| Porträt

Florian Orths Reise auf der Erfolgsspur

Zweimal die EM-Norm für Zürich (Schweiz; 12. bis 17. August) unterboten und doch noch nicht sicher bei den internationalen Meisterschaften dabei: Florian Orth hat sich mit seiner 1.500-Meter-Bestzeit in der deutschen Mittelstrecken-Blüte hinter Homiyu Tesfaye aber eine gute Ausgangsposition verschafft. Die letzten Würfel fallen bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm (25. bis 27. Juli). Für die optimale Vorbereitung ist dem Hallen-Vizemeister kein Weg zu weit.
Pamela Ruprecht

Florian Orth will seine Kniestrümpfe endlich loswerden, die seit dieser Saison genauso wie seine Sonnenbrille zu seinem unverkennbaren Outfit auf der Mittelstrecke gehören. "Die Strümpfe sind eine unterstützende Maßnahme nach einem Muskelfaserriss in der linken Wade, der sich zu Beginn des Jahres unerklärlich einschlich", erklärt Florian Orth. Die Verletzung ist der Grund dafür, dass der Deutsche Meister von 2012 über 1.500 Meter erst spät in das intensive Lauftraining gestartet ist.

Trotzdem konnte der bald 25-Jährige an alte Stärke anknüpfen und seine Bestzeit im belgischen Oordegem vor zwei Wochen auf 3:34,54 Minuten nach oben schrauben – zwar nur um zwei Hundertstel, aber viel wichtiger: "Die Zeit beweist mir selbst, dass ich es noch drauf habe." Die vorherige Bestmarke stammte aus 2012, damals überraschend gelaufen beim ISTAF in Berlin. 2013 kam er nicht unter 3:38 Minuten.

Taktik-Fuchs

Sein Trainer Klaus Bornmann hat Florian Orth, der seine Willensstärke für die Sommersaison bei Cross-Läufen trainiert, wieder in Form gebracht. Damit er für die wichtigen Meisterschaften gewappnet ist, holt Florian Orth das verpasste Schnelligkeitstraining nach. Kurze Sprints für die lange Strecke. Seine Leistungssprünge erklärt er sich so: Nach ausgestandener Wadenverletzung kam das härtere Training mit Spikes auf der Bahn langsam zur Grundlagenausdauer.

Es ist vor allem die große Rolle der Taktik, die Florian Orth beim 1.500-Meter-Lauf fasziniert. Die 800-Meter sind für Florian Orth „gefühlt Vollsprint“. Es gibt vom Start weg flotte Rennen bis hin zu langsamen Läufen mit Spurtentscheidungen. Aufgrund der Taktikbedeutung könne man auch stärker eingeschätzte Läufer schlagen. Das mache den Reiz für ihn aus und es für die Zuschauer spannend.

„Man muss immer hellwach sein. Wenn man in einem schnellen Temporennen eine Runde verbummelt, ist die Zeit am Ende weg. Genauso muss man in einem Bummelrennen aufpassen: Wenn man verpasst, wo die Post abgeht, kann man das nur schwerlich wieder aufholen.“ Das passierte ihm bei der Hallen-DM in Leipzig, als der Frankfurter Homiyu Tesfaye früher als erwartet anzog und er als Zweiter das Nachsehen hatte.

Lange Zugreisen zum Training

Abseits der Bahn studiert der Deutsche Crossmeister „in den letzten Zügen“ Zahnmedizin in München. Er kommt im Sommer in das vorletzte Semester, hat das Studium gerade nochmal „gestreckt“ und den letzten Behandlungskurs, der noch ansteht, auf den Winter geschoben. Sonst würde er gerade im Staatsexamen sitzen, „was mit meinem Ziel, EM in Zürich, überhaupt nicht zusammen passen würde“.

Im Olympiadorf von 1972 wohnt Florian Orth unter der Woche zum Studium. An den Wochenenden ist er viel unterwegs: Mit dem Zug geht es nachhause zu seinem Heimtrainer und Patenonkel Klaus Bornmann in der Nähe von Kassel und zu seiner Freundin in Lingen, die die gleiche Leidenschaft teilt. Seine Freundin ist die Läuferin Maren Kock, die ein ähnliches Konzept hat wie Florian Orth: Die Deutsche Hallenmeisterin über 3.000 Meter wohnt und trainiert zuhause im Emsland und startet auch für die LG Telis Finanz Regensburg.

