährige besonders der Sieg von Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) gefreut. Beeindruckt habe sie unter anderem auch das herausragende Ergebnis von Arthur Abele (SSV Ulm 1846). Trotz der extremen Bedingungen sei der Zehnkämpfer an beiden Tagen von Disziplin zu Disziplin marschiert und wirkte sehr besonnen und sympathisch.

Einen einzelnen Höhepunkt kann Heike Drechsler nicht herausheben. Vielmehr habe sie die EM als Gesamtpaket überzeugt. Die Leichtathletik habe sich positiv präsentiert und mit modernen Ideen überrascht. Dem EM-Team spricht sie ihr Lob aus: „Alle Beteiligten haben tolle Arbeit geleistet. Es war schön zu erleben, dass der Aufwand, der teils auch schon sehr weit im Voraus betrieben wurde, Früchte getragen hat und die Leute ins Stadion geströmt sind.“

Betty Heidler verantwortlich für den "Hot Seat"

Und auch eine weitere ehemalige Weltklasse-Athletin engagierte sich als Volunteer bei der EM in Berlin: Betty Heidler. Nachdem sie in einem Web-Video zu einem Volunteer-Einsatz aufgerufen hatte, „wäre es komisch gewesen, wenn ich mich selbst nicht daran beteiligt hätte“, sagt die ehemalige Hammerwerferin, die 2009 in Berlin Vize-Weltmeisterin geworden war. Als ehrenamtliche Helferin gehörte sie zum Team Mixed Zone: „Meine Aufgabe war es zum einen, die Athleten aus dem Innenraum zu den Medien zu begleiten. Zum anderen war ich für die Besetzung der Hot-Seats verantwortlich.“

Trotz ihres Einsatzes konnte sie die Atmosphäre im Stadion genießen und die Wettkämpfe live und über die Leinwände verfolgen.  „Es war total schön, einmal entspannt im Stadion zu sein – ohne Druck, ohne Wettkampfstress“, schwärmt sie. Bis in die Nacht hinein sei sie noch ganz euphorisch gewesen. Obwohl sie nur wenige Stunden schlafen konnte, sei die EM für Betty Heidler eine „supertolle Woche“ gewesen. Gefreut habe die 34-Jährige zudem das viele Lob, das den Volunteers ausgesprochen wurde. „Auch die Athleten waren uns sehr dankbar. Ich denke es ist wichtig, dass sie sich auf Helfer verlassen können, die Ahnung haben und ihnen den Wettkampf einfacher machen“, ergänzt sie.

Sebastian Bayer entwickelt neue Laser-Linie mit

Es nicht nur den Athleten, sondern auch den Zuschauern einfacher zu machen, war die Aufgabe von Sebastian Bayer. Nachdem er seine sportliche Karriere im Januar gesundheitsbedingt beenden musste, brachte er seine Expertise als Weitspringer bei der Betreuung der neuen Laser-Linie in der Sandgrube ein. Bereits vier Monate vor der EM war er in die Vorbereitungen der neu eingeführten Technik involviert. Die grüne Linie soll den Wettkampf für die Zuschauer verständlicher machen. Sie zeigt beim Weit- und Dreisprung die jeweils aktuelle Bestweite an und hilft, die erzielten Leistungen der Athleten einzuschätzen.

„Aber auch die Athleten profitieren davon. Ich kenne es noch von mir selbst, wie sehr du versuchst, dich zu der Linie treiben zu lassen. Dann ziehst du den Sprung noch etwas länger“, erklärt der 32-Jährige. Vor allem im Dreisprung sei die Laser-Linie im Sand ein Vorteil. Zudem bringe ein solch direktes Feedback mehr Emotionen ins Stadion, weil der Athlet nicht ewig auf das Ergebnis warten müsse, sondern sofort weiß, wie gut sein Sprung war.

