EM und Diamond League im deutschen TV
Nachdem es von den Hallen-Weltmeisterschaften in Doha im deutschen TV keine Live-Bilder gab, ist auch die Fernseh-Zukunft der Freiluft-WM 2011 im koreanischen Daegu offen. Aber es gibt gute Nachrichten: Mit der EM bei ARD/ZDF und Eurosport sowie der Diamond League beim DSF, das dann SPORT1 heißen wird, dürfte es im Sommer so viel Leichtathletik im deutschen Fernsehen geben wie schon lange nicht mehr.
Dieses Jahr wird ein Wendepunkt in der Beziehung zwischen der Leichtathletik und dem Fernsehen in Europa. Was viele Fans bei den Hallen-Weltmeisterschaften in Doha enttäuscht erleben mussten, als es wegen einer neuen Verkaufspolitik von Fernsehrechten durch den Welt-Leichtathletik-Verband IAAF keine Live-Bilder in Deutschland gab, belegt der Leichtathletik-Insider Luciano Barra jetzt mit Zahlen.In einem Dossier, das der Fachzeitschrift leichtathletik vorliegt, erklärt der Italiener, warum die IAAF so dringend auf möglichst große Erlöse aus dem Verkauf von Fernsehrechten in Europa angewiesen ist: „Die IAAF erzielt mindestens 60 Prozent ihres gesamten Einkommens daraus – genau wie der Europäische Leichtathletik-Verband EA“, schreibt Luciano Barra, der in den 90er-Jahren als Generalsekretär des italienischen Leichtathletik-Verbandes eng mit dem damaligen IAAF-Präsidenten Primo Nebiolo – ebenfalls Italiener – zusammengearbeitet hat.
Treue Partner
Der Europäische Leichtathletik-Verband hat nach fast 30 Jahren unverändert die Übertragungsrechte an seinen Europameisterschaften der European Broadcasting Union (EBU) verkauft. Zu deren Verbund von großen europäischen Sendern gehören auch ARD und ZDF. Die IAAF dagegen hat nach 25 Jahren ihre Partnerschaft mit der EBU aufgegeben. Obwohl die es garantierte, dass Leichtathletik-Highlights in den meisten europäischen Ländern live übertragen wurden.
Mit Konsequenzen für den deutschen Fernsehmarkt: Derzeit hat noch kein Sender die Übertragungsrechte für die Weltmeisterschaften 2011 im koreanischen Daegu erworben. Es ist nicht absehbar, ob die Weltmeisterschaften im nächsten Jahr in gewohnter Breite und Qualität in ARD und ZDF zu sehen sein werden.
Die IAAF hat die europäischen Fernsehrechte an die schwedische Agentur IEC verkauft, laut Luciano Barra für 80 Millionen US-Dollar. Diese Summe muss die Agentur jetzt refinanzieren, indem sie Rechte an Fernsehstationen in den einzelnen Ländern weiter verkauft.
Verhandlungen laufen
„Wir sind mit IEC in Verhandlungen“, erklärt ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz. Ein großes Hindernis auf dem Weg zu einem erfolgreichen Abschluss scheint derzeit zu sein, dass IEC die Fernsehrechte an den IAAF-Veranstaltungen im Paket für vier Jahre verkaufen will: Wer die Freiluft-Weltmeisterschaften übertragen will, soll die Rechte an Hallen- und Cross-WM mitkaufen.
Für die öffentlich-rechtlichen Sender in Deutschland sind Cross- oder Hallen-Weltmeisterschaften indes nicht interessant, wie Dieter Gruschwitz erklärt: „Wir fokussieren uns auf die Weltmeisterschaften im Freien. Ob wir die Rechte erwerben, ist eine Frage des Preises. Noch klaffen die Vorstellungen von IEC und unsere auseinander.“ Er wirft der IAAF vor, mit ihrer Vermarktungsstrategie bislang nicht ausreichend auf die unterschiedlichen Bedürfnisse auf den verschiedenen europäischen Fernsehmärkten reagiert zu haben.
IAAF muss sparen
Der Weltverband indes ist dringend auf höhere Einnahmen aus den Fernsehgeldern angewiesen, wie Luciano Barra schreibt, der im Europäischen Leichtathletik-Verband jahrelang für die Kooperation mit dem Fernsehen verantwortlich war: „Die IAAF hat ihren Etat im Jahr 2009 bereits um 20 Prozent gekürzt.“ Deshalb liege ihr Fokus bei der Vermarktung der Fernsehrechte eindeutig beim Geldverdienen und nicht bei der bestmöglichen Präsenz der Leichtathletik im europäischen Fernsehen. Diese Linie habe IAAF-Präsident Lamine Diack vorgegeben.
