Esther Cremer setzt auf die Zuschauer
Esther Cremer hat die EM-Norm schon abgehakt. Von daher könnte sie gelassen den Deutschen Meisterschaften am 16./17. Juni in Bochum-Wattenscheid entgegenblicken. Doch weit gefehlt.
Die 24 Jahre alte Viertelmeilerin kann eine gewisse Anspannung vor den Titelkämpfen in der Lohrheide nicht leugnen: „Wenn Deutsche Meisterschaften im eigenen Stadion durchgeführt werden, ist das sicherlich etwas Besonderes, denn gegenüber den lokalen Athletinnen und Athleten ist die Erwartungshaltung deutlich höher. Daher stehe ich schon unter einem gewissen Druck.“Die Studentin der Umwelttechnik wird mit einer großen Fan-Gruppe im Lohrheidestadion erscheinen, denn ihre Familie, ihre Freunde, die Mitbewohnerinnen ihrer WG sowie ihre Kommilitoninnen und ihre Kommilitonen haben sich angesagt und wollen sie lautstark unterstützen.
Happige Olympia-Norm
„Das Publikum hat schon einen gewissen Einfluss auf die Sportlerinnen und Sportler. Ich habe das zum ersten Mal bei den Weltmeisterschaften 2009 in Berlin erlebt, als wir, von den Zuschauern mitgetragen, in der 4x400 Meter-Staffel auf Platz fünf liefen. Wenn die Stimmung im Stadion gut ist, setzt das auf jeden Fall zusätzliche Kräfte frei“, erläutert die ehrgeizige Viertelmeilerin, die 2011 bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel auf der Stadion-Runde in 52,08 Sekunden erfolgreich war.
„Mein Ziel ist daher eine erfolgreiche Titelverteidigung. Wenn ich zusätzlich dann noch die Olympia-Norm von 51,20 Sekunden unterbieten sollte, wäre das eine tolle Zugabe, aber die Zeit ist ganz schön happig“, betont Esther Cremer.
Unabhängig von einem Unterbieten der 51,20 Sekunden hat die Wattenscheiderin das Olympia-Ticket schon so gut wie sicher, denn im Hinblick auf London (Großbritannien) hat sie ihre Hauptoption in der 4x400 Meter-Staffel. „Sicher ist natürlich nichts“, schränkt sie jedoch ein, „aber unter die besten Vier müsste ich bei den Deutschen Meisterschaften auf jeden Fall kommen, und das wird für die Staffel reichen. „Meine augenblickliche Form ist so gut, weil abgesehen von einer Erkältung problemlos durch die Vorbereitungszeit gekommen bin, und ich hoffe, dass das so bleibt.“
Früher beim Fechten
Das Olympiajahr hätte für die Wattenscheiderin mit dem sympathischen Lächeln eigentlich gar nicht besser beginnen können. Bei der Hallen-DM in Karlsruhe verbesserte sich sie bei einem tollen Sololauf auf 52,57 Sekunden und unterbot damit deutlich die Norm für die Hallen-Weltmeisterschaften in Istanbul (Türkei). Auf diese Titelkämpfe verzichtete Esther Cremer jedoch, um sich ganz auf die beiden Leichtathletik- Highlights im Sommer zu konzentrieren.
Die erfolgreiche Langsprinterin, die 2010 auch Deutsche Meisterin über 200 meter war, sammelte ihre ersten sportlichen Erfahrungen beim Fechten, doch bereits nach zwei Jahren verließ sie die Planche, weil sie in dieser Sportart keine größeren Wettkampfambitionen verfolgte.
„Ich finde Fechten vom Bewegungsablauf recht elegant. Daher wollte ich es unbedingt einmal erlernen“, begründete die gebürtige Kölnerin ihr Interesse. Zur Leichtathletik kam sie im Alter von 16 Jahren über den Sprintcup der Schulen. Talentsichter des ASV Köln luden sie ein, einmal beim Training ihres Vereins vorbeizuschauen.
Studium unterbrochen
2006 wechselte sie von Köln nach Wattenscheid, wo sie zurzeit mit drei anderen jungen Damen in einer WG lebt. Ihre Mitbewohnerinnen sind allerdings keine Leichtathletinnen. „Darauf habe ich bewusst Wert gelegt, denn sonst würde der Sport nur Hauptgesprächsthema sein.“
Die Schülerin von TV-01-Coach Slawomir Filipowski studiert an der Ruhr-Universität in Bochum Umwelttechnik und Ressourcenmanagement. Allerdings hat sie wegen ihrer großen Herausforderungen im Sport ihr Studium im Olympiajahr unterbrochen, wird es aber 2013 mit dem Schreiben ihrer Bachelor-Arbeit wieder aufnehmen. Stattdessen nimmt sie zurzeit an einem Italienisch-Sprachkurs teil, denn neben ihrem Körper möchte sie auch ihren Kopf weiter fordern.
DM in Bochum-Wattenscheid