Esther Cremer - Persönliches Sommermärchen
Esther Cremer (TV Wattenscheid 01) hatte diesen Sommer ein ganz besonderes Reiseziel. Es ging gar nicht so weit weg. Nach 479 Kilometern war die 400-Meter-Läuferin bereits am Ziel. Keine Grenze wurde überquert, sie blieb in diesem Jahr dem Heimatland treu. Entspannung war jedoch nicht angesagt. Es wurde trainiert in einem Camp mit 91 anderen deutschen Athleten.
Alle hatten ein gemeinsames Ziel: Bei den Weltmeisterschaften im Olympiastadion in Berlin die bestmögliche Leistung zu bringen. Kienbaum und Berlin: Ein Sommer und Erlebnisse, die die 21-Jährige nicht so schnell vergessen wird.Doch erstmal von Beginn an! So sicher, diese Reise machen zu dürfen, war sich Esther Cremer nämlich gar nicht. Zwar lief sie bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm überraschend zu Silber, doch ihre Zeit von 53,21 Sekunden bedeuten lediglich Platz vier in der aktuellen Deutschen Bestenliste. Trotzdem wurde die gebürtige Kölnerin bereits in der ersten Nominierungsphase für die DLV-Staffel berücksichtig.
Pläne werden geändert
„Das war wirklich sehr überraschend und dann musste ich auch erstmal die Saison umplanen“, erinnert sich die sympathische Studentin. Ursprüngliches Ziel war ein Einzelstart über 400 Meter bei der U23-EM in Kaunas (Litauen) und ein Start in der U23-Staffel.
Für die spätere WM-Teilnehmerin hieß es dann jedoch, den Schongang einlegen und nur die Staffel zu einem sehr guten zweiten Platz führen. „Natürlich wäre ein Einzelstart auch toll gewesen, zumal ich bei internationalen Meisterschaften bisher noch nie einen Einzelstart hatte, aber die WM war natürlich wichtiger“, hat Esther Cremer selbst erkannt.
Namenschilder helfen beim Kennenlernen In Kienbaum, dem Vorbereitungstrainingslager für die WM in Berlin, angekommen, kannte die 21-Jährige die wenigsten der 91 anderen Athleten. „Da haben die Namenschilder am Anfang doch schon sehr geholfen“, schmunzelt die Wattenscheiderin. Doch die Stimmung sei von Anfang an sehr gut gewesen, gerade auch unter den Staffel-Mädchen. Dieses Gemeinschaftsgefühl konnte man später auch im Olympiastadion angesichts der identischen Frisuren bestauen.
„Der Zusammenhalt hat einfach gestimmt, und ich war froh mit der erfahrenen Claudia Hoffmann aus Potsdam auf einem Zimmer gewesen zu sein, da ich sonst in Berlin aufgeschmissen gewesen wäre.“
Volles Programm
In der Hauptstadt selbst bekam der „Neuling“ bei den Aktiven dann gleich das volle Programm präsentiert: Gesetzt für den Vorlauf, der am Samstag um 20:15 Uhr stattfand, ging es zur Primetime ins nahezu ausverkaufte Olympiastadion.
„Ich war tierisch aufgeregt vorher und der Weg durch die Katakomben war so lang. Aber als ich dann im Innenbereich angekommen war, war die Aufregung weg und ich wollte einfach nur laufen und ganz viel Spaß haben“, erinnert sich die Bochumer Studentin für Umwelttechnik und Ressourcenmanagement.
Vom Kurzsprint zum Langsprint Ursprünglich kommt Esther Cremer aus dem Kurzsprint und wurde als Schülerin beim Sprint-Cup der Schulen vom ASV Köln angesprochen, ob sie nicht mal zum Training kommen wolle. Sie wollte, und das war der Beginn ihrer noch jungen Karriere. Mit der Leichtathletik hatte die attraktive Athletin mit dem strahlenden Lächeln vorher noch keinen Kontakt. „Leichtathletik war für mich irgendwie gar keine richtige Sportart“, muss Esther Cremer schmunzeln.
Seit 2007 trainiert die Wahl-Bochumerin nun beim TV Wattenscheid 01 in der Gruppe von Slavomir Filipowski und ist dort sehr zufrieden. Die Saison ist genau so gelaufen, wie sie es sich erhofft hatte. Nur mit ihrer Einzelzeit ist sie nicht zufrieden. „Wenn man meine 200-Meter-Zeit von 23,30 Sekunden anschaut, hätte ich über 400 Meter noch viel schneller sein müssen. Das ist dann schon enttäuschend und unter meiner Leistungsmöglichkeit gewesen“, ärgert sich Esther Cremer.
In Zukunft weiterhin die 400-Meter
Beachtlich ist, dass sich die 400-Meter-Sprinterin mit ihrer 200-Meter-Zeit auf dem zweiten Platz der deutschen Bestenliste wiederfindet. Auch in der europäischen Juniorenbestenliste befindet sich Esther Cremer über 200 Meter auf dem neunten Rang und über 400 Meter auf dem 23. Platz. Ein Wechsel zurück zum Sprint kommt jedoch nicht in Frage. „Ich kann noch schneller über die 400 Meter, das sieht man im Training. Außerdem ist es für mich im Kurzsprint viel schwieriger, in die Staffel zu kommen“, erklärt Esther Cremer.
In der Staffel hat sich die 21-Jährige in Berlin hervorragend präsentiert. Der fünfte Platz im WM-Finale ist eine gute Ausgangssituation für die Europameisterschaften in Barcelona (Spanien; 26. Juli bis 1. August) im nächsten Jahr. Und Esther Cremer ist wild entschlossen, das Sommermärchen von Berlin in Barcelona wieder aufleben zu lassen. Dann heißt es wieder Koffer packen. Doch die Namenschilder werden dann höchstwahrscheinlich schon überflüssig sein, denn dann ist Esther Cremer nicht mehr der Neuling bei den Aktiven.