| Diamond League

Einmal New York und zurück mit… Thomas Röhler

Halbzeit in der Diamond League. Speerwerfer Thomas Röhler hatte alle Stationen seiner Disziplin mitgenommen. Wie eine Reihe Athleten reist er mit dem Wettkampfzirkus durch die Welt. Wie wird ein Athlet mit Zeitverschiebung und Reisestress fertig? Was passiert hinter den Kulissen? Am Beispiel seiner Reise zum Diamond League Meeting nach New York gibt der Athlet des LC Jena einen Einblick.
Jan-Henner Reitze

Do, 11. Juni; 04:00 Uhr MEZ
Planungssicherheit für den Titelverteidiger

Der Wecker geht zeitig an diesem Morgen bei Thomas Röhler. Kein Wunder: Eine Reise über den Atlantik steht bevor - zum Diamond League-Meeting nach New York. Die derzeit wichtigste Meetingserie ist in diesem Sommer Kern der Wettkampfsaison des Speerwerfers - Training und weitere Starts sind um diese Termine herum gelegt. Ermöglicht hat diesen Plan der Gesamtsieg im Diamond Race im vergangenen Jahr, denn als Titelverteidiger hat der Athlet des LC Jena einen Startplatz bei den diesjährigen Stationen sicher - im vergangenen Jahr war das noch anders. "Da habe ich zum Beispiel in Paris erst zwei Tage vor dem Meeting die Info bekommen, dass ich einen Startplatz habe", erinnert sich der EM-Finalist. Die langfristige Reiseplanung erleichtert ihm jetzt auch, seiner Meldepflicht über seinen Aufenthaltsort in der Datenbank der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) nachzukommen.

Do, 11. Juni; 08:15 Uhr MEZ
Zwei Emails und dann steht der Reiseplan

Die erste Etappe ist geschafft. Von Jena ging es zum Flughafen Leipzig, wo die Lufthansa-Maschine Richtung Frankfurt startet. Den Reiseplan hat Managerin Stina Funke organisert. Sie regelt mit dem Veranstalter alle Fragen rund um Flug, Hotel, Transfer und Ankunftszeiten. "Ich spreche mit ihr ab, ob ich einen oder zwei Tage vor dem Meeting anreisen möchte", erzählt der Athlet. "Es gehen dann zwei Mails hin und her, damit ist dann alles geklärt." Das Reisen ist schon zur Routine geworden für den gerade einmal 23-Jährigen, der vor zwei Jahren erstmals in der Diamond League startete.

Do, 11. Juni; 11:20 Uhr MEZ
Speere werden geteilt

Das Umsteigen in Frankfurt klappt reibungslos. Auch mit dem Gepäck ist alles klar gegangen. Das war in den vergangenen Wochen nicht immer so. "Meine Speere sind immer noch irgendwo in Rom oder fliegen in der Weltgeschichte umher", erzählt Thomas Röhler, der vom Verbleib seiner Arbeitsgeräte seit der Rückkehr vom Diamond League-Meeting in der italienischen Hauptstadt Anfang Juni nichts mehr gehört hat. In Richtung New York ist er ohne eigene Speere unterwegs.

"Ich habe eine Absprache mit Tero Pitkämäki und Antti Ruuskanen, sie starten auch von kleinen Heimflughäfen und haben deshalb nicht immer die Möglichkeit, Speere mitzunehmen", erzählt der Deutsche Meister vom familiären Umgang der Disziplinkollegen. Er bevorzugt die gleichen Modelle wie die beiden Finnen, die allerdings auf die Reise nach New York verzichtet haben. Deren Landsmann Ari Mannio sorgt allerdings für Abhilfe. "Irgendwer hat immer den passenden Nordic-Speer dabei", so Thomas Röhler. "Auf der anderen Seite muss man die Bedeutung des Speers relativieren. Es hängt nicht vom Speer ab, ob er weit fliegt." Entscheidend ist dafür immer noch, wer ihn abwirft und ob die Technik stimmt.  