„Never change a running system“

Das Heimtraining wird durch die Expertise aus Regensburg ergänzt, von Kurt Ring, „dem Vordenker und Teamchef“ wie er den Coach der Läufer bezeichnet. In Trainingslager fährt das Paar mit der Regensburger Mannschaft. „Der Verein ist ein wichtiger Bestandteil“, sagt Florian Orth. Trainingsplangestaltung und Wettkampfbetreuung obliegt aber Klaus Bornmann. Das alltägliche Training läuft für Florian Orth bei seinem Trainer in der Heimat, alleine in München (wenn sich nicht gerade eine gemeinsame Einheit mit Valentin Unterholzner ergibt) oder mit Maren Kock im Emsland.

Seit Kindesbeinen arbeitet er mit Klaus Bornmann zusammen. Das passt und funktioniert mit Telefonaten auch über die Ferne, da sie sich sehr gut kennen. Obwohl nicht immer einfach, aber umsetzbar, verfolgt Florian Orth die Philosophie: „Never change a running system.” Warum sollte er sich also in München oder Regensburg etwas Neues suchen?

So verbringt er einen Großteil seiner freien Zeit neben Leistungssport und Studium im Zug. Aber der Aufwand lohnt sich. „Der Sport gibt einem über Wettkämpfe und Trainingslager viele Glücksmomente mit sich selbst und mit dem Team zurück.“ Das Ende der Fahnenstange ist über 1.500 Meter noch nicht erreicht. „Ich denke, bei einer besseren und konzentrierten Vorbereitung ohne Verletzung ist das eine oder andere Sekündchen noch drin.“

In Zürich auf den Beinen bleiben

Das 1.500-Meter-Rennen mit all seinen Tücken hat Florian Orth bei den Europameisterschaften in Helsinki (Finnland) kennengelernt. Im Finale, eine gute Ausgangsposition inne, stürzte er etwa 150 Meter vor dem Ziel bei einer Rangelei mit dem Österreicher Andreas Voijta. Das Resultat: Platz elf und eine Wunde, die in den Stadionkatakomben genäht werden musste. Gerangel in großen Feldern und Stürze gehören in dieser Disziplin fast dazu.

Sein Motto deshalb für die EM in Zürich: „Hauptsache auf den Beinen bleiben, um das Attribut des ewig Stürzenden loszuwerden.“ Bei Erreichen des Finals sollte eine vordere Platzierung rausspringen, die Top Sechs bis Top Acht visiert Orth an. Das EM-Ticket erachtet der Student trotz seiner bisherigen Leistung keineswegs als sicher gebucht.

Starke nationale Konkurrenz

Mit seiner Bestzeit liegt er in Deutschland aktuell auf Platz zwei hinter Homiyu Tesfaye (3:31,98 min), der es fast bis zum Deutschen Rekord (3:31:58 min) geschafft hat. Die drittbeste Zeit ist Überflieger Timo Benitz (LG Farbtex Nordschwarzwald; 3:34,94 min) gerannt.

Den Vize-Europameister von 2010 Carsten Schlangen (LG Nord Berlin) sieht er mit 3:37,78 Minuten bisher in Lauerstellung. „Der Altmeister hat immer ein Ass im Ärmel.“ Am Samstag in Madrid (Spanien; 19. Juli) traut ihm Orth die EM-Norm zu. Die nationale Konkurrenz ist stark.

EM-Showdown in Ulm

Die endgültige Entscheidung um die Zürich-Startplätze fällt bei den Deutschen Meisterschaften in Ulm. Dort will sich Florian Orth so gut wie möglich präsentieren und das EM-Ticket klar machen. Alles andere sei „offen“, der Rennverlauf und auch wer die Nase im Ziel vorne hat.

„Natürlich ist Homiyu der absolute Titelfavorit, aber ohne Tempomacher wird es ein taktisches Rennen. Es kommt ganz darauf an, wer wann und wo den ersten Angriff macht, wer mitgehen und auch wer hinten raus am besten spurten kann.“ Ein ausgezeichneter Spurter ist Timo Benitz.

Bis zu den Deutschen Meisterschaften wird Orth keinen 1.500er mehr absolvieren, im belgischen Heusden geht es am Samstag (19. Juli) über 800 Meter. „Noch ein harter 1.500er könnte ein Korn zu viel Kosten.“ Kräftesparen bis zum großen Showdown um die EM-Tickets ist angesagt. In der europäischen Bestenliste liegt Florian Orth aktuell auf Position vier („Das sagt aber nichts aus, dazu sind die 1.500 Meter zu taktisch“). Ein Rang, der ihn dennoch in jedem Fall zu einem würdigen EM-Kandidaten macht, der viele Reisen auf sich nimmt, um seine Ziele zu erreichen.

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