Einst hielt Yelena Isinbayeva Bubka für eine Frau
So hoch springend wie keine andere, so schön singend wie keine andere, so rhythmisch tanzend wie keine andere, so gut gelaunt wie keine andere – das war die Russin Yelena Isinbayeva am Freitagabend im König-Baudouin-Stadion in Brüssel. Sie veranstaltete ihre eigene Show in der ohnehin schon beeindruckenden Show des 28. Memorial van Damme, des fünften und damit vorletzten Golden League Meetings des Jahres 2004.
Über den neunten Weltrekord ihrer Karriere freute sich Yelena Isinbayeva in Brüssel. (Foto: Klaue)
Sie war der Star der Veranstaltung, was selbst der schwedische Dreisprung-Olympiasieger und Jackpot-Anwärter Christian Olsson neidlos anerkannte: "Sie ist eine bewundernswerte und intelligente Frau. Wenn ich könnte, ich würde es genauso machen wie sie."Gemeint war mit diesem letzten Satz natürlich Isinbayevas neunte Verbesserung des Stabhochsprung-Weltrekords seit 13. Juli 2003. "Ich war müde", begründete sie nach übersprungenen 4,92 Metern vor dem Mikrofon des Stadionsprechers, warum sie sich anschließend nicht auch noch an fünf Metern probierte. Doch der tatsächliche Grund war natürlich ein anderer, wie nicht nur Christian Olsson wusste: "Klar, sie war bestimmt müde und hat es genau deshalb nicht probiert. Natürlich geht es ihr ums Geld. Wäre bei mir ja nicht anders", machte er sich lustig, als er im fast menschenleeren Presseraum wartete, um den Journalisten über seinen Wettkampf berichten zu können.
"Die Frau ist ein Wahnsinn"
Doch die kamen gar nicht. Sie saßen stattdessen auf der Tribüne und verfolgten, was Yelena Isinbayeva gerade draußen im Stadion veranstaltete. Wie sie sich im VW-Beatle-Cabrio über die Laufbahn chauffieren ließ, dabei minutenlang dem Publikum zugewandt tanzte, anschließend zu Helmut Lotti auf die Bühne stieg und mit ihm gemeinsam die russische Nationalhymne schmetterte.
Christian Olsson verfolgte den Auftritt via Fernsehen im Presseraum mit. "Die Frau ist ein Wahnsinn", machte er der 22-jährigen Russin ein weiteres Kompliment, bevor er den immer noch fast menschenleeren Saal verließ, ohne dass ihm eine einzige Frage gestellt worden war. Weder die zwei anwesenden Journalisten noch der Moderator wollten etwas wissen, denn der Star des Abends tanzte gerade draußen im Cabrio.
Drei Mal fünf Meter im Training
Erst als Yelena Isinbayeva angekündigt war, füllte sich die Örtlichkeit wieder mit Leben. Um 22.20 Uhr sollte sie ursprünglich da sein, doch es vergingen 20 Minuten, ehe die Wolgograderin tatsächlich eintraf. Vom Autogrammeschreiben, Singen und Tanzen war sie aufgehalten worden. Nun mussten sich die Journalisten entscheiden, denn draußen lief gerade ein für ein Golden League Meeting beeindruckendes Feuerwerk ab. Doch drinnen saß ja auch ein echtes Feuerwerk. Die meisten wählten Yelena Isinbayeva. "Meine Wettkämpfe sollen eine Show sein. Ich möchte, dass das Publikum hinterher nach Hause geht und mich nicht vergisst", erklärte die Stabhochspringerin erstmal, warum sie mehr für die Zuschauer tut als nur Stabhoch zu springen.
Klar, das Ziel seien fünf Meter. Drei Mal habe sie diese Höhe schon im Training gepackt. Doch bis es im Wettkampf passiert, werde es wohl noch ein wenig dauern, denn schließlich wolle sie dem Publikum noch oft ihre Show bieten können. Die Journalistenschar schmunzelte, wusste sie doch um die finanziellen Hintergründe dieser Aussage. "Geld ist kein Grund, nicht morgen schon fünf Meter zu springen", warf Manager Pavel Voronov an dieser Stelle schnell ein. "Wenn Yelena fünf Meter springen muss, um einen Wettkampf zu gewinnen, wird sie es sofort tun." Voronov erinnerte an die Veranstaltungen in Donezk im Februar diesen Jahres und die Hallen-WM im März 2004 in Budapest, als ihre Landsfrau Svetlana Feofanova jeweils einen Weltrekord vorlegte und Isinbayeva mit der nächsten Erhöhung um einen Zentimeter konterte.
Die nächste Steigerung vor Augen
Olympiasiegerin Isinbayeva gilt mittlerweile als der weibliche Sergey Bubka. So erfolgreich sein wie er, das schwebt ihr vor. Dabei kannte sie ihn einst gar nicht, als sie mit dem Stabhochsprung begann. Als ihr Trainer damals sagte, er möchte, dass sie springt wie Bubka, antwortete Isinbayeva: "Bubka – wer ist sie?" Mittlerweile weiß Isinbayeva, dass Bubka den Weltrekord in 16 Schritten auf 6,14 Meter steigerte und plant selbst den zehnten Schritt: "Ein Sieg beim World Athletics Final in Monaco (18./19. September – d. Red.) mit neuem Weltrekord; das wäre doch ein schöner Abschluss der Saison."