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EM-Historie (VI): Erstes gesamtdeutsches Team im Zeichen der Wende

Die Leichtathletik-EM 2018 vom 7. bis zum 12. August im Berliner Olympiastadion wird das größte Sportereignis auf deutschem Boden im kommenden Jahr. Die Europameisterschaften haben eine große Tradition seit ihrer Premiere 1934 in Turin. In unserer historischen EM-Serie präsentieren wir Geschichten, Stars und Sternchen dieser bedeutenden Titelkämpfe. Heute: Von Split 1990 bis Budapest 1998.
Ewald Walker

Es waren turbulente Tage in Split (Kroatien). Bei der Schlussfeier verknoteten deutsche Athleten aus Ost und West die beiden Fahnen ihrer Länder. Es war ein Symbol für eine zu Ende gehende Ära zweier Leichtathletik-Verbände und ein Neustart. Split erlebte den letzten Auftritt einer DDR-Mannschaft. Mit 34 Medaillen (davon 12 goldene) war diese so erfolgreich wie nie zuvor. Dagegen brachte diese EM für den DLV mit ganzen sieben Plaketten das schlechteste Abschneiden der EM-Geschichte.

Weitspringer Dietmar Haaf (Salamander Kornwestheim; 8,25 m) wurde überraschend Europameister. Für Heike Henkel (Bayer Leverkusen) war der EM-Titel mit 1,99 Meter der Beginn einer goldenen Ära: 1990 Europameisterin, 1991 Weltmeisterin und 1992 Olympiasiegerin. Auch für Siebenkämpferin Sabine Braun (TV Wattenscheid 01) begann mit dem EM-Titel von Split ein erfolgreiches Jahrzehnt mit acht internationalen Medaillen.

Katrin Krabbe tanzt nur zwei Sommer lang

Im blauen DDR-Einteiler tanzte eine blonde Frau auf dem Laufsteg Kunststoffbahn. „Covergirl, Model, Grace Kelly der Leichtathletik, Goldmarie, First Lady, die kühle Blonde aus dem Norden“ – Experte Robert Hartmann zählte in seinem EM-Band die Superlative auf. Gemeint war Superstar Kathrin Krabbe. Über 100 Meter (10,89 sec), 200 Meter (21,95 sec) und mit der 4x100 Meter-Staffel stand das „Wunder-Fräulein“ oder Fräulein-Wunder“ ganz oben.

Auch bei der WM in Tokio (Japan) ein Jahr später war Krabbe mit vier Medaillen und zwei WM-Titeln die überragende Athletin. Doch ein Jahr später wurde sie nach einer identischen Urinprobe (mit der dreifachen Europameisterin Grit Breuer) vom DLV gesperrt. Ein Comeback-Versuch von Krabbe scheiterte. Eine von Glamour begleitete Karriere endete dramatisch.

Dreisprung der Frauen rückt ins Programm

Die Europameisterinnen Sigrun Wodars (SC Neubrandenburg; 800 Meter: 1:55,87 min), Astrid Kumbernuss (SC Neubrandenburg; Kugel: 20,38 m), Ilke Wyludda (SC Chemie Halle; Diskus: 68,46 m) und die Europameister Ulf Timmermann (Berliner TSC; Kugel: 21,31 m), Jürgen Schult (SC Traktor Schwerin; Diskus: 64,58 m) und Jens-Peter Herold (ASK Vorwärts Potsdam; 1.500 Meter: 3:38,25 min) verabschiedeten „ihre“ DDR gebührend von der internationalen Bühne. Die Zeichen standen auch im Sport fortan auf „Wende“.

1994 Helsinki (Finnland): 72 Meter hoch ist der Turm, das Wahrzeichen des Olympiastadions und ebenfalls vor dem Stadion erinnert eine Statue an Lauf-Legende Pavo Nurmi. Im Stadion kämpften 48 Nationen um Medaillen und Platzierungen, so viele wie noch nie. Die Veränderungen in Osteuropa hatten Folgen. Es mussten keine „Rekordmeisterschaften“ mehr sein. "Die Chancengleichheit der Athleten sollte im Vordergrund stehen“, wie DLV-Präsident Helmut Digel bilanzierte. Erstmals im Programm: Dreisprung der Frauen.       

