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Erste Werferin über 60 Meter: „Diskus-Liesel“ wird 70

Mit Liesel Westermann-Krieg vollendet eine der weltbesten Diskuswerferinnen der 1960er und 1970er Jahre am 2. November ihr 70. Lebensjahr. „Diskus-Liesel“, wie sie damals liebevoll genannt wurde, war die erste Frau, die den Diskus über 60 Meter warf. Am 5. November 1967 stellte sie in Sao Paulo (Brasilien) mit 61,26 Metern einen sensationellen Weltrekord auf, den sie 1968 und 1969 noch dreimal bis zuletzt auf 63,96 Meter verbesserte.
Horst Johr

Liesel Westermann wurde am 2. November 1944 in Sulingen geboren. Sie begann ihre sportliche Laufbahn bei TuS Sulingen, wechselte zunächst zu Hannover 96 und später zum TuS 04 Leverkusen. Zwischen 1963 und 1976 trug sie 51-mal das Trikot der deutschen Nationalmannschaft. Zehnmal wurde sie im Diskuswurf Deutsche Meisterin, einmal auch im Kugelstoßen.

Ihre Stärke im Diskusring war ihre außergewöhnlich schnelle Drehung. Wie hoch ihre Grundschnelligkeit war, verdeutlicht auch ein Erfolg im Sprint: 1964 wurde Liesel Westermann mit Renate Meyer, Christa Elsler und Erika Fisch Deutsche Meisterin mit der 4x100 Meter-Staffel.

Immer wieder Zweite

Obwohl Liesel Westermann lange der Weltspitze angehörte, blieb ihr ein Titel bei internationalen Meisterschaften versagt. Weit vorn platziert war sie jedoch mehrmals. So gewann sie bei den Europameisterschaften 1966 in Budapest (Ungarn) und 1971 in Helsinki (Finnland) jeweils die Silbermedaille - in Helsinki hinter der Russin Faina Melnik, die mit 64,22 Metern Weltrekord warf. Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexico City wurde sie hinter Lia Manoliu (Rumänien) ebenfalls Zweite.

Immer wieder musste sie sich mit ihr körperlich überlegenen Athletinnen aus dem Osten Europas auseinandersetzen. Gegenüber diesen Kraftpaketen wirkte sie mit ihrer Größe von 1,72 Meter und einem Gewicht von etwa 75 Kilogramm fast zierlich.

Bei den Olympischen Spiele 1972 in München befand sich Liesel Westermann laut eigenen Aussagen in herausragender Form. „Das Attentat hat mich jedoch sehr beeinflusst, es hat mich sehr viel Nervenkraft gekostet. Dennoch landete der Diskus beim ersten Wurf jenseits der Rekordlinie, leider war er leicht übergetreten“, erzählt sie. Schließlich wurde sie mit 62,18 Metern Fünfte.

Mit hohen Ehrungen bedacht

Der viele Jahre zur Weltspitze zählenden Athletin wurden hohe Ehrungen zuteil. 1969 wurde sie zur „Weltsportlerin des Jahres“ gewählt. Der Bundespräsident verlieh ihr 1968 das „Silberne Lorbeerblatt“. 1967 und 1969 wählten sie die deutschen Sportjournalisten zur „Sportlerin des Jahres“ in der Bundesrepublik.

Für ihre Verdienste um den Sport in Niedersachsen wurde sie in die Ehrengalerie des Niedersächsischen Instituts für Sportgeschichte aufgenommen. Auch der Landessportbund Nord-rheinWestfalen zeichnete sie für ihr gesamtes Lebenswerk besonders aus.

Als Ministerialbeamtin sehr innovativ

Nach dem Studium für das Lehramt und der Erlangung des Sport-Diploms war die vierfache Mutter jahrelang in Nordrhein-Westfalen als Lehrerin tätig. Als Oberstudienrätin wechselte sie 2003 in das Niedersächsische Kultusministerium. Dort war sie bis zum Eintritt in den Ruhestand im Jahre 2009 im Range einer Ministerialrätin als Referentin für Schulsport und Gesundheitserziehung tätig.

„Einen Schwerpunkt meiner Arbeit bildete ein Auftrag aus dem Niedersächsischen Landtag, das Projekt ‚Bewegter Kindergarten‘ zu gestalten“, berichtet sie. „Wir haben hier in Niedersachsen ein Projekt in die Welt gesetzt, das wegweisend war“, fügt sie hinzu. Um die Bewegung der Kindergarten-Kinder zu fördern, wurden die Erzieherinnen und Erzieher entsprechend ausgebildet. Die Zusammenarbeit zwischen Kindergärten und Sportvereinen wurde auf den Weg gebracht, entsprechend zertifizierte Modellkindergärten entstanden.

„Das war aber nicht alles“, blickt Liesel Westermann-Krieg auf ihr Engagement zurück. „Für unsere Mannschaften, die sich für das Bundesfinale von ‚Jugend trainiert für Olympia‘ in Berlin qualifizieren konnte, habe ich eine Partnerschaft mit der Sportstiftung von Volkswagen erreicht. Das machte es zum Beispiel möglich, dass unsere Jugendlichen in einem adretten Trainingsanzug antreten konnten und damit in Berlin eine sehr nette Figur abgaben.“

Begeisterte Golferin

Noch immer ist Liesel Westermann sportlich aktiv. „Ich bin eine begeisterte Golferin geworden“, erzählt sie. „Ich spiele aber auch sehr gerne Karten, ich gehöre verschiedenen Doppelkopfrunden an. Inzwischen habe ich noch mit Bridge angefangen." Gerne besuche sie außerdem Bundesligaspiele von Hannover 96.

Auch ihr soziales Engagement ist ungebrochen. So unterstützt Liesel Westermann den Speerwurf-Olympiasieger von 1972 Klaus Wolfermann, der für die Kinderhilfe Organtransplantation (KiO) über das ganze Bundesgebiet hinweg Benefiz-Golfturniere organisiert. An den Aktionen, die Teil der Initiative „Sportler für Organspende“ sind, beteiligen sich zahlreiche prominente Sportler.

Noch viele Kontakte

Zu Athletinnen aus ihrer aktiven Zeit pflegt Liesel Westermann weiterhin Kontakte. „Wir nennen das Turnschwesterntreffen“, berichtet sie lächelnd. „Das ist eine Gruppe von Leichtathletinnen der alten Nationalmannschaft, die sich jährlich einmal trifft. Etwa zehn bis 13 Frauen sind immer dabei.“

Mit Freude berichtet sie, dass sie es genießt, jedes Jahr bei der Wahl der Sportlerin und des Sportlers des Jahres in Baden-Baden zu Gast zu sein. Was sie auch sehr freut ist, dass in ihrer Heimatstadt Sulingen alle zwei Jahre ein Liesel-Westermann-Werfertag durchgeführt wird. Außerdem ist dort eine Straße nach ihr benannt worden.

Zu ihrem Geburtstag hat Liesel Westermann "Menschen, die mich auf meinem Lebensweg begleitet haben“, zum gemeinsamen Frühstück in ein hannoversches Restaurant eingeladen.

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