Do; 11. Juni; 13:55 Uhr EST
Begegnung in Ankunftshalle erleichtert Transfer

Gut acht Stunden Flugzeit und eine Zeitverschiebung von sechs Stunden später landet die Maschine auf dem Flughafen Newark in New Jersey. Austeigen, aufs Gepäck warten, Passkontrolle. Das alles braucht seine Zeit, dann steht Thomas Röhler in der Ankunftshalle. Von hier aus soll er sich eigentlich auf eigene Faust nach New York zum Meeting Hotel durchschlagen. Einen Transfer stellt der Veranstalter für ihn nicht bereit - nur für die mit sperrigem Gepäck reisenden Stabhochspringerinnen. Doch der 23-Jährige hat Glück. Im Gewusel der Menschenmassen trifft er auf ein bekanntes Gesicht: Keine Geringere als die Stabhochsprung-Weltmeisterin von 2011 Fabiana Murer (Brasilien), die aus Kopenhagen (Dänemark) angekommen ist. Und natürlich darf Thomas Röhler mit in den Shuttle, diese Mitfahrgelegenheit nutzt auch die schwedische Weitspringerin Erica Jarder. Man kennt sich.

"Dann haben wir den Verkehr in der Metropole kennengelernt", erzählt Thomas Röhler, der noch nie zuvor in New York war. Schließlich geht es über den Hudson River mitten hinein ins Herz Manhattans mit seinen tiefen Straßenschluchten überragt von Hochhäusern. Das ist beeindruckend.

Do, 11. Juni; 19:30 Uhr EST

Einzelzimmer gibt es nur für Weltmeister

Auch die Adresse, in der Thomas Röhler die kommenden drei Nächte residieren darf und gerade eincheckt, kann sich sehen lassen: 42East 4th Street. Dort liegt das Meetinghotel Grand Hyatt. 500 Meter Luftlinie nach Osten befindet sich das Hauptquartier der Vereinten Nationen, etwa genauso weit in die andere Richtung der berühmte New Yorker Time Square.

Sein Zimmer teilt sich der Dritte der U23-EM mit Langstrecker Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg). Ein Doppelzimmer ist in der Diamond League Standard. Für das Upgrade und den Luxus eines Einzelzimmers trägt Thomas Röhler als Gesamtsieger im Diamond Race den falschen Titel. "Die Weltmeister bekommen ein Einzelzimmer", berichtet er. Sein deutscher Zimmerkollege ist noch nicht eingetroffen. Dafür trifft der DLV-Athlet in der Lobby auf Speerwurf-Weltmeister Vitezslav Vesely (Tschechische Republik), mit dem er sich zum Abendessen verabredet. Erstmal geht es kurz rauf aufs Zimmer.

Do, 11. Juni; 20:30 Uhr EST
Essen diesmal individuell

Anders als von den meisten Meetings gewohnt, gibt es diesmal keine Athleten-Lobby, in der gegessen, sich getroffen und ausgetauscht wird. Die Teilnehmer haben Essens-Gutscheine bekommen. Deshalb ist der Charakter des "Familientreffens der Athleten", wie es Thomas Röhler schon kennengelernt hat, in New York nicht so ausgeprägt. Da ist eine Verabredung zum Essen etwas wert.

Vitezslav Vesely ist einer der Athleten, auf die Thomas Röhler im internationalen Wettkampf-Zirkus immer wieder trifft und zu dem ein freundschaftliches Verhältnis gewachsen ist. So ist die Themenpalette beim gemeinsamen Abendessen breit. "Klar reden wir erst mal über unsere Ankunft und den Ablauf der nächsten Tage. Dann geht es aber auch gerne mal ins Private", erzählt Thomas Röhler.