Beim Gang zur Weitsprung-Anlage im Stadion erinnert sich Sebastian Bayer nur zu gut an das Gefühl, selbst hinten am Anlauf zu stehen und mit Tunnelblick zum großen Satz in die Grube anzulaufen. Bereuen tue er seinen Rücktritt aber nicht: „Der war ja nicht freiwillig. Nach den beiden Knie-OPs hätte ich nie das Leistungsniveau erreicht, das ich in meiner Normalverfassung hätte zeigen können. Mein Anspruch für die Heim-EM wäre eine Medaille gewesen. Doch mit meinem Knie hätte ich es nicht einmal ins Finale geschafft.“ Umso schöner war es für ihn, dennoch Teil der Leichtathletik-Familie zu sein und viele ehemalige Wegbegleiter wiederzusehen. „Die Leichtathletik hat gut 15 Jahre mein Leben bestimmt. Das war ein geiler Lebensabschnitt und eine sehr emotionale Zeit.“

Varianz an Geschichten macht Leichtathletik besonders

Noch mehr in die Event-Vorbereitung und EM-Präsentation involviert war Helge Schwarzer. Der ehemalige Hürdensprinter arbeitete für die EM als Digital Manager und verantwortete sämtliche digitale Kommunikationskanäle und Inhalte. „Als ehemaliger Leichtathlet habe ich noch immer eine enge Verbindung zu Berlin“, sagt der WM-Halbfinalist von 2009. Vor zwei Jahren sei er extra für den Job von Hamburg nach Berlin gezogen. „Die EM war ein riesen Projekt in dem Sport, den ich liebe und der mein Leben über viele Jahre definiert hat“, begründet er seine Entscheidung.

Obwohl das Arbeitspensum vor allem in den letzten drei Wochen sehr intensiv gewesen sei, geht er auch mit einem weinenden Auge wieder zurück in die Hansestadt. „Als der letzte Startschuss fiel, war klar, dass zwei Jahre Projektarbeit nun zu Ende sind. Das war ein sehr intensiver Moment“, verrät Helge Schwarzer. Es habe sich für ihn angefühlt wie ein zweiter Abschied vom Sport. Den ersten hatte er 2014. Dass es ihn noch immer juckt, wenn er eine Hürdenbahn sieht, halte wohl ein Leben lang an: „Klar willst du dann wieder unten stehen und rennen. Aber da bin ich auch realistisch: Weitere vier Jahre hätte ich es nicht durchgehalten, auf diesem Niveau zu laufen.“

Konstantin Krause dirigiert die Europäische Meile

Nach seinem persönlichen Highlight der EM gefragt, betont Helge Schwarzer: „Für mich hat jede Medaille und jede Leistung ihre eigene Geschichte. Es sind die vielen individuellen Stories, die diese EM so besonders gemacht haben.“ Die Varianz reiche vom „alten Hasen“ Arthur Abele, der sich nach langer Leidenszeit mit Zehnkampf-Gold belohnt hat, über die etablierte Athletin Gesa Krause (Silvesterlauf Trier), die nach ihrem Sturz-Pech bei der WM im letzten Jahr erneut zum EM-Titel gelaufen ist, bis hin zu „Himmelsstürmer“ Mateusz Przybylko (TSV Bayer Leverkusen) und Newcomern wie Fabian Heinle (VfB Stuttgart 1893). „Jeden Tag hat ein anderer Athlet überrascht – positiv wie negativ. Aber auch das gehört dazu. Das ist Leichtathletik“, sagt Helge Schwarzer.

Aber nicht nur im Olympiastadion fand ein Fest der Leichtathletik statt, auch auf der Europäischen Meile am Breitscheidplatz begeisterten Siegerehrungen, Kugelstoß-Qualifkation der Männer, Start- und Zieleinläufe im Gehen und Marathon sowie ein buntes Rahmenprogramm die Besucher. Hauptverantwortlich dafür war Konstantin Krause. Der frühere Acht-Meter-Springer (Bestleistung: 8,27 m) leitete das Groß-Projekt, das rund 150.000 Menschen anzog, als Direktor der Europäischen Meile. Sein eigener größter sportlicher Erfolg war der Gewinn der Silbermedaille bei der Hallen-EM 1992 in Genua (Italien).

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024