Die leichtathletik.de-Analyse – Langstrecken
Der Leichtathletik-Sommer 2005 ist Geschichte. Die deutsche Szene war in den letzten Monaten nach dem Tief bei den Olympischen Spielen in Athen wieder von einem Aufwind ergriffen. leichtathletik.de nimmt die einzelnen DLV-Disziplinbereiche unter die Lupe, macht eine Momentaufnahme, bilanziert das Jahr 2005, blickt auf 2006 voraus und stellt die neuen Hoffnungsträger vor.

Jan Fitschen gehört zu den Lichtblicken über die langen Strecken (Foto: Möldner)
Langstrecke MännerSo stehen die DLV-Asse international:
Die Lücke, die Dieter Baumann nach seinem Abtreten hinterlassen hat, ist immer noch nicht geschlossen. Über 5.000 unter 10.000 Meter läuft die Weltspitze um Kenenisa Bekele in einer anderen Liga. Zum Vergleich: Der Weltjahresbeste Kenenisa Bekele lief 12:37,35 Minuten über 5.000 Meter und 26:17,53 Minuten (WR) über 10.000 Meter. Jan Fitschen (TV Wattenscheid), schnellster Deutscher über 5.000 Meter, lief 13:29,37 Minuten. André Pollmächer (LAC Erdgas Chemnitz), schnellster Deutscher über 10.000 Meter, 29:10,54 Minuten.
Nun ist der äthiopische Olympiasieger und Weltmeister zugegeben ein absoluter Ausnahmeathlet. Im europäischen Vergleich sieht es immerhin schon ein bisschen besser aus. Schnellster Europäer über 5.000 Meter ist der Norweger Marius Bakken in 13:07,63 Minuten. Jan Fitschen ist hier immerhin auf Platz 13 zu finden.
Dramatischer stellt sich die Situation im Marathonlauf dar. Ulrich Steidl (SCC Hanau/Rodenbach) ist mit 2:18:43 Stunden vom Toronto-Marathon schnellster Mann über 42,195 Kilometer und damit langsamer als die weltjahresschnellste Frau, Paula Radcliffe (Großbritannien; 2:17:42 h). Von international konkurrenzfähig kann hier nicht die Rede sein.
Die Bilanz 2005:
Der Marathon der Männer steckt in einem absoluten Tief. "Die Zeiten aus diesem Jahr sind frustrierend", sagt Detlef Uhlemann, DLV-Disziplintrainer, aber Erklärungen dafür kann er auch nicht liefern. Martin Beckmann (LG Leinfelden/Echterdingen) fühlte sich vor seinem Start beim Berlin-Marathon in guter Form und hatte eine Zielstellung von 2:14 Stunden. Die Frage ist, warum am Ende nur eine 2:24:24 Stunden raussprang. Darauf wissen weder der Athlet noch der Bundestrainer eine Antwort. "Je länger es wird, desto schwerer tun wir uns", erklärt ein deprimiert klingender Detlef Uhlemann.
Auf der Bahn sieht der Bundestrainer Jan Fitschen und Arne Gabius (LAV Asics Tübingen) als Lichtblicke. "Jan hat an die europäische Klasse angeschlossen und beim Europacup als Dritter eine gute Leistung abgeliefert und Arne hat sich in diesem Jahr stark verbessert. Wir sind aber nach wie vor die schwächste Disziplin im DLV", gibt Detlef Uhlemann zerknirscht zu. "Und wenn schon nur wenige Athleten da sind, dann treffen uns Verletzungen wie beispielsweise die von Michael May, Mario Kröckert (beide TSV Bayer 04 Leverkusen) und Alexander Lubina (TV Wattenscheid) noch härter."
Die Chancen 2006:
Grund zur Hoffnung über 5.000 Meter geben dem Bundestrainer Jan Fitschen und Arne Gabius, die beide unter den Top 20 in Europa geführt werden. "Im Marathon der Männern wäre die Qualifikation für die EM schon ein Erfolg", ist Detlef Uhlemann ehrlich und hofft hier auf Carsten Schütz (TV Wattenscheid), der dieses Jahr durch Verletzung außer Gefecht gesetzt wurde, und ein Comeback von Carsten Eich (RM Düsseldorf), der schon Zeiten von 2:10 Stunden gelaufen ist.
Das sind die Hoffnungsträger:
Hoffnungsträger der deutschen Langstrecke sind rar. Bislang ist kein Langstreckler in den Top-Team-Kader Peking 2008 aufgenommen, wenngleich zwei Medaillen bei der Europameisterschaft-U23 in Erfurt von Langstrecklern erlaufen wurden. André Pollmächer gewann über 10.000 Meter Silber und Eva-Maria Stöwer (LAV Veltins Hochsauerland) errang über dieselbe Distanz Bronze.
Zusammen mit dem Fünften der EM-U23 über 10.000 Meter, Stefan Koch (TV Wattenscheid), werden diese beiden Athleten als Hoffnungsträger der Langstreckendisziplinen gehandelt. Vor allem in André Pollmächer setzt Detlef Uhlemann hohe Erwartungen: "André kann unter Umständen schon im nächsten Jahr die Norm für die EM knacken."
