Fabienne Kohlmann und die geraden Jahre
Mit nur einem Wort lässt sich die bisherige Leichtathletik-Karriere von Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt) zusammenfassen: Achterbahnfahrt. Trotz ihrer erst 19 Jahre hat sie bereits zur Genüge erfahren, wie es ist, wenn auf große Erfolge Monate der Ernüchterung folgen. Die zurückliegende Saison war da keine Ausnahme: „Ich habe meine zwei großen Ziele verfehlt“, bilanziert die Schülerin selbstkritisch. Doch sie hat aus ihren Fehlern gelernt und blickt optimistisch auf das Jahr 2009.
Die U20-Europameisterin über 400 Meter Hürden des Vorjahres hatte sich vorgenommen, bei der U20-WM in Bydgoszcz (Polen) auf ihrer Spezialstrecke anzutreten. Außerdem wollte sie bei den Deutschen Jugend-Meisterschaften in Berlin ihre Titel über 400 Meter und 400 Meter Hürden verteidigen. Aus beidem wurde nichts. „Es ist bei mir schon über mehrere Jahre immer rauf und runter gegangen, und dasselbe ist auch in diesem Jahr passiert.“Bei der U20-WM-Ticketvergabe in Mannheim war die Fränkin über 400 Meter Hürden lediglich die sechstbeste Deutsche. Nur aufgrund ihres Staffelplatzes durfte sie in Bydgoszcz in der Einzelkonkurrenz über die Stadionrunde an den Start gehen. Hier schaffte sie dann aber mit Saisonbestleistung von 53,85 Sekunden etwas überraschend den Sprung ins Finale, wo sie Achte wurde. Zehn Tage darauf folgte die nächste Enttäuschung, als Vera Stelkens (LG Veitsbronn-Obernzenn) und Laura Hansen (SV Sonsbeck) ihr die deutschen A-Jugend-Titel über 400 Meter und 400 Meter Hürden abnahmen.
Auf Lorbeeren ausgeruht
„Insgesamt ist schon in der Vorbereitung ziemlich viel schief gelaufen“, erklärt die 19-Jährige. „Ich bin zum Beispiel im Winter oft krank gewesen und habe zu früh wieder mit dem Training angefangen. Das hat noch mehr an mir gezehrt. Und jetzt im Nachhinein kann ich mir auch eingestehen, dass ich mich am Anfang sehr auf meinen Lorbeeren ausgeruht habe. Mir ist erst kurz vor Weihnachten bewusst geworden, dass ich die Vorbereitung ernster nehmen muss, weil das sonst alles nichts wird. Das Training im Kopf hat zu spät angefangen.“
Derartige Höhen und Tiefen erlebte Fabienne Kohlmann nicht zum ersten Mal. Ihre ersten großen Erfolge feierte sie 2005, als sie bei den Europäischen Olympischen Jugendspielen den 400-Meter-Hürden-Wettbewerb gewann, mit 58,88 Sekunden einen neuen bayerischen B-Jugend-Rekord aufstellte und sich in ihrer Altersklasse an die deutsche Spitze setzte. 2006 konnte sie weder über die flache noch über die Stadionrunde mit Hindernissen die Leistungen des Vorjahres verbessern und verpasste eine Nominierung für die U20-WM in Peking (China).
Der Fluch der geraden Jahre? „Ich habe schon mit meinem Trainer und meiner Familie rumgeflachst, dass ich irgendwie mehr für die ungeraden Jahre gemacht bin. Aber das Problem ist: Wenn ich in den geraden Jahren immer einen Durchhänger habe, dann schaffe ich es nie zu Olympischen Spielen“, berichtet sie mit einem Augenzwinkern.
Schönstes Lauferlebnis in Potsdam
Fragt man nach ihrem persönlichen Highlight der vergangenen Jahre, kommt Fabienne Kohlmann ein wenig ins Grübeln. „Der 400-Meter-Lauf in Potsdam 2007“, lautet schließlich die Antwort. „Das ist jetzt vielleicht eher seltsam, weil das nur ein DLV-Sportfest war. Aber da habe ich zum ersten Mal erfahren, was es heißt, im ‚Flow’ zu sein - so nennt man das ja. Ich bin da gelaufen, und es hat sich angefühlt, als würde mein Oberkörper auf Rädern sitzen. Als müsste ich überhaupt nichts machen. Das war nicht mein größter Erfolg, aber das war der schönste Lauf.“ Am Ende blieben die Uhren bei 53,68 Sekunden stehen – ihrer bis heute gültigen Bestzeit.
Auch wenn man die für die LG Karlstadt startende Gambacherin zudem über 100, 200 und 800 Meter und sogar im Siebenkampf in den deutschen Bestenlisten der vergangenen Jahre wiederfindet, ist und bleibt ihre Lieblingsdisziplin 400 Meter Hürden. Weil man sie sich so schön einteilen kann und beim Laufen Abwechslung hat, zwischendurch immer mal wieder über eine Hürde springen kann. Ihre Bestmarke stammt ebenfalls aus dem Vorjahr und liegt bei 56,42 Sekunden.
„Eine erfolgreiche Mehrkämpferin wäre ich nicht geworden. Im Hochsprung war ich eigentlich noch ganz in Ordnung, aber wo es sehr, sehr gehapert hat, war in den Wurfdisziplinen. Da war ich immer weit abgeschlagen ganz hinten“, sagt sie lachend.
