| Reportage

Ein Tag mit… Alexandra Burghardt

Bundeswehr, Studium, Halbtagsjob oder Profi-Sport - das Leben der Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) ist unterschiedlich. leichtathletik.de darf einen Blick in ihren Alltag werfen und einen Tag hautnah dabei sein. Zuletzt begleitet haben wir Sprinterin Alexandra Burghardt (MTG Mannheim).
Lea Saur

2016, Olympisches Jahr. Wie könnte man da eine alltägliche Trainingswoche besser starten als in einem Olympiastützpunkt (OSP)? Der erste Termin der Woche findet für Sprinterin Alexandra Burghardt montags um 9 Uhr im OSP in Heidelberg statt. Zugegeben: Normalerweise klingelt der Wecker für die Studentin nicht um 7:30 Uhr morgens. Doch montags muss sie früher als normalerweise aufstehen, sonst bekommt sie ihr Tagesprogramm nicht unter.

Und ein ordentliches Frühstück, das muss dann schon sein. Das anstehende Krafttraining übersteht man nicht nur mit einer Tasse Kaffee. „Müsli mit Obst gab’s“, erklärt die Sprinterin, bevor es von der Mannheimer Wohnung auf rund einer halbe Stunde Fahrtweg mit dem Auto nach Heidelberg geht.

Krafttraining am Morgen…

Das Neuenheimer Feld in Heidelberg, wo sich der Olympiastützpunkt befindet, wirkt in diesen Morgenstunden noch etwas verschlafen. Auch im OSP-Kraftraum ist die Atmosphäre um diese Zeit ruhig, doch es herrscht eine konzentrierte Stimmung. Vereinzelt arbeiten Athleten an den Geräten, Shanice Craft (Diskuswurf) ist schon da, auch Nadine Gonska (Sprint), Yasmin Kwadwo (Sprint; alle MTG Mannheim) und Malaika Mihambo (LG Kurpfalz) treffen nach und nach ein.

Trainer Valerij Bauer ist bei diesen Krafteinheiten, die zwei Mal pro Woche stattfinden, meistens nicht dabei. Die Übungen sind mit den Trainern des OSP abgesprochen, der Trainingsplan liegt schon bereit. So sind die Athleten auch etwas flexibel, was die Trainingszeit angeht. Nur bei Alexandra Burghardt hält es sich mit der Flexibilität in Grenzen: Um 12 Uhr steht eine Stunde Physiotherapie auf dem Programm und bis dahin muss die umfangreiche Krafteinheit absolviert sein. „Dieses Training macht meistens jeder für sich, denn es dauert in der Regel schon drei Stunden. Würden wir uns nebenher unterhalten, wären wir damit noch länger beschäftigt.“

Unterstützend zur Seite stehen Mareike Rittweg und Helmut Müller. Die beiden OSP-Kraftdiagnostiker werfen ein Auge auf die Athleten und kontrollieren die technische Ausführung der Übungen. Das Isomed, eine große Maschine, die von den Profis vor Ort bedient wird, kann individuell eingestellt werden und es lässt sich auf dem Bildschirm ablesen, wie die Muskulatur von Alexandra Burghardt gesteuert wird. „Am Anfang konnte ich gar nichts, da war die Kraftkurve immer sehr unrund.“ Inzwischen hat die Sprinterin gelernt, ihre Muskulatur besser zu kontrollieren.

„Mannheim ein echter Glücksgriff“

Nicht nur die Anbindung an den Stützpunkt in Heidelberg ist ein Grund dafür, dass die Bayerin, die zuvor in Altötting gelebt hat, sehr zufrieden mit ihrem Wechsel nach Mannheim ist. Zwei Jahre liegt dieser mittlerweile zurück. „Das erste Mal bin ich mit meinem Papa im Wohnmobil hergefahren, um mich hier umzusehen und Dinge bezüglich des Trainings und meines Studiums abzusprechen“, erzählt sie.

„Der Hauptgrund, warum ich nach Mannheim wollte, war Valerij Bauer. Die Leute kannte ich ja auch schon teilweise aus dem Kader oder von Veranstaltungen und schnell hat sich gezeigt, dass hier alles passt. Mannheim war für mich ein echter Glücksgriff.“ Dafür nimmt die 21-Jährige auch gerne in Kauf, dass sie für ihre Heimatbesuche alle zwei bis drei Wochenenden etwa vier Stunden Autofahrt antreten muss.

Wenige Minuten vor 12 Uhr quält sich Alexandra Burghardt vom Isomed-Gerät. Die letzte Übung war nicht ohne, da musste sie auf die Zähne beißen. Aber: „Von nix kommt nix“, sagt sie. Jetzt geht’s dafür direkt zur Physiotherapie. Denn nicht nur die Ausstattung im Kraftraum, auch die gute Vernetzung vor Ort sind Teil der optimalen Trainingsbedingungen am OSP für die Mannheimer Athletin: Wir biegen im OSP-Gebäude ein paar Mal um die Ecke und schon stehen wir vor dem Behandlungszimmer der Physiotherapeutin von Alexandra Burghardt.

Durststrecke nach Erfolgen in der Jugend

Tilla Dier und Alexandra Burghardt kennen sich, seit die Sprinterin in Mannheim wohnt. Neben Alexandra betreut die Therapeutin auch die Mannheimer Yasmin Kwadwo, Andreas Hofmann und David Gollnow. Die Zusammenarbeit der Beiden läuft super und trug schon früh erste Früchte: Bereits wenige Monate nach Alexandra Burghardts Wechsel nach Mannheim beendete sie in der Hallensaison 2015 ihre monatelange Durststrecke und ließ es bei den Deutschen Hallenmeisterschaften in Karlsruhe so richtig krachen. Erstmals seit Jahren konnte die Sprinterin dort wieder einmal auf nationaler Ebene in den Kampf um die Medaillen eingreifen.

Denn ein unbeschriebenes Blatt war das Talent auch vor dem Wechsel nach Mannheim bei Weitem nicht. Allein die Liste ihrer internationalen Erfolge ist für eine 21-Jährige mehr als beachtlich: Platz vier belegte sie 2011 bei der U18-WM – damals noch über 100 Meter Hürden. Im selben Jahr feierte Alexandra Burghardt als Jüngste im Quartett bei der U20-EM neben dem Titel auch einen neuen U20-Europarekord mit der Sprintstaffel. 2012 folgte über 4x100 Meter Silber bei der U20-WM. Ausgebremst von verschiedenen Verletzungen, unter anderem einem Ermüdungsbruch, wurde es danach allerdings ruhiger um die Athletin.

Comeback in Karlsruhe

Zurück in der Gegenwart, wo Tilla Dier über ihren Einsatz 2015 bei der Hallen-DM in Karlsruhe berichtet: „Die Meisterschaften waren die ersten Leichtathletik-Meisterschaften, bei denen ich als Physiotherapeutin mit vor Ort war. Ich saß zusammen mit den anderen Betreuern auf der Tribüne, und als Alex als Zweite über 60 Meter ins Ziel lief, hat es uns alle von den Sitzen gerissen. Als sie zu uns kam, haben wir alle geheult und sind uns in die Arme gefallen.“ Die Silbermedaille war die beste Bestätigung dafür, dass sich der Wechsel nach Mannheim gelohnt hatte und mit Alexandra Burghardt wieder zu rechnen ist.

Die Stunde auf der Behandlungsbank vergeht wie im Flug. Manchmal reicht es nach Krafteinheit und Physio-Besuch noch für einen Gang in die „Cantina“ des OSP zum Mittagessen. Einen Ernährungsplan hat die Spinterin nicht, weil sie generell keine Probleme damit hat und grob weiß, was gut ist und was nicht. Wegen ihrer Gluten-Unverträglichkeit kocht sich Alexandra Burghardt aber meistens selbst etwas. Heute ist die Zeit jedoch zu knapp für eine richtige Mahlzeit. Einen Apfel, eine Banane gibt’s dann auf dem Rückweg nach Mannheim.

