Eva Baur will weiter nach vorne sprinten
Beim Berliner ISTAF durfte Eva Baur (VfL Sindelfingen) erstmals vor ganz großem Publikum auftreten. Mit ihrer kontinuierlichen Entwicklung und konstant starken Leistungen hatte sich die Deutsche Juniorenmeisterin über 200 Meter fürs Team empfohlen. Die 20-Jährige genoss die Kulisse und tankte ordentlich Motivation – es soll noch weiter nach vorne gehen.
"Der Tag heute war mein größtes Erlebnis." Zu diesem Fazit kam Eva Baur kurz nachdem sie am vergangenen Sonntag beim ISTAF den zweiten Auftritt vor mehr als 50.000 Zuschauern im Berliner Olympiastadion hatte. "Es war ein Hammergefühl. Ich bin noch nie vor so vielen Leuten gelaufen."Mit der zweiten Mixed-Staffel des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) war sie auf Rang sechs (41,96 sec) gekommen. Vorher hatte die Sindelfingerin im B-Lauf über 100 Meter schon Platz zwei (11,86 sec) belegt und bewiesen, dass ihr die große Kulisse alles andere als Angst einjagt.
Zum ersten Mal im Nationaltrikot
Gerade im Gewusel der Mixed-Zone wurde noch deutlich, dass die 20-Jährige noch nicht allzu viele große Meetings mitgemacht hat, die Suche nach dem Korb mit ihren Klamotten dauerte etwas länger und auch das Staffel-Outfit war noch provisorisch: Die Hose in den deutschen Farben fehlte, Eva Baur lief in ihrer blauen Vereinshose, für obenrum fand sich ein Nationaltrikot. "Man läuft für Deutschland, das ist ein tolles Gefühl, vor allem beim ersten Mal."
Der große Auftritt kam unverhofft - zwei Wochen vor dem ISTAF fragte Sprint-Bundestrainer Thomas Kremer an. Nach der kräftezehrenden Saison hatten die deutschen Spitzensprinterinnen auf einen Start in Berlin verzichtet, oder ihre Karriere gleich ganz beendet. Eva Baur nahm das Angebot gerne an. Mit ihren Leistungen des Sommers hatte sie sich die Chance verdient.
Vom Siebenkampf zum Sprint
Erste Erfolge feierte die Athletin, die durch ihre Brille auffällt, im Siebenkampf: 2010 holte sie bei den Deutschen Mehrkampf-Meisterschaften mit Bestleistung (5.174 Punkte) Bronze in der weiblichen Jugend A. Da es vor allem im Hochsprung (Bestleistung: 1,57 m) nicht vorangehen wollte, wurde der Fokus im Jahr darauf auf die Hürden gelegt. Die Leistung stagnierte allerdings, stattdessen gab es einen Schub im Flachsprint: Von 12,05 Sekunden ging es über 100 Meter runter auf 11,78 Sekunden. Gemeinsam mit Trainer Sebastian Marcard fiel die Entscheidung: Nun soll es der Sprint sein.
Dieser Schritt erwies sich als folgerichtig: Bei den Deutschen Junioren-Meisterschaften in Kandel holte Eva Baur in diesem Sommer ihren ersten nationalen Titel über 200 Meter und blieb dabei windunterstützt erstmals unter 24 Sekunden (23,84 sec). Bei den Süddeutschen Junioren-Meisterschaften gab es gleich ein Triple, mit Gold über 100, 200 Meter und mit der Staffel.
Die längere Sprintstrecke empfindet die hochgewachsene Athletin als „sehr anstrengend“ - und bevorzugt deshalb eher die 100 Meter. Zu dieser Vorliebe haben aber auch Verletzungsprobleme beigetragen, im Winter war das Gewebe an der Achillessehne entzündet. "Ich konnte nicht so viele Tempoläufe machen. Ich habe diese Einheiten auf dem Crosstrainer gemacht." Wenn es in den kommenden Monaten keine Probleme gibt, könnten die 200 Meter im nächsten Jahr nicht nur noch schneller, sondern auch angenehmer vorbeigehen. Trainer Sebastian Marcard ist schon jetzt überzeugt, dass seine Athletin auf dieser Strecke besonders viel Potential hat.
Ausbildung zur Industriekauffrau
Nicht nur was die sportliche Disziplin angeht, sondern auch im Alltag hat sich in den letzten beiden Jahren einiges geändert. Neben einem Vereinswechsel von Tübingen nach Sindelfingen begann Eva Baur nach dem Abitur eine Ausbildung zur Industriekauffrau bei Daimler. "Im Vergleich zur Schule ist es stressiger und auch zeitaufwändiger. Man muss seinen Alltag organisieren, damit man sechs bis sieben Einheiten die Woche hinbekommt."
Neben einer finanziellen Unterstützung durch den VfL Sindelfingen hilft auch der Arbeitgeber, im Sport weiterzukommen. "Ich habe eine 35-Stunden-Woche und werde für Trainingslager und Anreisen zu Wettkämpfen freigestellt."
"Wie jeder Sportler" träumt die Sprinterin davon, einmal bei Olympia dabei zu sein, möchte sich aber erst einmal Schritt für Schritt weiterentwickeln. Nächstes Ziel sind die U23-Europameisterschaften 2013 in Tampere (Finnland). Die Hallensaison wird Eva Baur auf dem Weg dorthin möglicherweise auslassen. "Ich bin über 60 Meter nicht ganz so gut." Dann bleibt auch mehr Zeit, am Stehvermögen für die 200 Meter zu arbeiten. Motivation weiter an sich zu arbeiten, hat Eva Baur nach ihrem ersten großen Auftritt beim ISTAF genug. Weitere große Rennen sollen folgen.