Fr, 12. Juni; 05:30 Uhr EST
Gar nicht erst auf Reisestress einlassen


Mit den ersten Sonnenstrahlen wird der Thüringer am Tag vor dem Wettkampf wach - ganz von allein. Auf den Körper hören, statt eine ausgeklügelte Strategie auszuarbeiten - das ist seine Art mit Reisestress und Jetlag umzugehen, auch später nach der Rückkehr in die Heimat. "Wenn ich mich müde fühle, gehe ich schlafen. Es bringt nichts, sich da etwas aufzuzwingen. Der Jetlag wird erst zum Problem, je mehr man darüber nachdenkt", beschreibt Thomas Röhler seine Herangehensweise, um trotz Fernreisen seine Leistungsfähigkeit abrufen zu können.

Fr, 12. Juni; 09:00 Uhr EST
Gemütlicher Ausflug mit Super-Rundblick


Heute gilt es, Kräfte zu sammeln ohne dabei in Langeweile zu verfallen. "Man will Energie sparen, aber auch etwas sehen. In diesem Zwiespalt lebt man", sagt Thomas Röhler. Die Gefahr von Langeweile besteht in einer Stadt wie New York natürlich nicht - und es hält niemanden im Hotelzimmer. Gut, dass es im Schlenderschritt gerade einmal eine Viertelstunde bis zu einem der vielen Wahrzeichen der Stadt dauert: dem Empire State Building. Genau das richtige Ziel, um sich einen Überblick über die Metropole zu verschaffen und dank Fahrstuhl ist das auch keine große Anstrengung. Die neuen Türme des World Trade Center, der Central Park, die Brooklyn Bridge. Das alles von oben zu sehen, ist atemberaubend. Der beliebte Ausblick ein schöner Nebeneffekt der "Dienstreise".

Fr,12. Juni; 14:00 Uhr EST
Wettkampf ist auch Training


Der Trainingsplan ist ausgedünnt in der laufenden ersten Wettkampfphase des Sommers, die mit dem Diamond League-Meeting in Doha (Katar) am 15. Mai begonnen hatte und dann ab Ende Mai in knapp drei Wochen sechs weitere Starts beinhaltete. "Die Absprache mit meinem Trainer ist, dass ich nach meinem Gefühl die Einheiten setze, wenn ich allein unterwegs bin", erklärt Thomas Röhler, der damit in jungen Jahren schon Reife beweisen muss. Die Kraftwerte wurden schon in der Vorbereitung erarbeitet, in der Wettkampfphase geht es eher darum, die Schnelligkeit, etwa durch Sprünge, aufzubauen und zu erhalten. An diesem Nachmittag in New York bereitet er sich mit Dehnen auf seinen Wettkampf am nächsten Tag vor - das geht auch im Hotelzimmer.

Der Wettkampf mit seinen sechs Würfen mit voller Kraft plus Einwerfen hat natürlich auch einen Trainingseffekt Richtung Saisonhöhepunkt WM in Peking (China; 22. bis 30. August). "Hinzu kommt die psychische Anspannung, die ich auf dem Trainingsplatz nicht simulieren kann", ergänzt der Student.

Sa, 13. Juni; 07:00 Uhr EST
Frühe "Campingrunde" unter Kollegen


Zu so früher Stunde ging es bei noch keinem Meeting mit dem Shuttle in Richtung Stadion für den jungen Athleten. Die Startzeit ist mit 9:40 Uhr heute ungewöhnlich früh. "Sonst ist das Speerwerfen der Männer immer eher am Ende des Programms", erzählt Thomas Röhler, der mit seinen Disziplin-Kollegen die erste Möglichkeit gewählt hat, zum Icahn Stadium gebracht zu werden. Die Fahrt auf Randalls Island im East River geht unerwartet flott - zu so früher Stunde an einem Samstag ist noch nicht viel los auf den Straßen.            

Durch die unerwartet gewonnene Zeit kommt es auf dem Aufwärmplatz zu einem ungewöhnlichen Bild der neun Speerwerfer: "Wir haben uns Campingstühle geschnappt, einen Kaffee getrunken und eine Stunde gequatscht", berichtet der DLV-Athlet schmunzelnd. "Sonst war noch niemand da. Es gab auch noch keine Kontrollen an den Eingängen. Es fühlte sich eher an wie eine internationale Trainingseinheit." Ein weiteres Zeichen dafür, wie kollegial es in der Szene zugeht.

