Europas Sprinter mit Vollgas nach Göteborg
Es war der erste Sprint-Gipfel rund drei Wochen vor der Hallen-EM in Göteborg (Schweden). Gleich drei Medaillenkandidaten trafen am Freitag in Düsseldorf über 60 Meter aufeinander. Darunter auch der Wattenscheider Julian Reus, der mit 6,60 Sekunden überzeugte.
So ausgelassen hat man noch nie einen Drittplatzierten beim PSD-Bank-Meeting jubeln sehen. Angel David Rodriguez hüpfte nach dem 60-Meter-Finale wild umher und bedachte die schnelle Laufbahn mit einem dicken Kuss. Das hatte seinen Grund: Denn mit 6,55 Sekunden steigerte der 32-Jährige nicht nur seine Bestzeit um satte vier Hundertstel, sondern auch den zwölf Jahre alten spanischen Rekord von Venancio José um drei Hundertstel. „Das ist das Ergebnis harter Arbeit. Außerdem bin ich viel gereist, um mich mit starker Konkurrenz zu messen“, sagte der Spanier.Als nächstes Ziel hat Angel David Rodriguez das Hallen-EM-Finale in Göteborg ins Visier genommen. Dort wird er wahrscheinlich auf zwei Sprinter treffen, die auch im Düsseldorfer Finale standen: Julian Reus und Jimmy Vicaut. Der Wattenscheider steigerte sich als Fünfter auf 6,60 Sekunden. Damit verfehlte der 24-Jährige seine Bestzeit nur um eine Hundertstelsekunde.
„Das war ein Schritt nach vorn. Die ganzen Zeiten zwischen 6,65 und 6,68 Sekunden haben mich schon ein bisschen genervt. Stillstand ist einfach nicht mein Ding“, sagte der 10,09-Sekunden-Sprinter, der sich am Sonntag in Gent (Belgien) abermals dem Spanier (6,57 sec zu 6,64 sec) geschlagen geben musste.
Noch Luft nach oben
Nun steht für Julian Reus vor der Hallen-DM noch ein kurzer Trainingsblock an. Der Wattenscheider mit Trainingsort Erfurt will sich den letzten Feinschliff holen. Schließlich soll seine Hallen-Bestzeit von 6,59 Sekunden spätestens nach der EM in Göteborg Geschichte sein. „Ich bin nah dran. Aber ich weiß auch, dass es noch Luft nach oben gibt“, sagt Julian Reus.
Bei der Hallen-EM wird die deutsche Nummer eins spätestens im Finale auf Frankreichs Spitzensprinter Jimmy Vicaut treffen. Der 20-Jährige steigerte sich als Zweiter in Düsseldorf hinter Jamaikas Rekordler Lerone Clarke (6,52 sec) auf 6,53 Sekunden. Damit führt er zusammen mit dem Italiener Michael Tumi die europäische Bestenliste an.
Auch Jimmy Vicaut hat noch Potenzial
Seine Zeit von Düsseldorf dürfte für den U20-Europameister allerdings nur eine Durchgangsstation sein. Sein Trainer Guy Ontanon hat bei den letzten Rennen noch ein Steigerungspotenzial von rund einer Zehntelsekunde ausgemacht. Speziell auf den ersten 30 Metern lässt der schnelle Youngster noch Zeit liegen, während er im zweiten Teil der Beschleunigungsphase schon absolute Weltklasse verkörpert.
Guy Ontanon sollte es wissen. Schließlich führte er schon Sprint-Größen wie Christine Arron und Ronald Pognon zu Titeln und Rekorden. Rein rechnerisch kommt neben dem Landesrekord von Ronald Pognon (6,45 sec) sogar der Europarekord des Briten Dwain Chambers (6,42 sec) in Reichweite. Ob der Ex-Doper in Göteborg in den Startblöcken sitzen wird, ist ungewiss. Aufgrund einer Rückenverletzung musste der 34-Jährige auf einen Start bei den Britischen Meisterschaften vergangenes Wochenende in Sheffield verzichten.
Wildcard für Dwain Chambers?
Nun hofft der Hallen-Weltmeister von 2010 auf eine Wildcard des britischen Verbands. Da in Sheffield nur Titelträger James Dasaolu (6,58 sec) unter der Göteborg-Vorgabe des Verbands (6,60 sec) blieb, könnte der Sprint-Oldie eine Chance bekommen. Denn mit 6,58 Sekunden blieb das Muskelpaket beim Ländervergleich in Glasgow schon unter der Norm.
Nach Streichung seiner Doping-Leistungen steht Dwain Chambers 100-Meter-Bestzeit bei 9,97 Sekunden. In diese Bereiche will auch Jimmy Vicaut vorstoßen. Schon vergangenes Jahr schrammte er mit 10,02 Sekunden nur knapp an der Zehn-Sekunden-Marke vorbei. Experten, die Jimmy Vicauts Karriere schon länger verfolgen, trauen ihm sogar zu, den Landesrekord von Christophe Lemaitre (9,92 sec) zu verbessern.
Christophe Lemaitre mit Problemen
Der schlaksige Sprinter kam in Düsseldorf gar nicht zurecht. Mit 6,71 Sekunden war im Vorlauf Endstation. „Ich war einfach viel zu weich“, sagte der erste weiße Sprinter unter zehn Sekunden. Nach einem total verschlafenen Start war die Strecke für den 100-Meter-Europameister viel zu kurz, um noch ins Finale zu sprinten. Besser lief es am Sonntag in Gent, als er zeitgleich mit Julian Reus Vierter wurde.
Anders als beim Hallen-EM-Heimspiel 2011 in Paris, als er hinter 100-Meter-Europarekordler Francis Obikwelu (Portugal) und Dwain Chambers Bronze gewann, wird Christophe Lemaitre allerdings auf einen Start in Göteborg verzichten. Nach den Französischen Meisterschaften in Aubière an diesem Wochenende ist für den 22-Jährigen die Hallensaison beendet. Ein spannendes Finale wird es in Göteborg trotzdem geben. Vielleicht sogar mit einem deutschen Sprinter in der Hauptrolle.
Quelle: leichtathletik - Ihre Fachzeitschrift