Europa wächst zusammen: Thomaskamp streift Orange über
Meistens trägt Hans-Jörg Thomaskamp Rot, die Farbe des TSV Bayer 04 Leverkusen. Dort ist der 45-Jährige als Trainer angestellt. Doch in diesen Tagen von München ist seine Kleidung orange – leuchtend orange. Und so kommt es vor, dass Trainerkollegen grußlos an ihm vorüber gehen. Ohne es böse zu meinen. Sie sind einfach irritiert, denn Thomaskamp trägt die Sachen der holländischen Nationalmannschaft, über die er bei dieser EM akkreditiert ist. Als Heimtrainer der Stabhochspringerin Monique de Wilt.
Monique de Wilt und Hans-Jörg Thomaskamp sind bei dieser EM ein oranges Gespann.
Die hält den nationalen Rekord von 4,35 Metern. Auch die Hallenbestleistung (4,44 Meter) ist in ihrem Besitz. Am morgigen Freitag steht sie im EM-Finale. „Darauf freue ich mich“, blickt Coach Thomaskamp voraus. „Denn mit dem Finaleinzug hat Monique die Erwartungen schon voll erfüllt.“ Deshalb weiß auch Thomaskamp: Wenn die Medaillen vergeben werden, ist sein Schützling wohl nicht mehr im Wettbewerb. Ihr Ziel sollte ein anderes sein: „Ich würde gern einen neuen holländischen Rekord sehen“, sagt der Übungsleiter und weiß zugleich um den Knackpunkt des Springens: „Die Anfangshöhe wird das Problem. Nimmt sie die, ist alles möglich.“Eine Kooperation mit Modellcharakter
Seit Winter 2000 arbeitet das europäische Gespann de Wilt-Thomaskamp in Leverkusen zusammen. „Als ich gefragt wurde, habe ich sofort ja gesagt. So was bringt einen als Trainer unheimlich voran.“ Zumal er durch die Holländerin auch mit einer neuen Disziplin vertraut wird. Denn Stabhochsprung ist eigentlich nicht sein Spezialgebiet. Er widmet sich vornehmlich den anderen Sprüngen. „Deshalb denke ich anders als beispielsweise Leszek Klima.“ Klima ist Stabhochsprung-Bundestrainer und betreut in Leverkusen unter anderem Danny Ecker, Lars Börgeling und Richard Spiegelburg. In Zusammenarbeit mit Thomaskamp wirft er regelmäßig auch ein Auge auf Monique de Wilt: „Diese Kooperation hat Modellcharakter“, erklärt der seit 23 Jahren als Coach arbeitende Hans-Jörg Thomaskamp. „Ihr gehört die Zukunft.“
Stabhochsprung-Trainer sind die Vorreiter
Zukunft hat aus seiner Sicht auch die länderübergreifende Beziehung. Stabhochspringer seien auf diesem Gebiet die Vorreiter. So kümmert sich der gebürtige Pole Leszek Klima nicht nur um deutsche Top-Athleten, sondern hat auch den Holländer Rens Blom unter seinen Fittichen. Er ist wie Monique de Wilt mittlerweile in Leverkusen zu Hause. Außerdem unterstützt Klima die polnischen Springer bei Wettkämpfen. Und Jochen Wetter, der Nicole Humbert einst zur Vize-Europameisterin machte, verhilft derzeit der Schwedin Kirsten Belin über neue Höhen. „Das ist klassisch für einen Trainer. Wenn man um Unterstützung gebeten wird, sagt man nicht nein“, erklärt Thomaskamp, der bei dieser EM allerdings nicht einziger Deutscher im Holland-Dress ist.
Anfängliche Hemmungen schnell abgelegt
Auch Joachim Schulz, im Landesverband Nordrhein für den männlichen Hochsprung-Nachwuchs verantwortlich und vereinsmäßig bei der LG Euregio in Aachen zu Hause, coacht die Zehnkämpfer des Landes, aus dem Frau Antje kommt. „Bei den Holländern ist alles viel familiärer, viel lockerer als bei der deutschen Mannschaft, keineswegs aber unkonzentrierter“, berichtet Thomaskamp, der Anfangs ein paar Hemmungen hatte, die orange Kleidung der Niederländer überzustreifen: „Aber am ersten EM-Tag war es dann so nass und kalt, dass ich nicht lange überlegen musste.“
Ab Montag wieder in Rot
Zum Rückwechsel auf Rot wird er nach der EM automatisch gezwungen: „Die meisten Sachen müssen wir wieder abgeben“, erzählt der studierte Sportlehrer. „Und außerdem fühle ich mich sehr wohl in Leverkusen. Dort arbeiten zu können, ist mir eine Ehre. Der Verein ist in Deutschland die Nummer eins. Da führt kein Weg dran vorbei.“