Familienbande - Die Bastians
Wie der Vater so der Sohn: Dieser Gedanke könnte bei einem ersten, flüchtigen Blick auf Vater Werner und Sohn Philipp Bastians (TV Wattenscheid 01) aufkommen: Beide können auf Erfolge in der Leichtathletik blicken, beide haben die Medizin als ihre Berufung für sich entdeckt.
Doch so groß die Entsprechungen bei Vater Werner und Sohn Philipp Bastians auf den ersten Blick sein mögen: „Das war keiner Planung unterworfen“, sagen beide. „Es ist purer Zufall, dass es diese Ähnlichkeiten gibt.“ Vater Werner Bastians ist Orthopäde mit einer Praxis in Bochum und war unter anderem Mannschaftsarzt des Fußball-Teams von Borussia Dortmund, der Sohn studiert derzeit Medizin.
Werner Bastians feierte sowohl über 60 Meter in der Halle als auch über 100 Meter zahlreiche nationale Erfolge, war lange Zeit über 4x100 Meter in der deutschen Nationalmannschaft eine Bank, nahm 1976 im kanadischen Montreal an den Olympischen Spielen teil.
Unter anderem führte er als Startläufer die deutsche Staffel 1983 im finnischen Helsinki bei den Weltmeisterschaften zu 38,56 Sekunden, die den fünften Platz und damals deutschen Rekord bedeuteten. Sohn Philipp Bastians durfte sich unlängst in Nürnberg über die Bronzemedaille über 400 Meter Hürden freuen (51,79 sec), 2006 wurde er Deutscher Juniorenmeister über dieselbe Strecke.
Der Blick auf die Uhr zählt
Titelfixiert ist der Vater nie gewesen: „Ich war leistungsorientiert“, sagt Werner Bastians über sich selbst. „Die Zeit war für mich die Herausforderung.“ Bei 10,36 Sekunden über 100 Meter steht seine Bestmarke. Doch seine große Vorliebe: die Staffel. Werner Bastians erklärt: „Das hat etwas freigesetzt, es gab kein Verstecken. Die Staffel war immer maximal gut. Man muss mehr aus sich herausholen und man gibt die zusätzlichen zehn Prozent, die eigentlich gar nicht da sind.“
Doch irgendwann stand das Studium immer mehr im Vordergrund. Von einem sportlichen Ziel musste sich Werner Bastians deshalb verabschieden: 10,00 Sekunden hatte er laufen wollen. „Das habe ich nicht geschafft. Ich habe Kompromisse eingehen müssen.“
Und die geht auch Sohn Philipp derzeit ein: Im nächsten Jahr soll an der Ruhr-Universität Bochum das 1. Staatsexamen folgen, er hat sein Grundstudium gestreckt, sonst bliebe nicht genügend Zeit zum Training. Gerne würde er an internationalen Meisterschaften teilnehmen: „Die Norm für Europameisterschaften ist machbar“, sagt er.
Fußball alleine reicht nicht
Vater und Sohn Bastians verbinden ähnliche Lebensumstände, ähnliche Entschlüsse. Doch ursprünglich schienen ganz andere Wege vorgezeichnet, schien Philipp Bastians einer Individualsportart niemals etwas abgewinnen zu können. Er spielte bis zur A-Jugend erfolgreich beim VfL Bochum, danach verschlug es ihn kurzzeitig nach England. Doch dem Sohn reichte es nicht, nur die Erfolgsleiter im Fußball zu erklimmen. Er wollte auch beruflich weiterkommen, wollte sich nicht auf eine Ballkarriere verlassen.
Ein Einzelkämpferdasein lässt sich einfach besser mit dem Medizinstudium koordinieren. Der Quereinstieg war perfekt, 2003 standen die ersten Deutschen Jugend-Meisterschaften auf dem Programm. „Ich hab tierisch eins auf die Mütze bekommen“, erinnert sich Philipp Bastians. Doch das änderte sich schnell.
Hauptsache Sport
Vater Werner Bastians hat es überhaupt nicht gestört, dass sein Sohn so lange dem Fußball verfallen war. Diesen Weg geht schließlich bis heute auch der jüngere Bruder von Philipp, Felix Bastians. Mittlerweile hat es den 19-Jährigen in die Schweiz zu BSC Young Boys Bern verschlagen. Werner Bastians vollführte auch keine Freudensprünge, als Philipp dann in Wattenscheid mit der Leichtathletik begann: „Mir hat es gereicht, dass er Sport macht“, betont Werner Bastians. Und Philipp Bastians hätten als Kind keine zehn Pferde auf die Tartanbahn bekommen: „Ich fand das stinklangweilig“, sagt er. „Leichtathletik würde ich für den Anfang niemandem empfehlen.“
In das Blickfeld des Wattenscheider Trainers Dietmar Ragsch war er schon vor vielen Jahren geraten. Der hatte ihn als Zwölfjährigen einmal überzeugt, aus dem Stand an den Kreismeisterschaften teilzunehmen. Ohne Druck, einfach nur so. „Die Spikes sahen interessant aus“, dachte sich Philipp Bastians. Er nahm teil - und wurde dreifacher Kreismeister. Doch das war es dann auch schon.
Für den Wattenscheider muss der Sport abwechslungsreich sein, deswegen könnte sich Philipp Bastians auch niemals vorstellen, „nur“ 400 Meter zu laufen. Die Hürden mussten es nach dem Ende der Fußballkarriere schon sein. Der Erfolg gibt ihm Recht, seine Bestmarke hat er auf 51,24 Sekunden geschraubt: „Mir sind gute Zeiten wichtig“, sagt der Medizinstudent.
Keine heilige Kuh
Mutter Sabine Bastians ist bei Wettkämpfen immer dabei. Sie hat schon aktiv die Karriere ihres Mannes verfolgt, jetzt ist es die der Söhne. Allgemeines Interesse für die Leichtathletik ist bei Vater Bastians da, mehr aber auch nicht: „So weit die Informationen ins Haus getragen werden, ja. Ansonsten habe ich mit meinem Beruf genug zu tun.“
Doch immer dann „wenn etwas kaputt gegangen ist“ (Werner Bastians), dann wird der Vater in seiner Rolle als Orthopäde in Anspruch genommen, dann wird auch manchmal die Liege im Wohnzimmer aufgebaut: „Da kann Philipp seinen strategischen Vorteil nutzen. Ansonsten gilt: Leichtathletik ist keine heilige Kuh, die täglich besprochen wird.“
Auch Verletzungen können sinnvoll sein
Von Verletzungen ist der Vater nicht verschont geblieben, ein Muskelabriss oder ein Achillessehnenabriss gehörten dazu. Aber auch das betrachtet Werner Bastians im nachhinein als positiv: „Über den Sport lernt man viel über Verletzungen. Das habe ich später weitergeben können.“
400 Meter oder 400 Meter Hürden wären für Werner Bastians niemals eine Option gewesen: „Das ist von den Umfängen verrückter und jenseits meiner Vorstellung.“ Und so sind sie dann doch ganz verschieden, der eine ein Sprinter, der andere ein 400-Meter-Knüppler. Der eine Orthopäde. Bei dem Sohn ist noch gar keine Entscheidung gefallen. Die Unterschiede: Es gibt sie doch, bei Vater und Sohn Bastians.