Fehlstartregel - Die Zocker zocken nicht mehr
Peng und los. Es funktioniert! Die jüngsten großen Hallen-Meetings in Karlsruhe und Düsseldorf haben es bewiesen. Die neue Regel, nach der bereits der erste Fehlstart einer Disqualifikation gleichkommt, hat bei den Sprintern keine Konfusion mehr ausgelöst, die Reaktionszeiten sind immer noch vorzüglich und die Zeiten der Besten nicht langsamer als vorher.
Nicht nur die Leichtathletik-Verantwortlichen in den Fernsehstationen werden sich über diesen ersten Trend, in Düsseldorf und Karlsruhe gab es keinen einzigen Fehlstart, freuen. Vorbei sind die Zeiten, in denen Athleten mit Absicht eine Startwiederholung verursacht haben.Frank O. Hamm, im Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) Vorsitzender des Bundesausschusses Wettkampforganisation, stellt fest: „Die neue Regel ist nicht nur für das Fernsehen. Es ist in der Gesamtheit eine Regel, die einer Veranstaltung und den Athleten zugute kommt.“
Positive Auswirkungen
Er sieht nach den ersten Beobachtungen gleich an mehreren Fronten positive Auswirkungen. Die Beteiligten würden sich stärker fokussieren, für die Zuschauer sei es insgesamt attraktiver. Auch die Athleten der technischen Disziplinen profitieren davon, notwendige Unterbrechungen ihrer Wettkämpfe sind nicht mehr so lang und nicht zuletzt ist der vorher akribisch ausgearbeitete Zeitplan eines Events bei selteneren Fehlstarts weniger gefährdet.
Frank O. Hamm sagt aber auch: „Ich kann mir vorstellen, dass Athleten noch eine mentale Blockade haben.“ Die Bremer Hürdensprinterin Carolin Nytra gibt zumindest zu: „Ich lasse mich schon ganz schön davon beeinflussen.“
Regel macht nicht langsam
Auch wenn ihre Reaktionszeiten noch lange nicht ausgereizt sind, liegt die Deutsche Meisterin persönlich auf Steigerungskurs. Beim Hallen-Länderkampf in Glasgow (Großbritannien) hatte sie noch eine Reaktionszeit von 0,213 Sekunden, beim Meeting in Düsseldorf wurde sie dann mit 0,189 bzw. 0,168 Sekunden notiert. Dabei ging sie noch spürbar auf Nummer sicher: „Ich habe momentan viel Spaß, ich will keinen Fehlstart machen.“ In 8,06 Sekunden lief sie dennoch bis auf eine Hundertstel an ihre Bestzeit heran. Die neue Regel macht also selbst eine bedachte Athletin wie sie nicht zwingend langsam.
Zwei Athleten, die bei ihren ersten Saison-Wettkämpfen im Januar gleich Opfer der neuen Fehlstartregel wurden, sind Sprinter Christian Blum (LAC Erdgas Chemnitz), der sich vom Zucken eines Kontrahenten irritieren ließ und verfrüht aus dem Block ging, und Hürdensprinter Helge Schwarzer (Hamburger SV), der seinen Gefühlen in seinem Internet-Blog freien Lauf ließ. „Ich habe wirklich ein Problem damit, dass durch diese Regelung dem Starter eine dermaßen große Verantwortung zukommt“, schrieb der WM-Teilnehmer damals.
Starter gefordert
Frank O. Hamm verdeutlicht: „Der Starter hat jetzt eine wesentlich höhere erzieherische Aufgabe.“ Um vor diesem Hintergrund weitere Aufklärung zu betreiben, gibt es jetzt ein Merkblatt für Starter, das DLV-Starterreferent Wilfried Fittko herausgegeben hat.
Dort kommt auch klar zum Ausdruck, dass „Stören und Verzögern am Start nicht mehr einem Fehlstart gleich gesetzt“ sind, das gilt auch für das „Zucken“, das nunmehr mit einer Verwarnung geahndet werden kann, wenn es „Auslöser eines Fehlstarts eines anderen Athleten“ war. Diese neue Interpretation scheint aber noch nicht bei allen Athleten und Trainern angekommen zu sein.
Zocker brauchen starke Nerven
Gezuckt wird nach wie vor, wie die Erfahrung von Christian Blum zeigt, gezockt um eines Blitzstarts wegen aber weniger. „Zocker brauchen nicht mehr zu zocken“, meint gar Frank O. Hamm. Oder anders ausgedrückt: „Gleiche Ausgangssituation für alle.“ Christian Blum wertet das ähnlich: „Ich denke, dass im Moment niemand spekuliert. Man muss schon gute Nerven haben, um jetzt noch zu zocken.“
Trotzdem gibt es bereits Athleten, die sich in diese Richtung festlegen. Die Risikobereitschaft steigt dann an, wenn es um Alles oder Nichts geht. Die Münchner Sprinterin Anja Wurm hat sich mit der neuen Fehlstartregel, die ab den Altersklassen 14/15 gilt, bereits gut arrangiert, kündigt aber an: „Bei der Hallen-DM werde ich schon mit Risiko starten, damit es vielleicht noch eine Medaille wird.“
Frank O. Hamm, der die neue Regel als „konsequent“ lobt, zweifelt jedenfalls seinerseits auch nicht daran, dass es beim nationalen Saisonhöhepunkt Ende Februar in Karlsruhe im Finale zu einer Disqualifikation kommen kann. Er vermutet allerdings: „Die Leute zocken vielleicht bewusster.“
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