"Business Communication" am Nachmittag

Dort steht „Business Communication“ als nächstes auf dem Plan. Um 13:45 Uhr beginnt das Seminar der Studentin der Medienkommunikationswissenschaften und Betriebswirtschaftslehre. Alexandra Burghardt studiert diese Kombination im vierten Semester an der Universität Mannheim. Aktuell ist sie sogar noch im regulären Semesterplan, konnte bisher denselben Umfang an Vorlesungen und Seminaren absolvieren wie ihre Kommilitonen. „Im besten Fall ändert sich das aber in diesem Sommer, wenn ich nicht alle Klausuren mitschreiben kann“, sagt die Studentin und spielt an auf das Großereignis des Jahres, die Olympischen Spiele in Rio (Brasilien; 5. bis 21. August).

Natürlich ist Olympia bei der WM-Teilnehmerin von Peking (China) irgendwo im Hinterkopf verankert. „Aber es ist nicht so, als würde ich täglich an nichts anderes denken. Ich ziehe mein Training durch und wenn es hart wird, motiviere ich mich durch den Gedanken an die Spiele zusätzlich.“

In der Universität hat Alexandra Burghardt keine Sonderstellung. „Ich glaube nicht, dass meine Kommilitonen wissen, was ich neben der Uni mache. Die fragen sich vielleicht höchstens, warum ich immer in Sportklamotten in die Seminare komme.“ Montags bleibt zum Umziehen nach der Krafteinheit eben keine Zeit.

Mannheimer Sportstipendium

Der Spagat zwischen Studium und Sport ist nicht immer einfach. Anfangs hatte die Sprinterin deshalb schon in Betracht gezogen, zur Polizei zu gehen, um Ausbildung und Sport besser unter einen Hut zu bekommen. „Das Konzept finde ich gut, aber ich persönlich wollte mich dann doch nicht auf einen Beruf bei der Polizei festlegen. Ganz sicher bin ich mir zwar jetzt auch noch nicht, wohin es gehen soll, aber die Richtungen Unternehmenskommunikation oder PR kann ich mir sehr gut vorstellen“, nennt Alexandra Burghardt als Grund, warum sie sich letztendlich für ein Studium entschied.

Um 15:15 Uhr ist die Uni-Veranstaltung vorbei. Dann geht’s nach Hause, wo das Mittagessen nachgeholt wird. Es bleibt etwas Zeit zum Beine hochlegen – für die 1,81 Meter große Sprinterin sind die Tische und Bänke in der Uni oftmals eine Qual –, und Kaffee trinken mit ihrer Schweizer Mitbewohnerin Mujinga Kambundji.

Sprint-WG mit Massage-Vorteil

Die Beiden haben vor anderthalb Jahren zusammen eine schöne Wohnung auf halber Strecke zwischen Uni und MTG-Gelände bezogen. Das Zusammenleben der Sprinterinnen funktioniert nicht zuletzt auch deshalb so gut, weil beide den gleichen Rhythmus haben und sportliche sowie private Interessen teilen. Da massiert die eine schon mal der anderen die Wade, wenn es zwickt.

Nach dem kurzen Kaffee-Päuschen geht es wieder ab ins Training. Normalerweise werden die Mädchen zur zweiten Einheit mit spezifischen Kraftübungen von Trainer Valerij Bauer erwartet, doch der ist heute auf einem Lehrgang, sodass die Athleten in Eigenregie trainieren.

Zwei Stunden lang rackert die heute fünfköpfige Trainingsgruppe in der MTG-Halle. Am Ende der Einheit und des Tages, es ist inzwischen nach 20 Uhr, ist Alexandra Burghardt doch froh, alles gut überstanden zu haben. Schluss ist für heute trotzdem noch nicht ganz: „Jetzt fahren Mujinga und ich noch kurz zum Einkaufen.“ Eine Leidenschaft, die die beiden Mitbewohnerinnen nämlich neben dem Sprinten teilen, ist das Kochen, und ein Video auf Facebook hat sie zu einem neuen Rezept inspiriert: Hähnchenbrust mit Avocado-Füllung steht heute auf dem Plan.

Um 23 Uhr schließlich ist der lange Montag auch für Alexandra Burghardt beendet. Am Tag darauf klingelt der Wecker etwas später. Zeit zum Ausruhen aber folgt für die Spitzensportlerin und Studentin nicht. Vielleicht am Ende der Olympia-Saison – wenn sie womöglich mit Erinnerungen an Amsterdam oder Rio in die verdiente Saisonpause gehen darf.

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