| Interview der Woche

Florian Orth: „Ich habe für den Sommer zwei gute Optionen“

Florian Orth hat innerhalb einer Woche gleich vier Deutsche Meistertitel erkämpft. Den Hallen-Erfolgen über 1.500 und 3.000 Meter konnte der 26-Jährige am Samstag in Herten den Cross-Titel auf der Männer-Mittelstrecke hinzufügen. Außerdem war er am Mannschaftssieg der LG Telis Finanz Regensburg beteiligt. Im Interview ordnet der in der elterlichen Praxis tätige Zahnmediziner die aktuellen Erfolge im Hinblick auf die anstehende EM- und Olympiasaison ein, erläutert die besondere Rolle seines Trainers Klaus Bornmann - und bricht eine Lanze für das Kasseler Auestadion.
Harald Koken

Florian Orth, welcher Ihrer vier neuen Titel hat für Sie die größte Bedeutung?

Florian Orth:

Alle Titel sind einzeln betrachtet sehr bedeutsam. Wobei ich den Titel über 3.000 Meter zuvor ja noch nie hatte. Der Titel über 1.500 Meter war etwas Besonderes, weil meine Freundin Maren [Kock] kurz vorher ja auch gewonnen hat und wir somit einen Doppelsieg einfahren konnten. Der Crosstitel war auf dieser schweren Strecke außerordentlich, obwohl ich die Mittelstrecke 2013 und 2014 auch schon gewinnen konnte. Letztendlich war aber auch der Mannschaftstitel etwas Besonderes, weil wir nicht unbedingt die haushohen Favoriten waren. Das hat dem Ganzen ein i-Tüpfelchen aufgesetzt.

Was war kräftezehrender: der Doppelauftritt von Leipzig oder das tiefe Geläuf in Herten?

Florian Orth:

Es war beides anstrengend. In Leipzig war der 1.500-Meter-Vorlauf noch locker. Der 3.000er hat schon Körner gekostet, weil ich wusste, dass ich frühzeitig etwas tun muss. Im kurzen Spurt habe ich gegen Timo [Benitz] weniger Chancen. Beim 1.500-Meter-Finale tat mir am Morgen schon alles weh. Ich dachte: Mal sehen, wie du gegen die Jungs ankommst. Die sind alle etwas frischer, die haben die 3.000 Meter nicht in den Beinen. Aber im Rennen selber habe ich davon dann wenig gemerkt, weil man da fokussiert ist und voller Adrenalin steckt. Da sagt man: Hey, du versuchst jetzt nochmal alles. Dafür habe ich dann in der Woche danach ordentlich meine Waden gemerkt. Es waren ja in der Summe doch 6.000 Meter auf einer Hallenbahn in Spikes. Das merkt der Körper auch, weil ich vorher nicht sehr häufig Spikes anhatte, weil  wir die Halle nicht explizit antrainiert hatten mit harten Tempoläufen. Viele Sachen versuche ich in flachen Turnschuhen zu machen. Das rächt sich dann manchmal an solchen Tagen, weil man die Spikes nicht so gewohnt ist. Entsprechend konnte ich in der Woche vor Herten wenig trainieren, weil es darum ging die Beine zu pflegen, dass der Muskelkater wegging. 

Was haben die Teilnahme an der Cross-EM (Platz 19) und der Start zuvor in Tilburg (Platz 7) gebracht?

Florian Orth:

Ich bin ja als Jugendlicher schon bei der Cross-EM mitgelaufen. Später fand ich die Streckenlängen zu weit von den 1.500 Metern entfernt. Jetzt habe ich aber gesagt: Die Meisterschaft ist in einem wärmeren Land. Da ist die Strecke vielleicht nicht ganz so knüppelhart und verletzungsträchtig. Ich hatte auch gehofft, dass wir eine starke Mannschaft zusammenbekommen. Dass ich am Ende alleine übrig geblieben bin, war dann halt so. Trotzdem konnte ich tolle Erfahrungen sammeln. Für den Sommer hat es vielleicht etwas gebracht, weil ich mehr Grundlagenausdauer trainiert habe. Die langen Strecken schulen die Willensstärke. Da kommt einem die Männer-Mittelstrecke wie jetzt in Herten schon kurz vor. Schade, dass es international keinen kürzeren Cross mehr gibt.

Nehmen wir die Hallen-Rennen in Düsseldorf (1.500 Meter in 3:41,59 Minuten) und Karlsruhe (3.000 Meter in 7:51,04 Minuten) hinzu. Wie fällt das Fazit dieses Winters aus?

Florian Orth:

Sehr gut. Ich war überrascht, dass ich in beide Meetings reingekommen bin. Ursprünglich hatte ich überlegt, nur bei den Deutschen Hallen-Meisterschaften zu laufen. Dann habe ich versucht in das Karlsruher Rennen zu kommen, habe gesagt: Der 3.000er schadet nicht. Die 1.500 Meter in Düsseldorf kamen dann außerplanmäßig noch hinzu. Ich habe gedacht: Okay, vom Aufbau her ist das gut. Ich bin mit gemischten Gefühlen rein gegangen, weil ich im Training kaum schnelle Sachen gemacht hatte. Ich war dann überrascht wie gut es lief, zumal meine Hallen-Bestzeiten nicht weit weg waren. Die Hallen-WM war so oder so für mich kein Thema.