Sa, 13. Juni; 09:40 Uhr EST
Platz vier mit 81,40 Metern


Die nötige Spannung für den Wettkampf zu finden, fällt Thomas Röhler trotz des "gemütlichen" ersten Kontakts mit dem Aufwärmplatz nicht schwer. "Sobald jeder in seine Einlaufrunde startet, ist der Kopf sofort im Wettkampfmodus", erzählt er.

Als es ernst wird, fliegt sein Speer auf 81,40 Meter - Platz vier. "Weite und Platz passen nicht so richtig zusammen. Allerdings hatten alle schnellen Werfer Probleme mit dem Belag. Wir sind weggerutscht. Die Mondo-Bahn sah im Bereich des Abwurfes nachher aus wie ein Schlachtfeld", erzählt der WM-Teilnehmer von 2013. Den Sieg holte sich Vitezslav Vesely mit 83,62 Metern, der auch das Diamond Race mit elf Punkten nach vier Stationen klar anführt.

So, 13. Juni; 09.00 Uhr EST
Mit Arne Gabius zur Brooklyn Bridge


Wie auch dank der frühen Startzeit am Wettkampftag, bleibt auch am Tag der Rückreise noch etwas Zeit für Sightseeing. An diesem Vormittag spaziert Thomas Röhler zur Brooklyn Bridge, gemeinsam mit Zimmer-Kollege Arne Gabius, der in einem wegen hoher Temperaturen taktischen 5.000-Meter-Rennen in 13:32,68 Minuten Sechster geworden war.

Dann trennen sich die Wege der Beiden: Für Arne Gabius geht es weiter mit dem Zug nach Boston, wo ein Start über 10 Kilometer ansteht. Thomas Röhler fliegt zurück nach Deutschland.

So, 13. Juni; 14.00 Uhr EST
Bloß nicht den Langstreckenflug verpassen


Den Weg Richtung Flughafen tritt Thomas Röhler lieber etwas früher an. "Es gibt nichts Schlimmeres, als einen Langstreckenflug zu verpassen", meint er und nimmt lieber einen Shuttle früher vom Flughafen. Es heißt Abschied nehmen vom "Big Apple".

So, 14. Juni; 18:05 Uhr EST
Flugzeit ist geschenkte Zeit


Der Rückweg über den großen Teich dauert nicht ganz so lange wie die Gegenrichtung, dennoch sind es wieder fast acht Stunden Flugzeit. Damit hat Thomas Röhler aber kein Problem, der "Flugzeit als geschenkte Zeit" empfindet. Endlich ist mal Zeit für Dinge, die sonst hinten anstehen müssen. "Ich erledige zum Beispiel etwas am Laptop, das sonst liegen bliebt."

Mo, 15. Juni; 07:45 Uhr MEZ
Mit Rückkehr beginnt Trainingsphase


Wieder auf deutschem Boden in Frankfurt steht noch der Anschlussflug nach Leipzig aus. Alles läuft ohne Verzögerungen. Wieder zu Hause angekommen in Jena, steht an diesem Tag sogar noch eine Trainingseinheit auf dem Programm. Ein Vorgeschmack darauf, dass wieder eine andere Phase beginnt. Die großen Wettkampfreisen sind erst einmal vorbei. Es gilt, sich in den nächsten Wochen vorzubereiten auf die Höhepunkte des Jahres: die Deutschen Meisterschaften in Nürnberg (24. bis 26 Juli) und die WM. Seine zusätzliche Erfahrung wird Thomas Röhler auch bei der Reise nach Peking helfen.

Teilen
#TrueAthletes – TrueTalk

Hier finden Sie alle Folgen des Podcasts des Deutschen Leichtathletik-Verbandes!

Zum Podcast
Jetzt Downloaden
DM-Tickets 2024