| Interview der Woche

Florian Orth: "Ziel sind die 3.000 Meter"

Mittelstreckler Florian Orth steuerte mit seinem 1.500 Meter-Sieg beim Hallen-Länderkampf in Glasgow (Großbritannien) wichtige Punkte zum deutschen Triumph bei. Im Interview spricht der Regensburger über das Rennen, bei dem er auch die Hallen-EM-Norm knackte, seine Rolle als Ass und seine kommenden Aufgaben im Sport und im Studium.
Christian Fuchs

Florian Orth, herzlichen Glückwunsch zum Sieg in Glasgow. Wie haben Sie das Rennen selbst erlebt?

Florian Orth:

Ich bin mit gemischten Gefühlen reingegangen, weil man nicht genau weiß, was einen in einem Länderkampf erwartet. Vier Leute sind auch kein großes Feld. Ich war dann doch überrascht, welches Tempo der Franzose am Anfang anschlug. Da habe ich gedacht: Wenn er so schnell läuft, dann komme ich eher nicht mit. Ich habe erst einmal eine Lücke reißen lassen, weil es doch sehr, sehr schnell war. Ich wollte dahinter mein eigenes Tempo finden. Nach 600 oder 700 Metern konnte ich wieder auflaufen. Ich merkte dann auch, dass von ihm nicht mehr viel kam. Dann musste ich mir überlegen, ob ich mich dahinter hänge und dann doch auf die Taktik und ein Spurtrennen setze. Ich hatte aber auch gesehen, dass wir bis dahin so schnell unterwegs waren, dass die Norm für die Hallen-EM fallen könnte. Ich habe mir dann gesagt: Du musst doch früh die Initiative ergreifen. Ich wollte mich ohnehin nicht auf einen ganz kurzen Spurt einlassen. Ich habe dann versucht, das Tempo weiterhin hoch zu halten. Ich bin mit einem Angriff vorbeigegangen und wollte das durchlaufen. Das hat ja dann auch geklappt.

War die Hallen-EM-Norm der Grund für diesen Angriff, der das Rennen letztlich auch bereits entschieden hat?

Florian Orth:

Ja, so ein bisschen auch. Eigentlich habe ich vor, über 3.000 Meter zur Hallen-EM zu fahren. Die 1.500 Meter waren ein bisschen in den Hintergrund gerückt. Ich bin vor zwei Jahren auch schon einmal in Glasgow die 1.500 Meter gerannt, damals mit einem Kenianer im Feld auch die Hallen-EM-Norm gelaufen. Diesmal hatte ich bei den vier Leuten nicht damit gerechnet, dass zu Beginn einer so aufs Tempo drückt. Ich hatte deshalb nicht unbedingt mit der Normerfüllung gerechnet. Aber das Rennen hat sich dann anders gezeigt und so hat sich diese Chance ergeben. Ich habe mir dann gedacht: Die musst du jetzt so gut wie möglich nutzen. Ich wusste aber nicht, ob ich das Tempo durchhalte oder ob es am Ende dann doch knapp nicht reicht. Dass es dann knapp gereicht hat, war einfach sehr positiv.

Wie viel Selbstvertrauen gibt Ihnen jetzt dieses positive Erlebnis und die Erkenntnis, dass es am Ende gereicht hat?

Florian Orth:

Das ist keine schlechte Grundlage mit meinem 800er vor zwei Wochen und jetzt den 1.500 Metern, um am Samstag in Karlsruhe in den 3.000er reinzugehen. Das ist dann die doppelte Distanz und in einem internationalen Rennen bei einem größeren Feld noch einmal eine andere Hausnummer. Da heißt es dann aber einfach: Mitlaufen!

Was gab den Ausschlag hin zu den 3.000 Metern? War es die gute Zeit aus dem letzten Sommer von Rieti (7:44,65 min)?

Florian Orth:

Zum einen war es die gute Zeit aus Rieti. Ich habe mir gesagt, dass die 3.000 Meter so ein bisschen meine Strecke sein könnten. Dann war das Wintersemester wieder relativ stressig. Es ist das letzte Semester vor dem Staatsexamen. Deshalb wusste ich, dass ich wahrscheinlich eher nicht zu sehr intensiven Trainingseinheiten und einem Trainingslager komme, so dass ich relativ viel aus dem Grundlagentraining machen muss. So sind die 3.000 Meter die sinnvollere Startoption für die Hallen-EM in Prag, auch wenn die Norm vom 7:54,50 Minuten kein Selbstläufer ist.

In Glasgow waren Sie als Ass der deutschen Mannschaft an den Start gegangen. Das bedeutete doppelte Punkte. Die Britin Jessica Judd meinte nachher, sie hätte dadurch viel Druck gespürt. Ging es Ihnen ähnlich?