Wie wird sich das Training in nächster Zeit verändern?

Florian Orth:

Unser Gedanke, die Halle aus dem Grundlagentraining heraus zu laufen, resultiert auch daher, dass wir in diesem Jahr recht früh Normen bringen müssen. Jetzt gilt es, auf schnelleres Training umzustellen und nicht wie sonst bei der klassischen Doppelperiodisierung erst einmal ganz aus dem Training rauszugehen. Das würde in diesem Jahr zu knapp werden. 

Die Devise muss also sein, die Mindestleistungen für EM und Olympia frühzeitig abzuhaken.

Florian Orth:

Für die EM bringe ich die 5.000-Meter-Norm aus dem Vorjahr mit. Es darf nur kein Deutscher schneller laufen, weil ich ja nur Dritter bin. Vielleicht muss auch vorher noch ein 5.000er gelaufen werden, um die EM-Norm zu bestätigen oder ein Leistungsnachweis über 3.000 Meter erbracht werden. Aber im Prinzip wird es zum Zeitpunkt der DM am 18. und 19. Juni auch schon eng mit den Olympia-Normen. Aller Voraussicht nach bleibt danach nur ein Wochenende, an dem man schnell rennen kann. Und in der Regel kann man nicht davon ausgehen, dass bei einer EM Olympianormen gelaufen werden. Und danach ist Meldeschluss.

Bleiben die 1.500 Meter der Schwerpunkt? Oder waren die im Mai letzten Jahres über 5.000 Meter gelaufenen 13:29,63 Minuten eine Art Fingerzeig?

Florian Orth:

Im Hinterkopf ist, bei der EM 5.000 Meter zu laufen und nach Möglichkeit in Rio 1.500 Meter. Diese Überlegung hat aber auch mit den klimatischen Bedingungen zu tun. Allerdings ist auch die 5.000-Meter-Norm für Rio in Reichweite. Sollte es über 5.000 Meter nicht laufen, ist auch ein EM-Start über 1.500 Meter denkbar. Zumindest aber habe ich zwei gute Optionen.

Die DM in Kassel könnte eine Schlüsselrolle spielen, weil Sie etwa 50 Kilometer entfernt in Treysa aufgewachsen sind und jetzt dort in der Zahnarztpraxis Ihrer Eltern Ihre Assistenz-Zeit absolvieren.

Florian Orth:

Zwar bin ich am Wochenende oft bei meiner Freundin [Maren Kock] in Lingen im Emsland. Aber unter der Woche arbeite und trainiere ich in Treysa. Die DM in Kassel ist für mich ein Heimspiel. Nach 2011 darf ich die Meisterschaften dort zum zweiten Mal erleben. Damals konnte ich hinter Carsten [Schlangen] Zweiter werden. Das Auestadion ist eines der schönsten Leichtathletik-Stadien, das wir haben. Es hat die perfekte Größe, man bekommt das Stadion voll. Da kommt eine sehr gute Stimmung auf. Nicht zu vergessen, dass durch die sehr zentrale Lage die Erreichbarkeit optimal ist. 

Wie viel Zeit in der Woche verbringen Sie in der Praxis?

Florian Orth:

An sich habe ich eine volle Stelle, aber nicht komplett mit Präsenszeiten in der Praxis. Dadurch, dass es die Praxis meiner Eltern ist, kann ich Organisatorisches und Verwaltungsaufgaben nebenher oder von zuhause aus erledigen. Ich genieße gewisse Freiheiten zum Beispiel in Bezug auf Trainingslager und Training. Aber ich versuche schon mir einen Patientenstamm aufzubauen. Als klassischer Zahnarzt arbeite ich rund 20 Stunden pro Woche.

Wie wirkt sich aus, dass Sie nach der Rückkehr aus München jetzt wieder viel unmittelbarer mit Ihrem Trainer und Patenonkel Klaus Bornmann zusammenarbeiten können?

Florian Orth:

Während meiner Studienzeit in München lief sehr viel aus der Ferne. Aber ich bin auch da oft nach Hause gependelt, damit er mich im Training sieht, sich keine Fehler einschleichen und er Rückmeldung darüber hat, ob ich locker oder doch nicht so locker drauf bin. Aber jetzt ist das wieder alles sehr viel direkter. Sei es, dass er mich bei Dauerläufen irgendwo hinfährt zu einer Strecke oder mich auch wieder abholt, im Stadion vor Ort dabei ist oder auch jetzt im Winter, als wir teilweise in Stadtallendorf in die Leichtathletikhalle ausgewichen sind. Da ist er immer dabei.

Und beim nun anstehenden Trainingslager?

Florian Orth:

Regensburgs Leichtathleten reisen wie immer nach Cervia an der italienischen Adria. Wir sind bis Ende März dort. Mein Heimtrainer wird mich begleiten und mit mir gemeinsam an der Form für die Sommersaison feilen.

Mehr:

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