Fetter Irrtum
Hat Ihnen auch schon mal ein so genannter Experte erzählt, Sie müssten mit dem „Optimalen Fettverbrennungs-Puls“ trainieren, um abzunehmen? Vergessen Sie es. Auf dem Weg zur Idealfigur ist eine Mischung aus schnelleren und langsamen Läufen besser.
Vor gut einem Jahr fand Ralf Honenegger, dass er zu dick sei. Dehalb hat er mit dem Laufen angefangen. Ganz langsam war er am Anfang unterwegs, dreimal pro Woche eine halbe Stunde. Das fiel ihm von Woche zu Woche leichter. Bloß: Die Pfunde purzelten nicht. „Dabei laufe ich doch immer ganz langsam, so dass Fett verbrannt wird“, seufzte der 41 Jahre alte Informatiker aus Duisburg. Dies hatte ihm schließlich der Trainer im Fitness-Studio geraten. Der lockere „Plauder-Trimm-Trab“ als Geheimrezept für Gewichtsreduktion durch maximalen Fettabbau – so lautete die Empfehlung des Profis.Die Mischung muss stimmen
Seit Jahren predigen viele Experten die Gewichtsreduktion durch langsames Laufen, Radfahren oder Walken – so viele, dass sich ihre Thesen als Volksglauben etabliert haben. Natürlich haben sie Recht, wenn sie Einsteigern langsames Laufen empfehlen, damit diese sich nicht überfordern. Aber der Glaube vom optimalen Abnehmen bei langsamem Tempo ist wissenschaftlich nicht haltbar. Im Gegenteil: Die richtige Mischung aus Ausdauer-, Kraft-, Beweglichkeits- und Koordinationstraining lässt im Zusammenspiel mit der optimalen Ernährung die Fettpolster am schnellsten schmilzen.
Das hat auch Ralf Honenegger erkannt: Seitdem er neben dem langsamen Joggen auch schnellere Trainingseinheiten absolviert, Krafttraining im Fitness-Studio macht und jeden Samstag zum „Spinning“ genannten Radfahren in der Halle geht, wird seine Fettschicht immer dünner und die Muskelmasse wächst. Dieses Programm absolviert er, seitdem er das Fitness-Studio gewechselt hat. Sein neuer Coach hat ihm verraten, dass es ein grundlegender Irrtum ist, zu glauben, der Gesamtfettabbau sei bei wenig intensivem Training im Herzfrequenzbereich von 120 bis 130 Schlägen pro Minute höher als im Leistungsbereich.
Absoluter Verbrauch entscheidend
Diese Erkenntnis bestätigt auch aktiv laufen-Experte Dr. Stefan Graf: „Es gibt keinen speziellen Fettverbrennungs-Puls, der maximalen Fettabbau garantiert.“ Der Fettverbrauch durch körperliches Training sei vielmehr immer das Ergebnis von Energieverbrauch pro Zeiteinheit und Trainingsdauer. „Langes und wenig intensives Training ist prinzipiell hinsichtlich des Fettabbaus weder effektiver noch ineffektiver als ein kürzeres, hoch intensives. Entscheidend ist der absolute Kalorien-Verbrauchswert“, sagt Dr. Stefan Graf. Wer mit langen, langsamen Dauerläufen seinem Fett zu Leibe rücken will, muss also besonderen Wert auf die Länge des Laufens legen. Bei langen Läufen ist der Kalorienverbrauch trotz niedrigem Tempo hoch.
Eine hohe relative Fettverbrennungsrate sagt dagegen nichts über den absoluten Umfang des Fettabbaus aus. So bezieht ein Läufer zwar prozentual umso mehr Energie aus der Verbrennung von Fett, je weniger intensiv er trainiert. Absolut ist aber sein Energieumsatz und damit auch die verbrannte Menge Fett gering. Mit höherem Lauftempo sinkt zwar der prozentuale Anteil der Fettverbrennung, während die Kohlenhydrat-Verwertung gegenläufig ansteigt. Der absolute Energieverbrauch nimmt bei schnellerem Tempo aber überproportional zu, so dass auch die absolut verbrannte Fettmenge schnell höher sein kann als beim so oft als „Fettverbrennungs-Training“ gepriesenen Läufchen im Plaudertempo.
Daraus folgt: Wer Gewicht in Form von Fett verlieren möchte, kann mit einem Training in hohen Intensitäten durchaus schneller das Ziel erreichen als durch Belastung im so genannten Fettverbrennungs-Bereich. Fürs Abnehmen zählt letztlich nur der absolute Energieverbrauch. Und der muss höher sein als die mit der Nahrung zugeführte Kalorienmenge.