Sportbegeisterte Familie
Das Talent für die Langsprints kommt nicht von ungefähr. Mutter Irmgard war selbst 400-Meter-Läuferin, und Vater Andreas ging über 400 Meter und 400 Meter Hürden an den Start. „Als ich in der vierten Klasse war, hat er wieder als Trainer angefangen und mich mitgenommen. So hat es sich entwickelt“, beschreibt Fabienne Kohlmann die Anfänge ihrer Leichtathletik-Karriere. Auch heute noch wird sie vom Vater trainiert.
Klar, dass ebenso ihre Geschwister den Weg zum Sportplatz in- und auswendig kennen. Die 21-jährige Dominique verfolgt die Leichtathletik seit ihrem Studienbeginn nicht mehr mit ganz so viel Ehrgeiz. Die 14-jährige Corinne schickt sich dagegen an, in die Fußstapfen ihrer älteren Schwester zu treten: „Sie ist jetzt das erste Jahr im Landeskader und auf dem aufsteigenden Ast. Auch wenn es für sie natürlich immer ätzend ist, mit der erfolgreichen Schwester verglichen zu werden.“ Das Nesthäkchen der Familie, der 9-jährige Yannick, hat sich dem Fußball verschrieben und besucht nur ab und zu das Kinder-Leichtathletiktraining.
Von ihrer sportbegeisterten Großfamilie erhält Fabienne Kohlmann den nötigen Rückhalt, wenn es mal nicht so gut läuft. Direkt nach den Rennen ist sie aber zunächst am liebsten für sich: „Nach dem Lauf in Mannheim hat mich erstmal niemand zu Gesicht bekommen. Da habe ich mich verkrochen. Ich werfe mich den anderen nicht gleich um den Hals, sondern mache das mit mir selbst aus.“
Im zweiten Anlauf Stipendium der ReiseBank
Die 19-Jährige ist eines von acht Nachwuchs-Assen, das in den mittlerweile dritten Jahrgang der ReiseBank Akademie aufgenommen worden ist. Sie hatte sich 2006 schon einmal beworben, im zweiten Anlauf hat es dann geklappt. „Für mich war klar, dass ich da auf jeden Fall mitmachen möchte, dass das eine riesige Chance ist. Dementsprechend war ich schon ein bisschen enttäuscht, dass ich im ersten Jahr nicht genommen wurde. Aber mittlerweile ist es mir egal, denn ich bin ja dieses Jahr drin.“
Am besten gefallen hat ihr bisher der Englischunterricht des ersten von insgesamt fünf Workshops. „Interessant war vor allem, dass das alles so nah an der Leichtathletik war, im Gegensatz zur Schule.“ Denn wer weiß schon auf Anhieb, was Startblock, Nachziehbein oder Hürdenüberquerung auf Englisch heißt?
Auf keinen Fall Sportstudium
Vielleicht kann sie das neue Wissen ja auch für den Schulunterricht nutzen, schließlich wird im kommenden Mai das Abitur geschrieben. Als Leistungsfächer hat die Schülerin Deutsch und Sport gewählt. Hier steht momentan allerdings, ein wenig zu ihrem Unmut, Volleyball ganz oben auf dem Stundenplan.
Nach dem Schulabschluss will die Gambacherin Psychologie studieren. Von vornherein ausgeschlossen war dagegen die naheliegendste Option: „Ein Sportstudium kommt für mich überhaupt gar nicht in Frage. Ich bringe ja schon den größten Teil meiner Freizeit dafür auf und bin damit eigentlich ganz zufrieden. Es würde mich definitiv nicht glücklich machen, wenn mein Leben nur aus Sport bestehen würde.“
Klavierspielen zum Ausgleich
So verwundert es nicht weiter, dass sie seit sieben Jahren ein weiteres Hobby hat, das ihr neben Schule und Sport den nötigen Ausgleich beschert. Fabienne Kohlmann spielt Klavier, und auch wenn sie findet, dass sich ihre Kompetenz hier in Grenzen hält, freut es sie doch, bei Vorspielen einmal für etwas anderes Anerkennung zu bekommen als nur für sportliche Höchstleistungen.
Auch im Training ist ihr Abwechslung wichtig. Monotone Übungen mag sie gar nicht, am besten gefallen ihr Tempoläufe, weil sie da so richtig an ihre Grenzen gehen kann. Ende Oktober hat die Saisonvorbereitung wieder begonnen, und der Fokus liegt in diesem Winter auf der Schnelligkeit und der Hürdentechnik. Aus diesem Grund trainiert die 400-Meter-Hürden-Spezialistin auch mit dem bayerischen Sprintkader und nicht mit den Langsprintern.
„Also, ich muss sagen, ich glaube, dass 2009 wieder gut wird - das ist ja wieder ein ungerades Jahr“, blickt sie optimistisch voraus. „Im Moment läuft jedenfalls alles wie am Schnürchen.“ Zunächst steht die Hallensaison an, und dann sollen die konkreten Pläne für die Freiluft-Wettbewerbe formuliert werden. „Die Teilnahme an den U23-Europameisterschaften in Kaunas ist sicherlich ein Ziel. Und was darüber hinausgeht, nehme ich natürlich gerne an.“