| Hinter den Kulissen

Ein Tag mit... Miguel Rigau

Bundeswehr, Studium, Halbtagsjob oder Profi-Sport - das Leben der Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) ist unterschiedlich. leichtathletik.de darf einen Blick in ihren Alltag werfen und einen Tag hautnah dabei sein. Dieses Mal an der Reihe ist 400-Meter-Spezialist Miguel Rigau. Seit dem vergangenen Jahr führt der 28-Jährige als Vereinsmanager auch die Geschäfte des LT DSHS Köln.
Ivo Koken

Der Tag mit Miguel Rigau startet mit Dienstbeginn um 9 Uhr im Sportpark Müngersdorf - im Schatten des bald wieder erstklassigen Fußballtempels und vor dem Haupteingang der Deutschen Sporthochschule. Aus diesem tritt der 1,84-Meter-Mann - mit Brille und kariertem Hemd, ganz anders als vom Sportplatz bekannt. Am Ohr klebt sein Handy. Die ersten Gespräche hat der Vollblut-Leichtathlet, der schon als Fünfjähriger Blut leckte, bereits hinter sich.

Lebensgefährtin Lena Schmidt, 2011 U23-EM-Dritte über 400 Meter, ist angehende Grundschullehrerin und befindet sich zurzeit im Praktikum. „Der Wecker klingelt im Moment also schon um 6 Uhr", erklärt Miguel Rigau. „Da bleibt genug Zeit, schon vor der Arbeit ein paar Dinge zu erledigen." Dann geht es in die Geschäftsstelle. Diese liegt in der Leichtathletikhalle der Sporthochschule. Der erste Blickfang im recht übersichtlichen Raum: Trophäen von DMM-Siegen und Pokale wie dem 'Grünen Band', einer Auszeichnung für vorbildliche Jugendförderung.

Hauptamtlich verpflichtet

Miguel Rigau nimmt an einem von drei Schreibtischen Platz. Zeitweise wird der Hauptamtler von zwei Bürokräften unterstützt. „Das ging alles total schnell. Ich wurde am 25. Juni letzten Jahres gefragt, ob ich mir das vorstellen könne und habe vorher auch nichts mitbekommen. Am gleichen Tag habe ich noch ein, zwei Gespräche geführt. Zum 1. Juli habe ich dann schon die Stelle übernommen.“

Tobias Kofferschläger ruft an. Der Frauen-Bundestrainer für die 400 Meter betreut Lena Schmidt auch als Heimtrainer und gibt Bescheid, dass sie beim Meeting im französischen Forbach (25. Mai) starten kann – ebenso wie Miguel Rigau. Einst waren Kofferschläger und Rigau selbst ein Athleten-Trainer-Gespann. „Nach außen sieht es so aus, als hätten wir es ein Jahr versucht und hätten nicht zueinander gefunden. So war es definitiv nicht.“ Vielmehr ging es um zeitliche Flexibilität im Berufsalltag.

EM bleibt Ziel

Sein freiwilliger Rücktritt aus dem Staffelpool des DLV – keineswegs ein Rückzug insgesamt. „Die EM ist nach wie vor ein Thema. Ich weiß, was ich trainieren muss. Schauen wir mal wie weit es geht." Seitdem er auf sich selbst gestellt ist, lief es bisher jedenfalls bestens. Silber in der Halle, Bronze bei der Freiluft-DM und 46,39 Sekunden. Seine Bestzeit steht seit 2011 bei 46,35 Sekunden, also nur gering schneller.

Diese Leistungen und nicht zuletzt der Start im WM-Finale von 2011 mit der deutschen Staffel haben den 28-Jährigen zu einem der Aushängeschilder des Vereins gemacht, für den er seit 2008 startet. An seinem Arbeitsplatz hängen Wandkalender, auf denen zwei weitere Hochkaräter der Kölner Leichtathletik glänzen. Leena Günther, die es aus der Jugendabteilung zur Staffel-Europameisterin und ins Olympiafinale gebracht hat und Sprinter Robert Polkowski. „Leute wie er sind Gold wert", gerät Miguel Rigau ins Schwärmen.

Talentsuche vorrangig

Talente wie ihn aufspüren und ausbilden – ein Ziel des Vereins. Zahlreiche Maßnahmen laufen darauf hinaus, wie beispielsweise Feriencamps für 8- bis 13-Jährige. Mehrmals rufen während unseres Besuches Eltern an, die ihre Kinder dazu anmelden wollen. Marketing anderer Art: Eine Firma hat per Mail angefragt, ob Werbeflyer in den Startunterlagen bei einem der vier großen Laufevents des LT platziert werden können. Rigau greift zum Telefon und bietet dem potenziellen Partner an, auch vor Ort präsent zu werden.