"Stefan Koch sehe ich eher als Kandidaten über die Marathonstrecke", ordnet der Bundestrainer das Leistungsvermögen des Talentes ein. Eine Einschätzung, die durchaus realistisch ist, wenn man bedenkt, dass Stefan Koch in diesem Jahr in Ohrdruf den deutschen Halbmarathon-Titel errang.
Langstrecke Frauen
So stehen die DLV-Asse international:
Die deutschen Langstrecklerinnen präsentieren sich im Vergleich zu den Männern in einem besseren Licht. Aufgrund der Schwangerschaft von Irina Mikitenko (LG Eintracht Frankfurt) war Sabrina Mockenhaupt (LG Sieg) die einzige deutsche Bahn-Läuferin auf Weltniveau. Sie schaffte in diesem Jahr nicht nur bei der WM, sondern auch in der Weltjahresbestenliste und in den IAAF World-Rankings den Sprung unter die Top 20. In der europäischen Bestenliste liegt die schnelle Siegerländerin sogar auf Platz sieben über 10.000 Meter.
Auch über die Marathondistanz müssen sich die DLV-Athletinnen keineswegs verstecken. 2:26:44 Stunden bedeuten für die Braunschweigerin Luminita Zaituc nicht nur Platz eins beim Düsseldorf Marathon, sondern auch Platz 25 weltweit und zudem die sechstschnellste Zeit Europas. Auch die dreifache Köln-Marathon-Siegerin Claudia Dreher (Gänsefurther Sportbewegung) gehört mit Platz 21 in der europäischen Bestenliste und 2:29:49 Stunden vom Hamburg-Marathon zu den Schnellen ihrer Zunft.
Die Bilanz 2005:
Es spielte sich alles im Rahmen des Erwarteten ab, was den Langstreckenfreunden in dieser Saison geboten wurde. Sabrina Mockenhaupt lief mit Platz 17 bei der WM in Helsinki in 31:28,21 Minuten nur um knapp sieben Sekunden an ihrer persönlichen Bestzeit vorbei, was doch eher ein Grund zur Zufriedenheit als zum Weinen gewesen wäre. "Mocki ist bei der WM im Bereich ihrer Bestzeit geblieben, was durchaus erfreulich ist. Dass man mit einer derartigen Zeit nur 17. wird, zeigt, wie groß die Konkurrenz auf den 10.000 Meter ist", stellt auch DLV-Disziplintrainer Detlef Uhlemann ihr ein gutes Zeugnis aus.
Luminita Zaituc musste aufgrund von Trainingsrückstand, begründet durch schlechte Blutwerte nach dem Düsseldorf Marathon, ihre Teilnahme bei der WM in Helsinki absagen, konnte jedoch als Zweite des Berlin Marathon zeigen, dass sie trotz Krämpfen zu einer Spitzenleistung fähig ist. Claudia Dreher verzichtete ebenfalls auf den Marathon in Helsinki, in dem Wissen, dass sie nicht um die vorderen Plätze hätte mitlaufen können, und zog den Start beim Köln-Marathon dem Start bei der WM vor. Eine nachvollziehbare Entscheidung, wenn man bedenkt, dass man Marathon nur zweimal im Jahr bestreiten kann. "Die beiden haben in diesem Jahr gute Zeiten gebracht. Das lässt mich auf das kommende Jahr hoffen", spielt Detlef Uhlemann auf die EM in Göteborg (Schweden) an.
Die Chancen 2006:
"Die Mädels werden es bei der EM für uns richten müssen", prognostiziert Detlef Uhlemann. Auf der Bahn werden alle Hoffnungen in Sabrina Mockenhaupt und die rückkehrende Irina Mikitenko gesetzte. "Ein Platz unter den ersten Sechs sollte drin sein".
Mit Luminita Zaituc und Claudia Dreher können gleich zwei schnelle und routinierte Athletinnen im Marathonrennen eine tragende Rolle spielen. Vor allem Luminita Zaituc kündigte an, sie werde in Göteborg alles daran setzten, ihre Medaille von der EM in München zu verteidigen. "Und mit einer dritten Läuferin, wie etwa Romy Spitzmüller (LAZ Leipzig) oder Ulrike Maisch (1. LAV Rostock), sehen wir auch in der Mannschaft gar nicht schlecht aus", glaubt der Bundestrainer.
Das sind die Hoffnungsträger:
Wie Stefan Koch, sieht Detlef Uhlemann Eva-Maria Stöwer als Kandidaten über die Marathonstrecke. Durchaus verständlich, denn Eva-Maria Stöwer, die momentan an einem Ermüdungsbruch im Schienenbein laboriert, belegte ei den Deutschen Halbmarathon-Meisterschaften den zweiten Platz in der Aktiven-Klasse und siegte bei den Juniorinnen.
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