| Interview der Woche

Elena Burkard: „Ich habe noch einiges an Potenzial“

Nach fünf Jahren in den USA ist Elena Burkard 2018 durchgestartet wie keine andere deutsche Läuferin. Zwei sechste EM-Plätze über 3.000 Meter Hindernis und im Crosslauf waren der Höhepunkt. Beim 29. Silvesterlauf in Trier trug sie sich als zwölfte Deutsche in die Siegerinnenliste ein. Im Interview spricht die 26-Jährige über ihren Erfolg beim bedeutendsten deutschen Jahresabschlusslauf, weshalb sie Crosslauf und ihr Chemiestudium so mag und die Zeit in den USA nicht missen will.
Holger Teusch

Herzlichen Glückwunsch zum Silvesterlauf-Sieg in Trier! Wie haben Sie abgesehen von Ihrem Erfolg Ihr Debüt beim deutschen Sao Paulo erlebt?

Elena Burkard:

Die Stimmung war super! Da wurde mir nicht zu viel versprochen. Auf so einer Ein-Kilometer-Runde macht es immer Spaß, weil da immer Zuschauer stehen. Ich fand die Strecke sehr angenehm. Ich hatte erst ein bisschen Bedenken, dass es glatt wird auf dem nassen Kopfsteinpflaster und schwierig zu laufen, aber es hat sich wirklich als problemlos herausgestellt.

Welchen Stellenwert hat dieser Silvesterlauf-Sieg für Sie?

Elena Burkard:

Es war ein krönender Abschluss. Ich habe mich besonders gefreut, weil ich das nicht so erwartet hätte. Der Lauf war schon sehr hochkarätig besetzt. Deswegen kann ich jetzt mit neuem Selbstbewusstsein in den neuen Trainingsblock starten.

Wieso nicht so erwartet? Sie waren doch bei der Cross-EM drei Wochen zuvor in guter Form.

Elena Burkard:

Ich war eigentlich schon bei der Cross-EM ein bisschen angeschlagen. Danach bin ich wirklich krank geworden. Eigentlich wollte ich noch einmal einen guten Trainingsblock vorm Silvesterlauf einbauen. Der musste dann leider komplett gestrichen werden. Aber zum Silvesterlauf habe ich mich aber fit gefühlt und habe zumindest mit frischen Beinen am Start gestanden.

Wann kam während des Silvesterlaufs der Punkt, an dem Sie gemerkt haben, es läuft richtig gut, ich kann heute auch gewinnen?

Elena Burkard:

Das war so nach drei, dreieinhalb Runden, als die Afrikanerinnen deutlich abgefallen waren und ich gemerkt habe, nur noch Anna (Anm. d. Red.: Anna Gehring) ist an mir dran. Ich wusste aber, Anna ist topfit. Deshalb war ich mir des Sieges erst sicher, als ich durch Zielband gelaufen bin.

Im Hindernislauf-Finale der EM in Berlin waren Sie Sechste. Gesa Krause hat gewonnen. Beim Heim-Silvesterlauf der Europameisterin lagen Sie eine Dreiviertel Minute vor Gesa Krause. Wie bewerten Sie das?

Elena Burkard:

Ein Sieg ist natürlich immer schön. Aber ich denke, zu dem Zeitpunkt im Jahr hat das keine so hohe Aussagekraft, weil wir einen völlig unterschiedlichen Formaufbau haben. Ich mache eine Cross-Saison und laufe Wettkämpfe, während sie sich aufs Training, auf Trainingslager konzentriert. Deswegen würde ich das nicht zu hoch bewerten. Aber es ist für mich schön zu wissen, dass ich zumindest auf den Flachstrecken eine Chance gegen sie haben kann.

Wie geht es konkret weiter? Sie planen keine Hallensaison, sondern Crosslauf?

Elena Burkard:

Genau! Mein nächster Wettkampf ist am 12. Januar im Europateam beim Great Stirling Xcountry in Schottland. Ende Januar werde ich für zwei Wochen ins Ski-Trainingslager gehen und da herum noch einmal einen größeren Trainingsblock einbauen, um mich auf die deutschen Crosslauf-Meisterschaften vorzubereiten.

Was macht den Reiz des Crosslaufs für Sie aus? In der Halle wäre es wärmer und angenehmer.

Elena Burkard:

(Lacht) Ich persönlich liebe Crosslauf, weil es super abwechslungsreich und es härtet ab. Man rennt nicht gegen die Uhr, sondern gegen Konkurrenten. Wir nehmen Crosslauf im Winter gerne, um die Grundlagenausdauer aufzubauen. Wenn man richtige Hallenrennen machen will, muss man schon sehr wettkampfspezifisch trainieren und viele schnelle Einheiten machen. Da ist uns das Verletzungsrisiko einfach zu hoch.

Abwechslung gibt es auch beim Hindernislauf. Weshalb kamen Sie erst so spät dazu?

