Eunice Barber ist wieder da
Es war ein Kreuz mit ihrem Rücken. Eunice Barber hing lange Zeit in der Warteschleife. Sie kam nicht mehr auf die Beine. "Jetzt geht es endlich aufwärts", erklärte die 28-jährige Französin, die im Weitsprung (7,01 m) und im Siebenkampf (6861 Punkte), ihrer Spezialdisziplin, die Landesrekorde hält, "ich bin zufrieden mit meinem momentanen Leistungsstand." In Los Anegeles, bei einem kleinen Meeting, feierte sie dieser Tage ganz diskret ihre Rückkehr mit 6,44 Meter im Weitsprung, 48,86 Meter im Speerwerfen und 14,52 Sekunden über 100 Meter Hürden. Nichts Spektakuläres! Egal. Nach vielen Rückschlägen sieht sie wieder Licht am Ende des Tunnels.
Eunice Barber ist wieder zurück im Wettkampfgeschehen. (Foto: Crespel)
Der Ermüdungsbruch im Lendenbereich, den sie sich bereits im Herbst 2001 eingefangen hat, ist ausgeheilt. Eunice Barber, die zwischen Hoffen und Bangen hin und her pendelte, schaut nach vorn. Und nicht zurück. "Ich bin heilfroh, dass die Beschwerden vorbei sind." Als die Schwedin Carolina Klüft bei den Europameisterschaften in München vor der Wattenscheiderin Sabine Braun Gold gewann, schob sie Frust vorm Fernseher. Ihre Leidenszeit, so schien es, wollte kein Ende nehmen.Die "never ending story" wurde in jenen Tagen um ein weiteres Kapitel bereichert. Pleiten, Pech & Pannen zog Eunice Barber magisch an. Sie lernte die Schattenseiten kennen. "Es ist schon ein blödes Gefühl, wenn dir die Verletzungen hinterher laufen." Dabei hatte sie stets auf der Sonnenseite gestanden, sie, die dem Elend einst entflohen ist.
Die Mutter arbeitete früher als Platzwartin
Aus Sierra Leone kommt sie gebürtig, einem kleinen Entwicklungsland in Afrika, in dem der Bürgerkrieg tobt. Aufgewachsen ist Eunice Barber in Freetown. Noch heute leben dort ihr Vater und ihre Mutter, die früher als Platzwartin im Stadion von Freetown die schmale Haushaltskasse aufbessern musste. "Die Gewalt in meiner Heimat nimmt immer größere Ausmaße an", klagte Barber, "da zu leben, ist bedrohlich." Sie hat ihrem Land längst den Rücken gekehrt, zog im Anschluss an die Olympischen Spielen 1992 in Barcelona nach Frankreich und landete in der Champagner-Stadt Reims, wo sie erst einmal die englische und dann auch die französische Sprache lernte.
Dominique Dufour, ein französischer Diplomat, hatte sie in der Schule in Freetown entdeckt. Damals spielte sie noch Fußball. Doch erkannte er sogleich ihr Talent und schickte sie zu Trainingsaufenthalten nach Frankreich. Dabei traf Eunice Barber auch Christian Plaziat, den Ex-Europameister im Zehnkampf, den sie bewunderte. Ihm wollte sie nacheifern. Unbedingt.
Keine Aussagen zu Saisonzielen
Aber die EM-Krone, die Plaziat 1990 in Split eroberte, blieb für Eunice Barber im vergangenen Sommer ein bloßer Wunschtraum. "Natürlich habe ich das Potenzial, um im Siebenkampf Großes zu leisten", betonte Eunice Barber damals tief enttäuscht, "aber wenn die Gesundheit nicht mitspielt, bin ich machtlos."
Nicht mal ein Jahr nach ihrem Ausscheiden, als sie bei der WM in Edmonton, nach den ersten beiden Disziplinen in Führung liegend, einen rabenschwarzen Tag erwischt und mit drei ungültigen Versuchen im Kugelstoßen Abschied genommen hatte, blieb ihr in München die Gelegenheit verwehrt, sich für ihr Missgeschick zu rehabilitieren.
Nun ist sie zurück in der Arena. "Zu meinen Saisonzielen möchte ich mich aber nicht äußern", meinte Eunice Barber, die im Februar 1999 die französische Staatsbürgerschaft erhalten und noch im gleichen Jahr im Dress der "Equipe Tricolore" Gold in Sevilla ("Mein schönster Erfolg") geholt hatte, "ich muss noch an meiner Form arbeiten." Im Dezember war sie erst wieder ins Training eingestiegen.
Bob Kersee soll sie zu alten Glanztaten zurückführen
Sie ist Ende Februar dann ins warme Klima Kaliforniens geflogen. Für drei Monate. Vorher weilte Eunice Barber mehrere Monate in Paris, nahm Gesangs- und Schauspielunterricht und wartete sehnsüchtig auf den Augenblick, an dem der "Doc" sein Okay für ihr Comeback gab.
Bob Kersee, Ehemann von Jackie Joyner-Kersee, der besten Mehrkämpferin aller Zeiten, soll sie zu alten Glanztaten zurückführen. Mit Kersee, dem berühmten Coach aus Los Angeles, arbeitet Eunice Barber eng zusammen. Beide harmonieren prima miteinander, ja, sie senden auf einer Wellenlänge.
Er war es, der sich zu Beginn ihrer Kooperation zu einer vollmundigen Prognose hinreißen ließ: "Eunice hat das Zeug zum Weltrekord." Den hält seit 14 Jahren seine bessere Hälfte, Jackie Joyer-Kersee, mit 7291 Punkten, aufgestellt im September 1988 bei ihrem Olympia-Triumph in Seoul. Doch bis dahin, das weiß Barber genau, ist es noch ein weiter, vor allem dornenreicher Weg.