Florian Orth:

Ja, mir ging es ähnlich. Ich hatte ein bisschen überraschend davon erfahren. Eigentlich kannte ich diese Regelung nicht. Die ist relativ neu eingeführt worden. Am Morgen habe ich mit Robin Schembera, Martin Günther und Christina Hering am Frühstückstisch gesessen und wir haben ein bisschen gefeixt. Plötzlich sagte Robin: "Ach ja, bei dir im Rennen ist auch einer als Ass gesetzt. Das bist ja du." So hatte ich das erfahren. Wenig später hatte mir das dann auch Bundestrainer Henning von Papen mitgeteilt und mir die etwas andere Startnummer gegeben. Der Druck ist ein bisschen höher. Man wird damit als Punktegarant gesehen. Es wird etwas erwartet. Man hat natürlich seinen eigenen Anspruch, aber es ist früh in der Hallensaison und es war bei mir durch die Belastungen an der Uni nicht so einfach. Deshalb hatte ich gemischte Gefühle. Auf der einen Seite ist es eine Ehre, andererseits ist der Druck schon höher. Jetzt bin ich happy, dem gerecht geworden zu sein - genauso wie Verena Sailer ja auch.

Wie finden Sie es grundsätzlich, so eine Innovation in einen Länderkampf zu integrieren?

Florian Orth:

Es macht natürlich alles unberechenbarer. Es bringt noch einmal ein bisschen mehr Spannung rein. Es kann ein relativ ausgeglichenes Team mit zwei Top-Leuten auch noch einmal pushen. Es hat mit unseren drei Siegen innerhalb kurzer Zeit von Robin, Verena und mir den Punktestand ganz schön durcheinander gewirbelt, so dass die Idee für die Außenstehenden und die Zuschauer mit Sicherheit nicht schlecht ist. Ob das nun gerecht ist, weiß ich nicht. Die Briten haben sich geärgert. Sie hatten auf ihren Stärksten, den Hallen-Weltmeister Richard Kilty, gesetzt und er macht einen Fehlstart. So kommt so ein Ass mit null statt acht Punkten wenig zur Geltung.

Wie haben Sie die Atmosphäre in Glasgow erlebt? Was bedeutet Ihnen so ein Länderkampf-Start?

Florian Orth:

Ganz allgemein ist so ein Länderkampf immer eine tolle Erfahrung, wenn man international startet und das Nationaltrikot überzieht. In Glasgow ist es insbesondere sehr gut organisiert. Es ist ein volles Haus mit 5.000 Leuten. Die Stimmung ist immer top. Das ist sehr, sehr schön. Man stellt aber dann schon auch fest, dass man so etwas in Deutschland vermisst. Zwar haben wir auch unsere Meetings, aber Ländervergleichskämpfe doch weniger.

Sie haben den Prüfungsstress und das Staatsexamen angesprochen. Wie schwer ist es momentan, das mit dem Leistungssport in Einklang zu bringen?

Florian Orth:

Relativ schwierig. Ich muss feststellen, dass man nach einem anstrengenden Unitag und dem Training am Abend noch zum Lernen kommen und etwas in den Kopf kriegen muss. Das Semester geht jetzt noch bis Ende der Woche, es müssen noch die letzten Arbeiten fertiggestellt werden. Dann ist am Wochenende Karlsruhe und am Montag geht es direkt mit den ersten Prüfungen los - mündlich und praktisch.

Wie sehen unter diesen Vorzeichen die Ziele für die Hallensaison und in Richtung Sommer aus?

Florian Orth:

Das muss man alles vorsichtig formulieren. Ich bin jetzt positiv überrascht, dass Prag mit einer Norm bereits abgehakt ist. Mein Ziel sind aber die 3.000 Meter. Dazu kann man vielleicht mehr nach Karlsruhe sagen. Auch für den Sommer ist es schwierig zu sagen. Ich habe bis Ende März praktische Prüfungen, danach ziehen sich die Nebenfachprüfungen bis in den Juli hinein. Deshalb muss man hinter allem ein bisschen ein Fragezeichen machen. Ziel ist es natürlich schon, den Leistungssport weiterzumachen und das Niveau zu halten oder ein bisschen auszubauen, um dann wirklich für die nächsten Jahre anknüpfen zu können. Aber was speziell in diesem Jahr geht, ist ein bisschen offen. Es wäre schön, wenn der ein oder andere Höhepunkt klappen würde, aber das primäre Ziel ist die Beendigung des Studiums.

Das bedeutet aber, der Leistungssport ist noch ein paar Jahre ein Thema?

Florian Orth:

Ja, der ist schon noch ein paar Jahre ein Thema. Ich habe den Zenith noch nicht überschritten. Es kommen jetzt drei sehr interessante Jahren mit 2016, der EM in Amsterdam und Olympia, mit 2017, der WM in London, und 2018 mit der Heim-EM in Berlin. Dafür habe ich nach dem Studiumende dann Zeit.

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