| Reportage

Ein Tag mit... Nadine Gonska

Bundeswehr, Studium, Halbtagsjob oder Profi-Sport – das Leben der Athleten des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) ist unterschiedlich. leichtathletik.de darf einen Blick in ihren Alltag werfen und einen Tag hautnah dabei sein. Zuletzt begleitet haben wir 400-Meter-Läuferin Nadine Gonska (MTG Mannheim), die den Spagat zwischen Referendariat und Spitzensport meistert.
Thorsten Eisenhofer

An dem Montag im Juni, an dem leichtathletik.de Nadine Gonska begleitet, klingelt es um genau sechs Uhr morgens an der Tür ihrer Wohnung in Mannheim: Dopingkontrolle. Gonskas Wecker hat – wie jeden Montag – bereits um 5:50 Uhr geläutet, kurz darauf ist sie aus dem Bett geklettert. Sie ist also bereits wach, als es an der Tür klingelt. Ein bisschen stressig wird es an diesem Morgen trotzdem. Schließlich muss die Referendarin los zur Schule. Also sitzt die Kontrolleurin daneben, wenn sich Gonska das Schulbrot schmiert. Um kurz nach sieben ist die Dopingkontrolle schließlich erledigt. Nadine Gonska verlässt die Wohnung und fährt die rund 20 Minuten mit dem Auto nach Ladenburg an die Dalberg-Grundschule.

Um 7:55 Uhr beginnt dort die erste Schulstunde. Die Leichtathletin ist eigentlich immer schon mindestens eine halbe Stunde früher an ihrer Arbeitsstätte. Schließlich gilt es noch, Dinge vorzubereiten: Arbeitsblätter zu kopieren oder Tafelanschriebe zu machen. Ihr Trainer Rüdiger Harksen, der sie seit einigen Jahren kennt, wird später sagen: „Alles was Nadine macht, macht sie sehr genau und sehr gut.“

Glückwünsche für die Hallen-WM von ihren Grundschul-Kids

Montags hat Nadine Gonska in der ersten Stunde die Klasse 2b in Mathematik. Sie beginnt den Unterricht – wie häufig in Mathe – mit Kopfrechenaufgaben. Die Schüler haben vor Kurzem das Einmaleins bis 100 gelernt. Anschließend geht es mit dem schrittweisen Addieren weiter. Das hat die Referendarin in der Vorwoche in der Klasse eingeführt – nun will sie anhand von Pfeilbildern schauen, ob die Zweitklässler dies bereits verstanden haben. Die Arbeitsblätter sammelt sie anschließend ein und nimmt sie mit nach Hause.

Die Fachlehrerin für Mathe und Sachkunde unterrichtet als Referendarin 13 Wochenstunden in den Klassen 2b und 3b. Sie hat das eigentlich eineinhalb Jahre dauernde Referendariat um ein halbes Jahr verlängert, sodass die Abschlussprüfungen in den Herbst, die wettkampffreie Zeit, fallen. Zudem wird sie für Trainingslager freigestellt. Das alles ermöglicht ihr den nicht gerade einfachen Spagat zwischen Ausbildung und Spitzensport. „Ohne die Kooperation zwischen dem Seminar in Mannheim, dem Olympiastützpunkt Rhein-Neckar und der Schule wäre das alles nicht machbar“, sagt Gonska.

Ihr war wichtig, nach dem Ende des Studiums an der PH Heidelberg keinen Leerlauf zu haben, sondern sofort mit dem Referendariat zu beginnen. Lehrerin wollte Nadine Gonska schon immer werden. „Es ist schön zu sehen, wenn man Kindern etwas beibringen kann“, sagt die 28-Jährige. Die Schüler sehen sie dabei als Lehrerin, nicht als Spitzensportlerin, sagt sie: „Natürlich kriegen sie mit, wenn ich mal nicht da bin, weil ein großer Wettkampf wie die Hallen-WM ansteht. Dann fragen sie danach. Aber Kinder blenden das schnell wieder aus.“ Vor der Hallen-WM im März bekam sie von der Klasse 2b eine Mappe mit guten Wünschen. Das hat sie sehr gerührt.

„Das Zeitmanagement ist ganz wichtig"

Nach der Mathe-Stunde in der 2b folgt montags eigentlich Mathe in der 3b. Aber in dieser Woche sind Experimentiertage an der Dalberg-Grundschule. Das Thema: Wetter. Die Mathestunde fällt aus, dafür haben die Drittklässler nicht nur in der dritten, sondern auch schon in der zweiten Stunde Sachunterricht. Es geht um Wind und Temperatur. Erst einmal in der Theorie. Später werden die Kinder dann ein Windmessgerät basteln. Am Ende der zweiten Stunde kann ein Kind erklären, wie der Wind entsteht. „Das sind so Momente in denen man sieht, der Schüler hat etwas gelernt“, sagt die Sprinterin. Sie fährt zufrieden nach Hause.

Montags hat sie gegen halb elf Unterrichtsschluss. Donnerstags hat sie morgens nur zwei Stunden, freitags bis um die Mittagszeit. Der Mittwoch ist ihr langer Tag an der Schule, da kann es schon mal 15:00 Uhr werden, bis sie sich auf den Heimweg macht. Dienstags hat sie frei. Zumindest schulfrei. Der Dienstag ist ihr „Schreibtischtag“, der Tag, an dem sie viel für die kommenden Unterrichtstage vorbereitet. Das macht sie vor allem am Wochenende und eben am Dienstag.