Zur Erinnerung: 1983 hat die IAAF ihren ersten Vertrag mit der EBU abgeschlossen: für zehn Million US-Dollar. Vor zehn Jahren sprudelten die Fernsehgelder dann am üppigsten: 120 Millionen US-Dollar zahlte die EBU damals und übernahm außerdem die Produktionskosten der Übertragungen, die in der Leichtathletik immens sind.
Publikumsinteresse seit 2005 gesunken
Seit 2005 ist allerdings das Publikumsinteresse an der Leichtathletik in Europa gesunken, so dass die EBU ihre Zahlungen reduziert hat. Zuletzt auf 80 Millionen US-Dollar, das neue Angebot lag dann laut Luciano Barra nur noch bei 63 Millionen und wurde von IEC überboten, womit die Partnerschaft zwischen EBU und IAAF beendet war.
Am Rande der Hallen-Weltmeisterschaften in Doha hatte Professor Helmut Digel die deutschen Sender dafür kritisiert, dass sie bislang die Rechte noch nicht erworben haben. Der Ehrenpräsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) ist als Vorsitzender IAAF-Marketing-Kommission mit der Vergabe der TV-Rechte befasst. In Katar sprach er von „einen Gesamtauftrag Sport“, den die öffentlich-rechtlichen Sender wahrnehmen müssen: „Man kann nicht immer mehr Geld für Fußball investieren, aber die olympische Kernsportart links liegen lassen.“
Übertragung von 50 Sportarten bei ARD
Dem widersprechen jetzt die beiden für den Sport Verantwortlichen bei ARD und ZDF deutlich. „Er kann uns nicht vorwerfen, unseren öffentlich-rechtlichen Programmauftrag nicht zu erfüllen – insbesondere nicht in Anbetracht der Tatsache, dass allein die ARD jährlich über mindestens 50 verschiedene Sportarten berichtet und dabei gleichzeitig der sportlichen Wertigkeit und dem Publikumsinteresse Rechnung tragen muss“, erklärt ARD-Sportkoordinator Axel Balkausky.
ZDF-Sportchef Dieter Gruschwitz pflichtet ihm bei: „Es kann keine Rede davon sein, dass wir uns nur auf Fußball konzentrieren, das hat allein unser Wintersport-Programm in den vergangenen Monaten gezeigt. Und die Leichtathletik lassen wir keinesfalls links liegen: Wir übertragen das ISTAF in Berlin, berichten von den Deutschen Meisterschaften und natürlich ausführlich von den Europameisterschaften im nächsten Sommer.“
Weniger Meetings bei Eurosport
Das wird auch Eurosport tun. Der europäische Sender, der sich in Deutschland bislang als der Leichtathletik-Sender schlechthin etabliert hat, und dessen Kommentatoren Dirk Thiele und Siggi Heinrich bei den Fans längst Kult-Status erreicht haben, wird wie gewohnt aus Barcelona berichten.
Die Zeiten, in denen deutsche Leichtathletik-Fans auch bei Weltmeisterschaften zwischen zwei parallelen Übertragungen wählen durften, könnten ab 2011 indes vorbei sein. Mit dem Ende der Partnerschaft zwischen IAAF und EBU ist es schwer vorstellbar, dass die öffentlich-rechtlichen Sender und Eurosport die TV-Rechte an Weltmeisterschaften erwerben werden.
DSF wagt Neustart
Eurosport muss bereits in diesem Sommer sein Leichtathletik-Programm beschränken, weil ein anderer Sender einen Neustart in Sachen Leichtathletik wagt: Das DSF, das dann als SPORT1 firmiert, wird Bilder von allen Meetings der neuen Diamond League zeigen, die am 14. Mai in Doha (Katar) startet und am 27. August mit dem Traditionsmeeting im belgischen Brüssel endet. Die meisten der 14 Meetings werden live übertragen, von den übrigen soll es Zusammenfassungen mit den Höhepunkten geben.
Für Eurosport bleiben außer den Europameisterschaften noch die Meetings im tschechischen Ostrava und im griechischen Athen, die nicht zur Diamond League gehören, und die Marathonläufe in Paris, London und New York. Insgesamt dürfte es so im Sommer 2010 so viel Leichtathletik im deutschen Fernsehen geben wie lange nicht mehr. Dann könnte dieses Jahr wirklich ein Wendepunkt werden – hin zum Besseren.
Quelle: Fachzeitschrift leichtathletik