Noch recht frisch hinter ihm liegt die anstrengende Organisation des Frühlingslaufs, bei der er „oft auf dem Zahnfleisch ging“. Der Lohn: ein neuer Teilnehmerrekord. „So bewegen wir im Jahr etwa 10.000 Menschen. Unser Newsletter für alle an uns interessierten Läuferinnen und Läufer erreicht sogar über 20.000 Sportler.“ Für Sponsoren durchaus interessant und verlockend. Und für den studierten Sportwissenschaftler Motivation, auch außerhalb des Büros Flagge zu zeigen – als Athlet, aber nun eben auch als Repräsentant seines Vereins.

Erfahrungen weitergeben

11:15 Uhr: Der Manager mutiert zum Mentor. Stefan Schmeier, Mitglied des 400-Meter-Quartetts, das im letzten Jahr bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm Bronze holte, ist bereits aufgewärmt. In der Muckibude, gefüllt mit dutzenden Freihanteln, Bänken, Kästen und einigen dicken Armen von Sportstudenten, geht es um Zubringerwerte. Die saubere Ausführung der Übungen – oberstes Gebot.

Miguel Rigau hockt direkt neben seinem Schützling, beobachtet genau und verbessert akribisch. Rigau und Schmeier unterhalten sich auf Augenhöhe. „Seit Anfang des Jahres habe ich eine Mitverantwortung für unsere 400-Meter-Jungs. Ich möchte meine Erfahrung weitergeben und sehe mich eher als Ratgeber. Ich habe keinen Trainerschein, es ist auch eher eine Athlet-Athlet-Beziehung.“

Konzentration auf Vereinsarbeit

Es ist bald 13 Uhr, doch ein Abstecher in die Mensa der Sporthochschule ist nicht drin. Vor ein paar Monaten hätte Miguel Rigau sich um diese Zeit an einen anderen Schreibtisch gesetzt. Bis zum 15. Januar hatte er neben seinem Posten im Verein eine Halbtagsstelle bei den Kölner Sportstätten. Dort war er unter anderem in die Organisation des RheinSpringens eingebunden, ein Top-Event, bei dem sich Weltklasse-Athleten im Weit- und Stabhochsprung vor beeindruckender Kulisse messen.

Diese Tätigkeit gab er auf, als das LT DSHS sein Stundenbudget aufstockte. Das hält ihm den Rücken frei. Nun ist er voll auf die Aufgaben im Verein konzentriert. Aufträge und Rechnungen drucken, Stundenprotokolle der Trainer ausfüllen, Formulare abheften und zwischendurch immer mal wieder in die mitgebrachten Brote beißen – obligatorische Programmpunkte, die es zu erledigen gilt.

Viele Gespräche

An die Tür klopft ein Athlet, der sich nach neuer Vereinskleidung erkundet, am Telefon möchte Pressesprecher Jens Koralewski eine Aktion abstimmen und Athletensprecher Fabian Schneider kommt zur inhaltlichen Absprache für einen gemeinsamen Termin vorbei. Dieses Gespräch endet mit dem nächsten Klingeln am Telefon, diesmal geht es um die Nutzung eines Vereinsbusses.

Stress, doch der Manager bleibt locker: „Bei uns gibt es ein gesundes Grundbrummen. Davon bin ich totaler Fan.“ Kommunikation nach außen – der nächste Punkt auf der Agenda. Raus aus dem Büro und rein ins Auto von Dr. Norbert Stein, Sportdirektor und Gründungsmitglied des LT DSHS. Die beiden fahren zu einem Termin mit einem potenziellen Partner. Der Inhalt: streng geheim, die Dauer: etwa anderthalb Stunden. Auf dem Rückweg wirken beide durchaus zufrieden.

Verein umstrukturiert

„Wir sind finanziell gut aufgestellt, organisiert und wissen, wer wir sind. Das können wir nach außen nun auch wieder zeigen“, kommentiert Miguel Rigau. Zuletzt entschieden sich leistungsstarke Studenten vermehrt für umliegende Großvereine. „Klar, das ist schade“, ebenso wie die Wechsel von eingefleischten Kölnern. Aber: „Wir haben unsere Kompetenzgebiete, und da wollen wir deutlich machen, wer wir sind und was wir können.“ Eines dieser Kompetenzgebiete ist sicher seine eigene Disziplin. Damit das so bleibt, kommt nun der dritte Miguel Rigau zum Einsatz – der Athlet.

In der Halle wartet eine bunte Gruppe aus 400-Meter-Spezialisten, Hürdenläufern und Mittelstrecklern. „Ein Vorbild, einen Leader, Captain“, charakterisiert Hürdensprinter Fabian Schneider den Vorläufer. „Miguel ist total auf dem Boden geblieben. Er ist sich für nichts zu schade.“ Miguel Rigau lebt den Teamgedanken, den sich der Verein ganz groß auf die Fahne geschrieben hat.

20:45 Uhr  - Ende der Trainingseinheit. „Normalerweise müsste ich jetzt zur Vorstandssitzung. Die haben wir aber auf morgen verschoben.“ Der Modelathlet freut sich auf den Feierabend. Ein Zwölf-Stunden-Tag, der schon bald aufs Neue beginnt. Mit dem Weckerklingeln früh um Sechs.

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