Esther Cremer: "2014 wieder mit der Staffel"
Bei ihrer ersten Einzelstart bei einer Weltmeisterschaft lief Esther Cremer direkt ins 400-Meter-Halbfinale. Im Interview spricht die 27-jährige Wattenscheiderin über ihr erstes WM-Solo, über Staffel-Pech und über die besondere Bedeutung der Hallen-WM in Sopot (Polen).
Esther Cremer, das erste Mal seit 2009 war mit Ihnen wieder eine deutsche Einzelläuferin bei einer Weltmeisterschaft über 400 Meter vertreten. Wie haben Sie die Titelkämpfe in Moskau erlebt?Esther Cremer:
Die Zeit in Moskau war sehr aufregend. Das war wirklich ein ganz besonderes Erlebnis für mich. Zuvor war ich zwar schon bei den Titelkämpfen in Berlin und Daegu ein Mitglied der Staffel, aber als Einzelläuferin dabei zu sein, ist wirklich etwas ganz anderes. Für mich war die Teilnahme in Moskau und die Tatsache, dass ich es dort bis ins Halbfinale geschafft habe, das bislang Größte, was ich in meinem Sport erreicht habe.
Dabei war Ihr Weg ins Halbfinale etwas kurios. Sie haben es als Letzte Ihres Vorlaufs eine Runde weiter geschafft...
Esther Cremer:
...ja, das war wirklich irre. Wann kommt schon ein ganzer Vorlauf weiter? Da ich aber weder im Callroom, noch auf dem Aufwärmplatz die anderen Vorläufe verfolgt habe, wusste ich nicht, welche Zeit nötig war, um weiterzukommen. Ich habe mich einzig und alleine auf mein eigenes Rennen konzentriert. Aber auf der Zielgeraden ging wirklich gar nichts mehr. Als dann alle anderen an mir vorbeigezogen sind, war ich mir sicher, dass ich ausgeschieden bin. Dementsprechend enttäuscht war ich auch unmittelbar nach dem Rennen – zumal auch die Zeit nicht dem entsprochen hat, was ich mir vorgenommen hatte. Erst nachdem ich im Interview mit der ARD darauf hingewiesen wurde, dass ich noch bei den Zeitschnellsten dabei bin, habe ich beim letzten Vorlauf mitgefiebert. Dass ich wirklich im Halbfinale dabei bin, habe ich aber erst richtig begriffen, als ich es schwarz auf weiß auf der Anzeigentafel gelesen habe. Da war die Freude natürlich riesig.
In Moskau war keine deutsche Staffel über 4x400-Meter vertreten. Wie bewerten Sie das?
Esther Cremer:
Ich glaube, wir hatten in diesem Jahr in Deutschland im 400-Meter-Bereich sehr viel Pech. Mit Janin Lindenberg ist eine Läuferin verletzungsbedingt ausgefallen, die in der Staffel immer eine sehr gute Leistung abgeliefert hat. Dazu kommt, dass Claudia Grunwald (geb. Hoffmann, Anm. d. Red.) im vergangenen Jahr ihre Karriere beendet hat und Fabienne Kohlmann in dieser Saison nicht so richtig in Tritt gekommen ist. Und die vielen talentierten jüngeren Läuferinnen müssen erst noch den Anschluss bei den Erwachsenen finden. Ich glaube aber fest daran, dass wir im nächsten Jahr bei den Europameisterschaften in Zürich wieder mit einer Staffel vertreten sein werden.
Sie sind 2013 zwei Ihrer drei besten Zeiten gelaufen. Wie erklären Sie sich diesen positiven Trend?
Esther Cremer:
Ich konnte die letzten Jahre ohne eine verletzungsbedingte Unterbrechung trainieren. Diese kontinuierliche Arbeit zahlt sich jetzt aus. Ich habe schon zu Beginn der Saison gemerkt, dass ich gut drauf bin. Umso enttäuschter war ich, dass ich die guten Leistungen aus dem Training zunächst nicht im Wettkampf umsetzen konnte. Als ich dann bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm endlich zeigen konnte, was ich drauf habe, war ich natürlich sehr erleichtert.
Was zeichnet Ihre Zusammenarbeit mit Slawomir Filipowski aus?
Esther Cremer:
Nach sieben gemeinsamen Jahren kennen wir beide uns einfach sehr gut und ich fühle mich mit ihm als Trainer sehr wohl. Er weiß einfach immer ganz genau, was zu tun ist, damit ich mein Bestes abrufen kann.
Erst im Alter von 16 Jahre haben Sie mit der Leichtathletik begonnen. Bewerten Sie das rückblickend als Vor- oder als Nachteil?
Esther Cremer:
In meinem Fall sehe ich das ganz klar als Vorteil. Ich bin damals ganz unbedarft an die Sache herangegangen. Das hat vieles einfacher gemacht. Und heute profitiere ich davon, dass mein Körper noch nicht so viele harte Trainingsjahre verkraften muss, wie es bei anderen in meinem Alter der Fall ist.
Sie haben in diesem Frühjahr Ihren Bachelor im Bereich Umwelttechnik abgelegt. Wie geht es jetzt beruflich bei Ihnen weiter?
Esther Cremer:
Ich beginne im Oktober einen Masterstudiengang im Fach Maschinenbau. Damit bin ich dann mindestens die nächsten zwei Jahre beschäftigt, wobei ich auch den Bachelor nicht in der Regelstudienzeit abgeschlossen habe. Dafür steht der Sport bei mir zu sehr im Mittelpunkt.
Wie verbringen Sie Ihre Freizeit? Esther Cremer:
Ganz gemütlich. Ich genieße es, gemeinsam mit meinem Freund oder meiner Familie einfach zur Ruhe zu kommen. Es tut mir sehr gut, dass niemand in meinem engeren Umfeld mit der Leichtathletik zu tun hat. Das macht es mir möglich, immer optimal abschalten zu können.
Welche sportlichen Ziele haben Sie für das Jahr 2014?
Esther Cremer:
Im Winter werde ich alles daransetzen, mich für die Hallen-WM in Polen zu qualifizieren. Das ist ja das Heimatland meines Trainers, somit ist es auch ihm ein großes Anliegen, dass wir das gemeinsam schaffen. Im Sommer möchte ich dann bei der EM in Zürich dabei sein – am liebsten natürlich im Einzel und mit der Staffel.
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift