Florian Orth - „Hätte ich mir nicht zugetraut“
Um mehr als drei Sekunden hat sich Florian Orth (LG Telis Finanz Regensburg) am Sonntag beim ISTAF über 1.500 Meter gesteigert. In 3:34,56 Minuten lief der EM-Elfte in die erweiterte Weltspitze. Im Interview mit leichtathletik.de spricht der 23-Jährige über seine Steigerung, seine Saison und seine Ziele.
Florian Orth hat seine Bestzeit pulverisiert (Foto: Chai) Florian Orth, herzlichen Glückwunsch zu Ihrem Rennen, mit welchen Zielen sind Sie gestartet?Florian Orth:
Ich habe mir vorgenommen, die Atmosphäre zu genießen und wollte das Beste draus machen. Es war schon nicht leicht, in dieses Rennen reinzukommen. Vorher war schon Zittern angesagt. Es gab Zweifel, ob ich in dem Feld überhaupt mithalten kann. Die Startliste hat dann aber gezeigt, dass ich gar nicht mit der langsamsten Zeit gemeldet war.
Wie ist das Rennen dann gelaufen?
Florian Orth:
Ich habe einen guten Start erwischt, konnte mich aus dem Gerangel raushalten. Über das hohe Tempo war ich erstaunt und habe gedacht: Jungs, was treibt ihr da vorne, wenn ich schon auf Kurs 3:30 renne? Ich wollte nur dranbleiben und habe gehofft, hinten raus noch etwas drauf zu haben. Ein kleiner Vorteil war, dass ich Carsten Schlangen vor mir hatte und mich an ihm orientieren konnte. Dann war es etwas gemein, zum Schluss an ihm vorbeizufliegen. Die 3:34,56 hätte ich mir nicht zugetraut, wenn man mich vorher gefragt hätte.
Wie haben Sie ihr Niveau eingeschätzt?
Florian Orth:
Ich wusste, dass ich im Bereich 3:36 laufen kann, das wäre vielleicht bei meinem Rennen in Regensburg schon möglich gewesen. Dort war allerdings das Anfangstempo verbummelt. In Bottrop wäre es mit anderen Vorzeichen auch möglich gewesen, allerdings hatte es bei der Anreise mit dem Zug Probleme gegeben. Vorausgegangen waren außerdem zwei harte EM-Rennen mit Sturz. Vor dem ISTAF hatte ich an der Uni weniger zu tun und konnte schön trainieren.
Eröffnen sich durch die Steigerung neue Perspektiven?
Florian Orth:
Bisher war ich national konkurrenzfähig, auch wenn ich an frühere Jahre denke. Als Deutscher Vizemeister oder auch Deutscher Hallenmeister kommt man nicht in große Rennen, meine Bestzeit lag bei 3:40. Da wurde ich belächelt. 3:37 und jetzt 3:34 in diesem Jahr öffnen Türen zu größeren Rennen. Nur so kann man Normen laufen und Erfahrungen sammeln, um in harten internationalen Rennen zu bestehen.
Wie haben Sie den Sturz bei der EM verdaut? Florian Orth:
Das ist der Sport. Es ist ärgerlich, dass Blut fließen musste. Die Wunden sind genäht, aber nicht schön verheilt. Immer, wenn ich auf mein Handgelenk schaue weiß ich: Das war Helsinki 2012. Ich hätte mir lieber etwas anderes mitgebracht. Zumal EM-Medaillen über 1.500 Meter in diesem Jahr so billig waren wie nie. Für mich war das Rennen aber leider 185 Meter vor dem Ziel gelaufen. Es hat aber Mut und Hoffnung gemacht, dass ich in den nächsten Jahren mitspielen kann. Mal sehen, was im nächsten Jahr mit der WM ist. Die darf ich nach der Zeit vom ISTAF als Ziel aussprechen.
Ihre Vorbereitung auf den Sommer lief nicht wie gewünscht…
Florian Orth:
Ich habe mich 2009 am Knie operieren lassen, wegen einer Schleimhautfalte. Ähnliche Symptome sind in diesem Jahr wieder aufgetreten. Nach einer MRT-Untersuchung hieß es: Es ist vielleicht wiedergekommen. Dank meines Orthopäden und Physiotherapeuten haben wir die Probleme mit Einlagen und Krafttraining zum Glück so in den Griff bekommen, dass ich weiter trainieren und in die Saison einsteigen konnte. Ich konnte mein Ziel EM verwirklichen, trotz fehlender Grundlage. Im April war ich in keinem Trainingslager. Wegen der Knieprobleme bin ich lieber zu Hause geblieben, wo die ärztliche Betreuung um die Ecke lag.
Aus Regensburg kommen viele starke Läufer immer weiter nach vorne. Woran liegt das?
Florian Orth:
Bei mir steht zwar Regensburg drauf, es ist aber nicht nur Regensburg drin. Ich starte für den Verein dort, arbeite mit einer ähnlichen Philosophie und fahre mit in die Trainingslager. Ansonsten habe ich meinen Trainer Klaus Bornmann aus Nordhessen. Ich komme aus Schwalmstadt. Für mein Zahnmedizin-Studium bin ich nach München gegangen und trainiere dort mehr oder weniger alleine.
Wären durch eine starke Trainingsgruppe noch bessere Leistungen drin?
Florian Orth:
Durch eine Zentralisierung und starke Trainingsgruppen könnte etwas bewegt werden. Es gibt Tage an denen ich denke: Jetzt wäre ich froh, wenn ich mich an einen Trainingspartner ranhängen könnte. Andererseits bin ich durch mein Studium so sehr Individualist, dass ich erst kurzfristig entscheide, wann und was genau trainiert wird. Je nachdem, wie es zeitlich passt. Für eine Zentralisierung wäre die Voraussetzung, Profi zu werden. Wenn man nebenher studiert, ist es fast Amateursport.
Würden Sie sich gerne nur auf den Sport konzentrieren?
Florian Orth:
Es gibt schon Gedanken: Was wäre wenn? Wäre Olympia drin gewesen? Anderseits kann es mit dem Sport auch ganz schnell zu Ende sein. An der Uni hat anfangs das Verständnis für den Leistungssport gefehlt. Inzwischen ist es besser anerkannt. In diesem Jahr habe ich problemlos für die EM eine Woche frei bekommen, konnte die Zeit nachholen und habe meinen Schein bekommen.
Für Mittelstreckler beginnt das Jahr immer mit der Jagd nach der Norm, was halten Sie von den bestehenden Regeln und dem Wunsch, den Läufern mehr Vertrauen entgegenzubringen?
Florian Orth:
Einerseits sind Normen wichtig, um eine Leistungsüberprüfung zu haben. Eine 3:35 drauf zu haben, ist wichtig, um bei einer WM mithalten zu können. Anderseits sagt eine Vorleistung auch nichts darüber aus, was ein Läufer taktisch kann und am Tag X drauf hat. Ich bin ein gutes Beispiel: Für die EM hatte ich nur die B-Norm und bin ins Finale gelaufen. Die Norm aus dem Vorjahr mitzunehmen, würde die Planung erleichtern. Stattdessen könnte es einen Leistungsnachweis geben. Dafür ist Vertrauen nötig, dass die Athleten ihre Leistung beim Höhepunkt bringen und ihre Kraft nicht schon vorher bei der Norm-Hatz verpulvern.
Ist die Saison für Sie vorbei und was sind die nächsten Ziele?
Florian Orth:
Ja, ich bin mit den bayrischen Staffelmeisterschaften seit Anfang Mai in Wettkämpfen unterwegs. Nach vier Monaten ist es genug, auch wenn die Zeit etwas anderes spricht. Der Ofen ist ein bisschen aus. Erst einmal reicht es. Das nächste Ziel ist die Hallen-EM in Göteborg. Bei der Cross-EM werde ich nicht laufen, weil ich nicht mehr zur U23 gehöre. Zehn Kilometer bei den Männern sind mir zu lang.