Ein Mythos - 100 Jahre Olympischer Zehnkampf
Zehnkampf gilt als Sport für echte Kerle. Zehnkampf bedeutet Schmerzen, Qualen und Schinderei. Zehnkampf verbindet eigentlich unvereinbare Disziplinen. Zehnkampf ist, wenn Männer, bis zu 100 Kilo schwer und zwei Meter groß, am Ende des 1.500-Meter-Laufs mit letzter Kraft und verzerrtem Gesicht über die Ziellinie stampfen und dann erschöpft auf der Tartanbahn liegen bleiben.
Der Applaus der Zuschauer gilt dann immer nicht allein dem Sieger, sondern auch dem Neunten, 14. oder 18. Männer wie Willi Holdorf, Kurt Bendlin, Jürgen Hingsen, Christian Schenk oder Frank Busemann haben den Zehnkampf in Deutschland zu einem Mythos werden lassen."Zehnkampf ist immer auch die Auseinandersetzung mit sich selbst", sagte Willi Holdorf dem SID, "eine Art Reifeprüfung in zwei Tagen. Wer erfolgreich werden will, braucht nicht nur Kraft, Schnelligkeit und Ausdauer, sondern auch Härte und Willenskraft." All das hatte Willi Holdorf, als er 1964 in einem dramatischen Finale über 1.500 Meter in Tokio (Japan) zur Goldmedaille rannte und sich zum ersten deutschen Olympiasieger im Zehnkampf krönte.
Geschichte geschrieben
Unvergessen sind auch die Bilder, wie sich Kurt Bendlin vier Jahre später, dick bandagiert und am Ende seiner Kräfte, zu Bronze schleppte. Oder die epochalen Duelle zwischen dem Briten Daley Thompson und Jürgen Hingsen. "Er sagt immer: 'Du warst eigentlich der bessere Athlet - ich dafür der bessere Wettkämpfer'", sagt Jürgen Hingsen im Rückblick auf die Zweikämpfe, aus denen er fast immer als zweiter Sieger hervorging, "aber wir haben Geschichte geschrieben und Werbung für den Zehnkampf gemacht."
Seit 1912 gehört der Zehnkampf zu den Olympischen Spielen. Vor 100 Jahren krönte sich der Amerikaner Jim Thorpe in Stockholm zum ersten "König der Athleten". Keine Nation war seitdem bei Olympia im Zehnkampf erfolgreicher als die USA - von 66 möglichen Medaillen holten die Amerikaner 24. Dahinter rangieren die deutschen Mehrkämpfer mit zehn gewonnen Medaillen.
Christian Schenk voller Stolz
Neben Willi Holdorf ist Christian Schenk der zweite Olympiasieger aus Deutschland. 1988 holte er Gold für die DDR. "Zu diesem kleinen Kreis der Olympiasieger gehören zu dürfen, erfüllt mich mit viel Stolz", sagt Christian Schenk, schließlich führe der Wettkampf den Athleten an die Grenze der physischen wie psychischen Belastungsgrenze.
Zehnkämpfer sind zwei Tage auf den Beinen, schlafen in der Nacht dazwischen kaum mehr als ein paar Minuten und müssen sowohl morgens um neun Uhr als auch abends um 22 Uhr Höchstleistungen bringen. "Da muss man schon ein bisschen masochistisch veranlagt sein", sagt Christian Schenk. "Mord in zehn Raten" hat Bob Mathias (USA), 1948 mit 17 Jahren in London (Großbritannien) Olympiasieger, den Zehnkampf einmal geschimpft. Doch wer ihn überlebe, so der amerikanische Olympiasieger Bruce Jenner, gewinnt "ein Stück Unsterblichkeit".
Der neue Weltrekordhalter Ashton Eaton aus den USA hat den Zehnkampf trotz aller Entbehrungen und Qualen "vom allerersten Moment an geliebt. Ich denke, der Grund, warum der Zehnkampf eine so große Anziehungskraft hat, ist, weil man das ganze Leben in zwei Tagen durchlebt", sagte er, nachdem er im Juni 9.039 Punkte erzielt hatte, "du hast Höhen und Tiefen, Gutes und Schlechtes, liegst am Boden und hast Comebacks. Jeder liebt das Leben, und das ist der Grund, warum wir Zehnkampf lieben - er ist so wie das Leben."
Quelle: Sport-Informations-Dienst (sid)