Fabian Schulze bahnt sich zweigleisig den Weg
Die nächsten Wochen werden recht stressig für Fabian Schulze. Der Stabhochspringer steckt mitten in seinen Prüfungsvorbereitungen zum Industrie-Elektroniker. Anfang Februar wird der junge Mann vom LAZ Salamander Kornwestheim/Ludwigsburg seine Ausbildung beenden und hofft dann auf Höhenflüge mit freiem Kopf. Denn Fabian Schulze fährt zweigleisig, versucht Beruf und Sport zu verbinden. Doch künftig will er sich mehr auf den Sport konzentrieren.
Fabian Schulze hat im Stabhochsprung den Anschluss zur Elite gefunden (Foto: Chai)
Seine beruflichen Zukunftspläne: Noch schwankt er zwischen dem Wunsch, eine 50-Prozent-Stelle zu bekommen oder in der Sportfördergruppe der Bundeswehr unterzukommen. Und trotz der Anspannung wollte der Dritte der Junioren-EM von 2003 nicht auf die Hallensaison verzichten, zumal er sich inzwischen ein Niveau angeeignet hat, das ihm attraktive Startmöglichkeiten gewährt. Außerdem: Es gibt Schlimmeres. Fabian Schulze ist sowohl Doppelbelastung als auch Stress gewohnt - und lässt sich nicht so schnell aus der Ruhe bringen. Schließlich hat er während seiner Ausbildung Tag für Tag acht Stunden gearbeitet - und wenn seine Arbeitskollegen Feierabend machten und die Füße hochlegten, ist er abends in die Sporthalle zum Training gefahren und widmete sich zwei bis drei Stunden dem Stabhochsprung.
Dennoch schaffte er mit zwanzig Jahren bereits große Sprünge. Hörte er 2003 mit 5,45 Metern auf, stehen seit 2004 nun 5,70 Meter zu Buche. Das sind Welten. Doch Fabian Schulze katapultierte sich innerhalb eines Jahres um 25 Zentimeter mehr nach oben. Ein Ende ist nicht abzusehen. Auch wenn das Tempo nicht ganz so flott weitergehen wird.
Ausgeglichenheit
Der junge Mann, der sich am vergangenen Wochenende schon einmal bei einem Hallen-Meeting in Sindelfingen in der frischen Hallensaison zeigte, geht seinen Weg konsequent und lässt sich nicht aufhalten. Seine Stärke ist die Ausgeglichenheit. "Ich bin nicht der Beweglichste in meiner Trainingsgruppe", sagt Fabian Schulze über sich selbst. Aber er hat viele Eigenschaften, die ein Stabhochspringer in sich vereinigen sollte: Mut, Ehrgeiz, Sprungkraft und einen starken Willen. Diese Attribute hielten ihn immer wieder davon ab, zu resignieren.
Denn der junge Springer leidet an einer chronischen Darmkrankheit, fühlt sich an manchen Tagen nicht sonderlich gut. Aber irgendwie wird er auch damit fertig. Der Kornwestheimer Athlet gilt als ruhiger, bescheidener Typ, der allerdings genau weiß, was er will. Und seine Ziele konsequent verfolgt.
In diesem Jahr träumt er von einer Medaille bei den U23-Europameisterschaften im Sommer in Erfurt. Ansonsten will der 20-Jährige möglichst viel internationale Erfahrung sammeln - und gegen die WM in Helsinki hätte er auch nichts einzuwenden. Der Kampf um die Tickets wird hart. Denn im Stabhochsprung der Männer gibt es fünf, sechs, vielleicht sieben Anwärter für drei Fahrkarten. Fabian Schulze ist in jedem Fall mittlerweile einer davon.
Sportliche Eltern
In seiner Familie wurde Sport schon immer groß geschrieben, aber im Stabhochsprung ist Fabian Schulze Pionier. Seine Mutter spielte Faustball, sein Vater Günther war mal Abteilungsleiter in seinem ehemaligen Verein in Echterdingen, dem Ort, der den Stuttgarter Flughafen beherbergt. Doch die Leidenschaft von Schulze senior ging in eine ganz andere Richtung: er gehörte den Bundesliga-Wasserballern von Esslingen an, die heute noch vier Nationalspieler haben - drei davon waren in Athen bei den Olympischen Spielen.
Die Teilnahme dort hatte Fabian Schulze ganz knapp verpasst. Dabei war es gar nicht so abwegig, dass er seinem Vater nacheifern würde. "Ich bin ein Schwimmertyp", sagt der 1,91 Meter große Sportler, der für seine Lieblingsgerichte Pizza, Lasagne oder Ente süß-sauer alles stehen und liegen lässt. "Wenn ich in Esslingen aufgewachsen wäre, wäre ich sicher auch beim Wasserball gelandet", vermutet er. So gesehen war ein Wohnortwechsel dafür verantwortlich, dass er nicht im Wasser, sondern - zumindest gelegentlich - in der Luft landete.
Der angehende Industrie-Elektroniker hat außerdem eine musikalische Ader, spielt gerne Gitarre. "Früher war ich sogar in der Schulband", sagt der blonde Stabhochspringer und grinst. Im Internet surfen, sich mit Freunden treffen oder Skifahren mag er neben seinem Sport noch besonders gerne. Handball und Basketball begeistern ihn ebenfalls.
"Mit ihm muss man rechnen"
Doch die meiste Zeit - neben der Ausbildung - verbringt Fabian Schulze zusammen mit seinem Landestrainer Ivan Macura-Böhm damit, zu trainieren und an seinem Talent zu feilen. Inzwischen ist er längst in die Phalanx der "gestandenen deutschen Springer" eingebrochen. Mit zweimal 5,70 Meter im vergangenen Jahr - in Karlsruhe und in Linz - hat er schon mal an die Schwelle der Weltklasse geklopft.
Sein Vorteil: seine kontinuierliche Entwicklung. Ivan Macura-Böhm, bei dem er seit sechs Jahren trainiert, hat ihn behutsam aufgebaut. Und Schulzes Kollegen hierzulande wissen genau, was ihnen blühen kann - seitens des jungen Kerls. Tim Lobinger, Richard Spiegelburg oder Lars Börgeling bekommen schon lange keine großen Augen mehr, angesichts der Höhenflüge von Fabian Schulze.
"Mit ihm muss man rechnen", hatte Hallen-Europameister Tim Lobinger schon im letzten Jahr geahnt. Der blonde Schwabe ist sicher noch lange nicht am Ende seiner Litanei. Auch wenn er genau weiß, dass Verbesserungen von 25 Zentimeter künftig nicht mehr an der Tagesordnung sein werden. Zumal in dieser Disziplin eher die Salamitechnik - Zentimeter um Zentimeter nach oben - üblich ist.
Respekt vor Weltrekord
Stabhochsprunglegende Sergej Bubka aus der Ukraine beherrschte sie besonders gut, schraubte den Weltrekord letztendlich auf 6,14 Meter im Freien und 6,15 Meter in der Halle. Höhen, die nach Meinung von Fabian Schulze niemand mehr erreichen wird. "Die werden immer eine Traumgrenze bleiben."
Er selbst hat seine Grenzen sicher noch nicht erreicht. Die Höhenflüge werden 2005 weitergehen. Und im Nachhinein kann die Leichtathletik froh sein, dass Fabian Schulze nicht beim Wasserball gelandet ist. Sonst wäre dieser Sportart einiges entgangen.