Krafttraining gehört dazu
Auch Sprints lassen die Fettpolster schwinden (Fotos: Fotolia)
Ralf Honenegger läuft jetzt jeden Sonntag 90 Minuten ganz langsam. Hinzu kommen pro Woche zwei schnellere, 40 Minuten lange Läufe; außerdem absolviert er noch zweimal eine Dreiviertelstunde lang im Studio Kraft und Koordinationsübungen. Samstags macht er beim Spinning mit und wagt sich dabei auch in intensive Trainingsbereiche. Solch ein Programm ist allerdings nichts für Anfänger: Um überhaupt mit dem Ausdauersport und mit dem Abnehmen zu beginnen, ist es natürlich richtig, möglichst gemütlich zu joggen – so langsam, dass selbst Spaziergänger überholen. „Das ist der richtige Weg für Anfänger. Gerade übergewichtige Menschen mit schlechtem Trainingszustand werden so nicht überfordert“, sagt Dr. Stefan Graf.Doch fortgeschrittenen Läufern zu empfehlen, mit ausschließlich ganz langsamem Joggen das meiste Fett zu verbrennen, ist genau so falsch wie die Mär vom späten Abendessen, das sich schneller als Fettreserve auf den Hüften wiederfindet als Mahlzeiten zu anderen Zeiten. „Dieser Irrglaube lässt sich durch keine Studie belegen“, erklärt Dr. Stefan Graf. Nur wenn dem Körper in 24 Stunden mehr Energie zugeführt wird, als er durch Aktivität verbraucht, wird die überschüssige Energie als Hüftpolster aus Speck gespeichert. „Wann die Nahrungszufuhr erfolgt, ist dabei ebenso unerheblich wie die Uhrzeit der Aktivität“, klärt Dr. Stefan Graf auf.
Das weiß auch der beruflich stark belastete Informatiker Ralf Honenegger, der seine Trainingszeiten genauso flexibel gestalten muss wie die Essenszeiten. „Mal gehe ich frühmorgens zum Jogging, mal spätabends noch ins Fitnessstudio.“ Und danach isst er meistens noch, bevor er schlafen geht. „Das ist kein Problem. Seitdem ich das neue Trainingskonzept umgesetzt habe, habe ich gut zehn Kilogramm abgenommen“, sagt der 41-Jährige. Dafür hat er etwas über ein Jahr gebraucht.
Langes Nachbrennen
Sportlich aktive Menschen verbrauchen indes nicht nur bei ihren Aktivitäten mehr Energie. Sie werden auch nach dem Training mit einer gesteigerten Stoffwechselrate belohnt. Je nach Art des Trainings kann diese bis zu 48 Stunden anhalten. Studien haben bereits in den Achtziger Jahren gezeigt, dass intensives Krafttraining ein stärkeres und länger andauerndes Nachbrennen auslöst als ein extensives Ausdauertraining.
Da in der Ruhephase nach dem Sport der prozentuale Anteil der Fettverbrennung gegenüber der Kohlenhydratverwertung besonders hoch ist, kommt dem Nachbrenneffekt im Hinblick auf eine Fett- und Gewichtsreduktion erhebliche Bedeutung zu. Da spielt es überhaupt keine Rolle, dass während der intensiven Kraftbelastung - im Gegensatz zum Ausdauersport - die Energieversorgung überwiegend durch den Kohlenhydratabbau erfolgt.
Zuwachs an Muskelmasse
Zudem führt ein regelmäßiges Krafttraining zu einem Zuwachs an Muskelmasse. „Und damit ist eine dauerhafte Erhöhung des Grundumsatzes verbunden“, erklärt Dr. Stefan Graf. Muskeln haben eben auch im Ruhezustand einen deutlich höheren Energiebedarf als Fettgewebe. Diese bereits vor Jahrzehnten gewonnenen Erkenntnisse zeigen, dass Krafttraining einen guten Beitrag zur Körperfettreduktion leisten kann.
Natürlich muss auch die Ernährung stimmen. Ein Abbau von Fettdepots ist alleine durch eine negative Gesamtenergiebilanz erreichbar. Nur wer mehr Energie verbraucht, als er mit der Nahrung aufnimmt, kann Fett und Gewicht verlieren. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Energie für das Training aus Fetten oder Kohlenhydraten rekrutiert wird.
Selbst bei ausschließlich hochintensivem Training mit überwiegender Kohlenhydratnutzung wird Fett verbrannt und dauerhaft abgebaut, sofern die Kalorienaufnahme den Verbrauch nicht übersteigt. Über den Fettabbau entscheidet also nicht, ob jemand ausdauernd mit niedriger Intensität trainiert oder sich kürzer hoch intensiv belastet. Der Fettverbrennungs-Puls, der optimales Abnehmen garantieren soll, gehört zu den ganz großen Sport-Irrtümern.