Elena Burkard:

Ich wollte eigentlich schon immer gerne Hindernis laufen. Aber wenn man sich meine Technik anguckt, ich bin nicht gerade so koordiniert. Am Anfang meiner Laufkarriere haben meine Trainer gesagt, lieber noch nicht Hindernis. Lieber erst einmal über die Flachstrecken eine stabile Form bekommen. Und dann war ich leider auch oft verletzt, so dass es kein Thema war, Hindernislauf auszuprobieren.

Apropos Verletzungen, seit knapp zwei Jahren sind Sie verletzungsfrei. Worauf führen Sie das zurück?

Elena Burkard:

Groß geändert habe ich noch nicht einmal was. Ich versuche, ein bisschen geduldiger zu sein und auch einmal eine Einheit alternativ zu trainieren. Auch wenn ich nicht wirklich Lust drauf habe. Ich denke, im Endeffekt ist es die Erfahrung, die ich inzwischen mitbringe und es spielt wohl auch ein bisschen das Glück eine Rolle.

Wie überrascht waren Sie, dass Sie so durchgestartet sind als Steeple-Debütantin?

Elena Burkard:

Bis zu meinem ersten Lauf über 2.000 Meter Hindernis letztes Jahr im Mai habe ich immer gesagt, das mit den Hindernissen, das hängen wir mal nicht so hoch. Das ist sozusagen nur ein lustiger Versuch. Als es dann in Pliezhausen so gut gelaufen ist, war es natürlich schön zu realisieren, das könnte etwas werden mit der EM-Norm. Und es hat mir direkt super Spaß gemacht.

Und die Hindernisse sind jetzt die Hauptdisziplin? Oder lassen Sie sich das Hintertürchen 1.500 Metern oder 5.000 Metern noch offen?

Elena Burkard:

Ich denke, wenn es um große Meisterschaften geht, werden wir uns auf jeden Fall auf die Hindernisse konzentrieren. Aber die Flachstrecke darf man natürlich auch nicht vernachlässigen. Ich habe noch einiges an Potenzial, was die Hindernistechnik angeht. Aber dadurch, dass meine Technik nie bilderbuchreif sein wird, muss ich gucken, dass ich zwischen den Hindernissen schnell bin.

Tut es Ihnen etwas leid, dass Sie erst relativ spät, mit 16, 17 Jahren ins spezielle Lauftraining eingestiegen sind?

Elena Burkard:

Eigentlich nicht. Das hat sich einfach so ergeben. Dadurch bin ich in Laufjahren vielleicht noch ein bisschen jünger.

Sie haben fünf Jahre in den USA studiert und trainiert. Wie schwer fällt dann die Rückkehr ins deutsche Sportsystem?

Elena Burkard:

Sehr, sehr schwer! Ich jetzt eineinhalb Jahre wieder hier drüben und mein Herz blutet immer noch und ich vermisse es immer noch sehr arg. Es waren fünf geniale Jahre. Länger kann man die Startberechtigung in den USA nicht ausdehnen. Es war eine einmalige Erfahrung, in einem so internationalen Team zu laufen. Am Schluss hatten wir, glaube ich, zehn Nationalitäten im Team. Das ist natürlich auch kulturell toll, wenn man mit Leuten aus so vielen verschiedenen Ländern trainiert und seine Freizeit verbringt.

Sie haben in San Francisco Ihre Bachelor in Chemie gemacht. Den Masterabschluss streben Sie nun in Tübingen an. Wie bekommen Sie ein anspruchsvolles Studium und Leistungssport unter einen Hut?

Elena Burkard:

In den USA war das sicherlich viel einfacher, weil wir als Sportler von akademischer Seite extrem unterstützt wurden. Aber mir macht meine Chemie unheimlich Spaß und ich wollte nie etwas anderes studieren. Ich bin immer noch fasziniert davon. Wenn man ein bisschen plant und sich ein bisschen Zeit lässt, dann geht das schon. Aber ich werden meinen Master nicht in Regelstudienzeit schaffen.

Gesa Krause ist schon wieder in Südafrika im Trainingslager. Würden Sie das reizen, die volle Konzentration auf den Sport?

Elena Burkard:

Oft denke ich mir schon, wenn ich mir das von außen anschaue, das würde mich auch gefallen und ich würde auch gerne diese Möglichkeiten haben zu trainieren. Aber zum einen denke ich, dass mir nach einiger Zeit meine Chemie fehlen würde. Es ist auch für den Kopf gut, abzuschalten, wenn man mal zwei, drei Stunden am Schreibtisch sitzt und überhaupt keine Gedanken ans Laufen in den Kopf kommen. Ich denke, das braucht man auch. Und mit meiner Verletzungsvorgeschichte muss ich einfach noch ein bisschen langsam machen. Nach vier, fünf Wochen Trainingslager käme ich womöglich nur wieder mit einem Ermüdungsbruch zurück und dann ist man auch keinen Schritt weiter.

<link news:66885>Silvesterläufe national: Elena Burkard überwältigt vom Sieg in Trier

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