Das Geheimnis der schnellen Kenianer
Warum sind Kenianer bessere Läufer als Europäer? Dieser Frage sind zwei dänische Wissenschaftler nachgegangen. Die überraschenden Ergebnisse ihrer Studien stellten sie im November in Kopenhagen bei der dritten internationalen Medienkonferenz zur Globalisierung des Sport vor.
Heißer Diskussionsstoff - Warum sind die Kenianer so schnell? (Foto: Klaue)
In biologischen Daten hat Henrik B. Larsen vom Kopenhagener Muskel-Forschungs-Zentrum die Erklärung gesucht und dazu dänische und kenianische Jungen miteinander verglichen. Er sagte, die Erfolge der afrikanischen Läufer seien mit genetischen Faktoren, Erziehung und Training zu begründen. Außerdem führte er die bessere Laufökonomie der untersuchten kenianischen Jungen gegenüber ihren dänischen Altersgenossen als maßgeblichen Grund an. Seine Aussagen sind weniger kontrovers gewesen, berichtet die in Nairobi erscheinende Zeitung "The East African Standard". Vom Viehdieb zum schnellen Langstreckler?
Die Ergebnisse von Dirk Lund Christiansen seien dagegen heiß diskutiert worden. Er habe die Kenianer in einem bewusst provozierenden Vortrag als Viehdiebe und Nachtläufer darzustellen versucht und diese Umstände mit ihren heutigen läuferischen Fähigkeiten in Verbindung gebracht, schreibt das Blatt. "Vor der Kolonialzeit, also vor 1895, war der traditionelle Sport in Kenia das Rinderreiten. Dies ist ein exklusiver und gefährlicher Sport für junge Männer und Frauen gewesen", wird Christiansen zitiert.
Doch nicht jeder hatte ein Rind, um den Sport ausüben zu können. Deshalb war Rinderdiebstahl in Mode. Als wildeste und gefürchtetste Gruppe im Lande hätten damals die Nandi gegolten. Im Gegensatz zu allen anderen Rinderreitern seien sie Nachtläufer gewesen. Sie besaßen angeblich die Fähigkeit, in einer Nacht Strecken von bis zu 60 Kilometern zurückzulegen.
"Und weil läuferisches Können eine Grundvoraussetzung gewesen ist, um ein erfolgreicher Rinderdieb zu sein, waren die besten Läufer auch die besten Diebe", erklärte Christiansen. Weiterhin führte er aus, dass die Kolonialherren später die Leichtathletik als Ersatz für das Rinderreiten eingeführt hätten. "Das ist kein leichter Schritt gewesen, weil Rinderreiten ein sehr wichtiger Punkt der kenianischen Kultur war", berichtete der Wissenschaftler. Er schlussfolgerte, dass die Nandis den Übergang zur Leichtathletik am besten geschafft haben. Das begründe auch ihren heutigen Erfolg.
Kritik an den kenianischen Trainingscamps
Christiansen sei endlich mal ein Wissenschaftler, der "von den abgegriffenen und stereotypen Erklärungen abgewichen ist, dass die kenianische Kinder täglich 20 Kilometer zur Schule laufen müssen oder Blut und Milch trinken oder – wie jüngst eine Studie zeigte – mehr Lauf-Gene im Blut haben", schreibt der "East African Standard". Leider habe der Forscher jedoch nicht gesagt, wo er seine Studien betrieben habe, wie lange sie dauerten und warum er nur eine Erklärung für die Fähigkeiten kenianischer Läufer hat, nicht aber für die der Äthiopier und Marokkaner.
Außerdem habe er in seinem Vortrag zwischen kenianischen Athleten und dem nationalen Leichtathletik-Verband vorhandene Differenzen ins Spiel gebracht, heißt es in dem Bericht weiter. Christiansen solle in seiner "verzerrten Präsentation" versucht haben, europäische Agenten vorzustellen.
Kritik habe er an den kenianischen Trainingscamps geübt, wo aus seiner Sicht junge hoffnungsvolle Nachwuchsläufer zu hartes Training absolvieren müssen. "Wenn du dich verletzt – Pech gehabt. Es gibt genug Talente, die dich ersetzen und die Agenten reich und glücklich machen können", wird der Wissenschaftler zitiert. Die Camps seien "menschliche Fleischfabriken". "Das ist ein Beispiel für den alten Glauben, dass kenianische Athleten verzweifelte, ignorante und hungrige Menschen sind, die für alles in der Welt bereit wären, in Europa zu laufen", kommentiert die Zeitung diese Aussage.
Vorbildwirkung von Kip Keino & Co.
In die gleiche Richtung ging auch das Statement eines kenianischen Konferenzteilnehmers. Er hielt Christiansen entgegen: "Das Problem mit Pseudo-Experten, die nach Kenia kommen, zwei Wochen bleiben, heimlich ohne wissenschaftliche Basis forschen und dann nach Europa zurückkehren, um sich als Fachleute für kenianische Leichtathletik auszugeben, ist, dass sie die vielen positiven Effekte der Camps übersehen. Sie vernachlässigen das große Talent der kenianischen Athleten, die frische Luft, die Essensgewohnheiten, die meist einfache aber wertvolle Nahrung, den Siegeswillen und die Vorbildwirkung von Kip Keino, Moses Kiptanui, Paul Tergat, Moses Tanui, Lornah Kiplagat und Catherine Ndereba."