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EM-Historie (II): Doppel-Europameister Heinz Fütterer der Held von Bern

Die Leichtathletik-EM 2018 vom 6. bis zum 12. August im Berliner Olympiastadion wird das größte Sportereignis auf deutschem Boden im kommenden Jahr. Die Europameisterschaften haben eine große Tradition seit ihrer Premiere 1934 in Turin. In unserer historischen EM-Serie präsentieren wir Geschichten, Stars und Sternchen dieser bedeutenden Titelkämpfe. Heute: Von Bern 1954 bis Budapest 1966.
Ewald Walker

Spricht man von den „Helden von Bern“, denken viele an die Fußball-Weltmeister aus Deutschland. Doch wenige Wochen danach verdiente sich auch ein großer deutscher Leichtathlet dieses Prädikat. Heinz Fütterer (Karlsruher SC), wurde in Bern Doppel-Europameister über 100 und 200 Meter und lief mit 20,9 Sekunden Europarekord. „Aschenbahn, die Linien mit Kalk gezogen und Rennschuhe mit 18-Millimeter-Spikes ausgestattet“, erinnert sich der pfeilschnelle badische Kurvenläufer an die aus heutiger Sicht bescheidenen Voraussetzungen. Und es gab keine Hymnen bei den Siegehrungen.

Die Sensation danach: Fütterer wurde bei der Wahl zum "Sportler des Jahres" 1954 vor Fußballer Fritz Walter und Hans-Günther Winkler auf Platz eins gesetzt. Sein 100-Meter-Weltrekord (10,2 sec) und 200-Meter-Europarekord  (20,9 sec) auf der Japanreise im Herbst 1954 machten ihn zum „weißen Blitz“. Bern brachte Doppel-Gold für das legendäre Ehepaar Emil Zatopek (Tschechoslowakei; 10.000 m) und Dana Zatopek (Speer), die schon 1952 bei den Olympischen Spielen in Helsinki (Finnland) gewonnen hatten.

Hary, Germar, Fütterer: Goldenes Sprint-Zeitalter

Vier Jahre später in Stockholm (Schweden) trumpften Armin Hary (Bayer Leverkusen; 100 m) und Manfred Germar (ASV Köln; 200 m) mit EM-Gold auf, zusammen mit Walter Mahlendorf holte Fütterer seine dritte Goldmedaille. Wohl nie mehr hat es mehrere deutsche Sprinter in der Weltklasse gegeben. Stolze EM-Bilanz: 21 Medaillen, davon sechs goldene. Übrigens: Heinz Fütterer verfolgt mit seinen 86 Jahren noch immer als Zuschauer beim internationalen Karlsruher Hallenmeeting genau das Leichtathletik-Geschehen. Nachdem er schon 1986 die „tolle Stimmung“ bei der EM in Stuttgart erlebt hatte, sagt Fütterer jetzt: „Zur EM nach Berlin will ich wieder hin.“

1962 in Belgrad: die erste EM im Ostblock. Berlin hatte seine Mauer, die deutsche Leichtathletik das letzte gesamtdeutsche Team bis 1990. Tiefe Gräben gab es auch im Sport. Die Ausscheidungen für die gesamtdeutsche Mannschaft fanden in Malmö (Schweden) und Prag (Tschechien) statt. Die lange Blondine Jutta Heine (DHC Hannover), das wohl erste „Glamour-Girl der deutschen Leichtathletik“, stürmte nach 100-Meter-Silber zum 200-Meter-Sieg. Für die Stabhochspringer begann eine neue Ära: sie stiegen vom Metall- auf den Glasfiberstab um. Sieger: Pentti Nikula (Finnland; 4,80 m).

Millimeter-Matu verteidigt EM-Titel über 800 Meter

Budapest (Ungarn) 1966: Erstmals bei einer EM startet eine DDR-Mannschaft. Diskussionen um Becher-Hymne und deutsche Flagge mit Olympische Ringen waren Teil des kalten Kriegs im Sport. Manfred Matuschewski (Turbine Erfurt), wegen seiner Lauf-Siege auf dem letzten Meter auch „Millimeter-Matu“ genannt, verteidigte seinen EM-Titel über 800 Meter.

Weitere Goldmedaillen für die DDR (insgesamt acht) holten unter anderen Jürgen Haase (SC Leipzig; 10.000 m), Wolfgang Nordwig (SC Motor Jena; Stabhochsprung), Christa Spielburg (SC Karl-Marx-Stadt) und Karin Balzer (SC Frankfurt/Oder). Lediglich zwei bundesdeutsche EM-Titel gab es für Bodo Tümmler (SCC Berlin) und Werner von Moltke (Zehnkampf) mit einem Novum bis heute: alle drei Zehnkampf-Medaillen gingen nach Deutschland West – Silber und Bronze für Jörg Mattheis (USC Mainz) und Horst Bayer (VfL Wolfsburg).

Frau oder Mann? Bis heute aktuell

Tiefgehende Neuerung dieser Epoche: die weiblichen Sportler mussten sich einem Geschlechtstest unterziehen. Hermaphroditen oder nicht? Eine Frage, die bis heute beispielsweise bei der Südafrikanerin Caster Semanya aktuell ist. Nach Einführung der Geschlechtstests verschwanden die beiden Olympiasiegerinnen („Press-Brothers“) aus der Szene. Auch bei der polnischen 100-Meter-Europameisterin Ewa Klobukowska kam ein Jahr nach der EM die „Diagnose“ Hermaphrodit und Disqualifikation.  

Austragungsorte der Leichtathletik-Europameisterschaften von 1934 bis 2018

1934  Turin (ITA)1969  Athen (GRE)1998  Budapest (HUN)
1938  Paris (FRA)1971  Helsinki (FIN)2002  München (GER)
1946  Oslo (NOR)1974  Rom (ITA)2006  Göteborg (SWE)
1950  Brüssel (BEL)1978  Prag (CZE)2010  Barcelona (ESP)
1954  Bern (SUI)1982  Athen (GRE)2012  Helsinki (FIN)
1958  Stockholm (SWE)1986  Stuttgart (GER)2014  Zürich (SUI)
1962  Belgrad (SRB)1990  Split (CRO)2016  Amsterdam (NED)
1966  Budapest (HUN)1994  Helsinki (FIN)<link http: www.berlin2018.info>2018 Berlin (GER)
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