Lichtenhagen hält Priwalowa in Schach

Der DLV reihte sich 1994 im Medaillenspiegel auf Rang drei hinter Russland und Großbritannien ein. Die fünf deutschen Europameister: Sabine Braun (TV Wattenscheid 01; Fünfkampf) verteidigte ihren Titel, genauso Ilke Wyludda (LG Erdgas Chemnitz; Diskus: 68,72 m). Dazu kamen Heike Drechsler (TuS Jena; Weitsprung: 7,14 m), Dieter Baumann (Bayer Leverkusen; 5.000 Meter: 13:36,93 min) und die 4x100 Meter-Staffel der Frauen mit Melanie Paschke (Braunschweig), Bettina Zipp (Schriesheim), Silke Knoll (Dortmund) und Silke Lichtenhagen (Leverkusen), die in Weltjahresbestleistung von 42,90 Sekunden siegte.

Dabei hielt Silke Lichtenhagen die Doppel-Europameisterin über 100 und 200 Meter, Irina Priwalowa (Russland), in Schach wie einst Heide Rosendahl in München gegen Renate Stecher. Und noch etwas Historisches: 23 Jahre nach dem Staffel-Gold 1971 von Elfgard Schittenhelm, Inge Helten, Annegret Richter und Ingrid Mickler-Becker mit Europarekord von 43,23 Sekunden glänzte wieder eine deutsche Staffel.

1998: 23 DLV-Medaillen an der Donau

Bei der EM 1998 in Budapest (Ungarn) gehörte erstmals der Stabhochsprung und das Hammerwerfen der Frauen zum Wettkampfprogramm. Zudem wurden die 3.000 Meter durch die 5.000 Meter ersetzt. Das DLV-Team war mit 23 Medaillen überaus erfolgreich. Achtmal wurde die deutsche Hymne gespielt.

Europameisterinnen wurden Grit Breuer (SC Magdeburg; 400 Meter: 49,93 sec), Heike Drechsler (Erfurter LAC; 7,16 m) mit ihrem vierten EM-Titel im Weitsprung, Franka Dietzsch (SC Neubrandenburg; Diskus: 67,49 m) mit ihrem ersten internationalen Titel, Tanja Damaske (OSC Berlin; Speer: 69,10 m) und die 4x400 Meter-Staffel mit Anke Feller, Uta Rohländer, Sylvia Rieger, und Grit Breuer.

Gold bei den Männern holte Nils Schumann (SC Creaton Großengottern; 800 Meter: 1:44,89 min), Lars Riedel (LAC Erdgas Chemnitz; Diskus: 67,07 m) und Damian Kallabis (SC Charlottenburg Berlin; 3.000 Meter Hindernis: 8:13,10 min). Über den überraschenden Sieg von Kallabis fiel wenig später ein Schatten, als Kallabis und sein Trainer Stephane Franke zugaben, das Blutverdünnungsmittel HES gespritzt zu haben, das zwar nicht auf der Dopingliste stand, deren Verbindung zum Blutdopingmittel EPO jedoch bekannt war.

Austragungsorte der Leichtathletik-Europameisterschaften von 1934 bis 2018

1934  Turin (ITA)1969  Athen (GRE)1998  Budapest (HUN)
1938  Paris (FRA)1971  Helsinki (FIN)2002  München (GER)
1946  Oslo (NOR)1974  Rom (ITA)2006  Göteborg (SWE)
1950  Brüssel (BEL)1978  Prag (CZE)2010  Barcelona (ESP)
1954  Bern (SUI)1982  Athen (GRE)2012  Helsinki (FIN)
1958  Stockholm (SWE)1986  Stuttgart (GER)<link>2014  Zürich (SUI)
1962  Belgrad (SRB)1990  Split (CRO)<link>2016  Amsterdam (NED)
1966  Budapest (HUN)1994  Helsinki (FIN)<link>2018 Berlin (GER)
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