Eigenem Selbstverständnis nicht gerecht geworden
Platz fünf in der Nationenwertung (72 Punkte) und mit einer Silber- und drei Bronzemedaillen Rang 28 im Medaillenspiegel. Die deutschen Leichtathleten haben bei den Weltmeisterschaften in Paris enttäuscht. Das räumte DLV-Präsident Dr. Clemens Prokop am gestrigen Schlusstag der Titelkämpfe ein: "Wenn man das Gesamtergebnis betrachtet, dann ist festzustellen, dass wir unserem Selbstverständnis nicht gerecht geworden sind."
Dr. Clemens Prokop ist mit dem Abschneiden des DLV-Teams in Paris nicht zufrieden. (Foto: Klaue)
Zwar sei man von vornherein "mit reduzierten Erwartungen nach Paris gekommen", da eine Reihe der Top-Athleten verletzt gewesen ist und klar war, dass der Ausfall dieser Sportler nicht kompensiert werden kann, doch trotzdem sei das Abschneiden nicht zufrieden stellend. "Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, auf so ein Ergebnis zu reagieren. Die eine wäre, die eigene Erwartungshaltung zu korrigieren, die andere, dass man einfach seine gegangenen Weg überprüft. Die erste Möglichkeit werden wir nicht wählen. Das Selbstverständnis ist klar definiert. Wir wollen und werden auch zukünftig zu den führenden Leichtathletik-Nationen der Welt zählen. Anders ausgedrückt, wir wollen uns in der Nationenwertung unter den ersten Drei wiederfinden und im Medaillenspiegel unter den ersten Fünf. Das ist die Zielvorgabe. Genau so wenig werden wir anfangen, uns von bestimmten Disziplinen in der Förderung zu verabschieden. Wir werden weiterhin alle leichtathletischen Disziplinen fördern, die Teil des olympischen Programms sind, wobei natürlich entsprechend unser Struktur die Eliteförderung von der Qualität der Athleten in den einzelnen Disziplinen abhängt", erklärte Prokop vor Journalisten.
Es geht nicht weiter wie bisher
"Ich denke, dass nach den Ergebnissen eines klar ist: Wir können jetzt nicht zum business as usual' zurückkehren, sondern es besteht Handlungsbedarf und es ist klar, dass von dieser Meisterschaft ein Handlungsdruck ausgeht. Dies bedeutet, dass wir in der Folge alle notwendigen Maßnahmen ergreifen werden, um die sportliche Leistungsfähigkeit unserer Nationalmannschaft zu verbessern, um bei den nächsten internationalen Meisterschaften unserem Anspruch wieder gerecht zu werden."
Paris sei allerdings nicht der Ort, die Maßnahmen zu verkünden. Es werde nun vom 6. bis 9. September eine Klausurtagung des Referats Leistungssport stattfinden. Am 19. September beginnt eine viertägige Zentraltagung aller Trainer von potentiellen Ergebnislieferanten in Kienbaum. Bei beiden Beratungen sollen Analysen und Bewertungen vorgenommen werden, die in schnell umzusetzenden Entscheidungen münden, um schon bei den Olympischen Spielen 2004 wieder den eigenen Leistungsansprüchen gerecht werden zu können.
Vier Medaillen aber kein Sieger
DLV-Vize-Präsident Rüdiger Nickel ergänzte: "Wir haben auch unser Medaillenziel klar verfehlt. Wir hatten uns vorgenommen, fünf bis acht zu holen. Vier sind es geworden. Leider fehlt uns dabei ein Sieger. Das wäre für die Öffentlichkeitswirksamkeit sehr wichtig gewesen. Sieger sind ja diejenigen, die das Bild der Leichtathletik in der deutschen Öffentlichkeit prägen. Wenn wir die Defizite dieses Fazits zusammen fassen wollen, müssen wir konstatieren, dass wir zu viele Athleten hatten, die in der ersten Runde ausgeschieden sind. Das ist ungefähr ein Drittel der gesamten Mannschaft, nämlich 20 von 62 Athleten. Das ist zwar noch wesentlich weniger, als wir in unserem schlechten Jahr bei der schlechten Weltmeisterschaft in Göteborg erreicht haben, damals waren es 47 Prozent, die die erste Runde nicht überstanden haben, doch was uns besonders Sorgen bereitet und wo der erste kurzfristige Handlungsbedarf besteht ist, dass viel zu wenig Athleten in der Lage waren, hier ihre Saisonhöchstleistung zu erbringen oder zumindest an ihre Höchstleistung heranzukommen. In Edmonton waren es immerhin noch 20 Athleten, die das erreichen konnten, hier sind es wesentlich weniger."
Gleichtzeitig verteidigte Nickel einige Athleten gegen Vorwürfe, sie seien "Weicheier", nur weil sie keine Vollprofis sind: "Die Kritik, dass sich zu wenige Athleten vollprofimäßig auf den Leistungssport vorbereiten, dass sie – um den Begriff noch einmal aufzugreifen – Weicheier sind, die möchte ich so nicht stehen lassen. Wenn eine Athletin morgens um 6 Uhr aufstehen muss, um zu arbeiten und ihre Brötchen zu verdienen, und dann nach Arbeitsschluss ihren Leistungssport betreibt, dann würde ich die – obwohl sie nicht die optimalen Profibedingungen hat – nicht zu den Weicheiern zählen."