An den anderen Tagen bleibt aufgrund des Trainings oft weniger Zeit dafür. Am Wochenende erstellt sie meistens einen Grobplan und eine To-Do-Liste für die kommende Woche – viel davon arbeitet sie am Dienstag ab. „Das Zeitmanagement ist ganz wichtig, ansonsten artet das schnell in Stress aus“, sagt Nadine Gonska. Diese Arbeitsweise hat sie sich auch erst aneignen müssen: „Man braucht Disziplin und den Willen, etwas durchzustehen.“ Sie hat beides, das wird an diesem Tag klar.

Abwechselndes Kochen mit Freund Patrick Domogala

An diesem Montag ist sie gegen 11:20 Uhr zu Hause, ruht sich erst einmal kurz aus – wie eigentlich jeden Tag nach der Schule. Anschließend folgt das Mittagsessen. Beim Kochen wechselt sie sich in der Regel mit ihrem Freund Patrick Domogala – das Sprinter-Paar wohnt zusammen – ab. An diesem Tag kocht jedoch keiner von beiden. Nadine Gonska war das wettkampffreie Wochenende zuvor bei ihren Eltern in Langenlonsheim (bei Bad Kreuznach). Sie hat Spargel in Blätterteig mitgebracht. Ansonsten ist eigentlich immer derjenige mit Kochen daran, der an dem Tag gerade mehr Zeit hat.

Bis auf Freitag („Da läute ich nach Schulschluss das Wochenende ein“) sitzt Nadine Gonska eigentlich jeden Tag nachmittags für ein, zwei Stunden am Schreibtisch, um Schulisches vor- und/oder nachzubereiten. So auch an diesem Montag. Es gilt ja unter anderem die Mathe-Arbeitsblätter der Klasse 2b anzuschauen. „Der Lehrerberuf ist halt nicht so, dass man nach Hause kommt und Feierabend hat“, sagt die Mannheimerin und lacht. Sie ist jedenfalls glücklich und zufrieden mit der Entscheidung, das Referendariat mit ihrer sportlichen Karriere zu verbinden: „Ich habe das bislang in keiner Sekunde bereut.“

Nachdem die Arbeitsblätter angeschaut sind, geht es gegen 15:00 Uhr ins Training. Wenn es die Trainingszeiten ermöglichen, fahren Gonska und Domogala, der nach einigen verletzungsgeprägten Jahren wieder auf dem Weg zurück zu alter Stärke ist, gemeinsam ins Training. Doch heute beginnt Gonskas Übungseinheit auf der rund zehn Autominuten von der Wohnung entfernten Leichtathletik-Anlage der MTG Mannheim zwei Stunden früher.

Spaß und Konzentration im Mannheimer Trainings-Quartett

Ihre Trainingskolleginnen Hannah Mergenthaler und Ricarda Lobe sind bereits da, Lisa Mayers Einheit begann aufgrund eines folgenden Termins beim Physiotherapeuten bereits etwas früher. Wann immer es möglich ist, trainiert das Quartett zusammen. Vor dem Aufwärmen wird aber erst einmal gequatscht. Es geht vor allem um die Rennen des vergangenen Wochenendes und des kommenden Wochenendes. Die Mädels haben sich einiges zu erzählen – und viel zu lachen.

Das Aufwärmen absolvieren die Mannheimerinnen zusammen. Dann geht es für Lobe an die Hürden. Für Gonska und Disziplinkollegin Mergenthaler stehen 200-Meter-Läufe auf dem Programm. Anstatt der lockeren, gelösten Stimmung vom Trainingsbeginn herrscht nun Ernsthaftigkeit und Ruhe. Zwischen den Läufen wird kaum gesprochen. Es ist fast nur die Stimme von Trainer Rüdiger Harksen zu hören, der den einen oder anderen lockeren Spruch ablässt. Für Erheiterung sorgt, als der 63-Jährige mit den Tücken seines Handys kämpft.

Der letzte Lauf ist immer der Schnellste

Schon nach dem zweiten von drei 200-Meter-Läufen liegt Gonska minutenlang auf ihrem Handtuch. Die Woche zuvor war sie leicht erkältet, zudem war die Einheit zwei Tage zuvor sehr hart. Doch wer nach Berlin möchte, muss eben viel investieren. Über 200 Meter hat sie die Norm für die Heim-EM (7. bis 12. August) bereits abgehakt. Über 400 Meter, ihre neue Paradestrecke, fehlen ihr zu diesem Zeitpunkt noch drei Zehntelsekunden. Auf die 200-Meter-Läufe folgen 60-Meter-Läufe. Der letzte Lauf ist der Schnellste. Harksen schüttelt den Kopf: „Nadine kann noch so kaputt sein, trotzdem ist der letzte Lauf immer der Schnellste.“ Gonska scheint selbst für den Übungsleiter mit jahrzehntelanger Erfahrung manchmal ein Phänomen zu sein.

Nach dem Training geht es zurück nach Hause. In der Regel kommt Nadine Gonska zwischen 17 und 19 Uhr wieder in ihrer Wohnung an. Und dann ist – was Arbeiten und Training angeht – auch Feierabend. Das Programm besteht nach dem Abendessen in der Regel aus spazieren gehen, lesen oder Serien schauen. Je nach Lust und Laune. Manchmal gehen Gonska und Domogala abends auch essen. Eines ist ihr dabei – egal auf was die Wahl fällt – von großer Bedeutung: die Zeit sollte entspannend sein. Da ist es von Vorteil, wenn der Freund ebenfalls Spitzensportler ist. „Die Ruhe abends ist mir wichtig, ich brauche meinen Feierabend“, sagt Nadine Gonska. Durchaus verständlich bei solchen Tagesabläufen wie an jenem Montag im Juni.

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