| Interview EAA-Vizepräsident

Frank Hensel: "Veränderungen zugunsten Europas"

Es ist ein Schritt, den es so in der Geschichte des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) noch nicht gab. DLV-Generaldirektor Frank Hensel ist am vorletzten Wochenende im slowenischen Bled vom Kongress des Europaverbandes EAA zum Vize-Präsidenten gewählt worden.
Pamela Ruprecht

Frank Hensel, Gratulation zum neuen Amt des Vize-Präsidenten der EAA. Sie hatten sich in der vorherigen Legislaturperiode als Council-Mitglied und als Leiter der Education Commission etabliert. In einem Bereich, der sich mit Fragen der Entwicklung der Leichtathletik in einzelnen Ländern beschäftigt. War das ein Vorteil und haben Sie mit dem Wahlergebnis gerechnet?

Frank Hensel:

Danke für die Glückwünsche. Wahlen sind immer mit Unwägbarkeiten verbunden, aber der Zuspruch aus den 50 europäischen Mitgliedsverbänden im Vorfeld war positiv, so dass es keine zu große Überraschung für mich war. Es ist natürlich einfacher, wenn man schon bekannt ist und die geleistete Arbeit honoriert wird.

Für den DLV ist es ein Novum. In den 80er und 90er Jahren gab es als hochrangigste  Vertretung zwei deutsche Generalsekretäre mit Heiner Henze und Till Lufft. Was verspricht sich der Deutsche Leichtathletik-Verband davon?

Frank Hensel:

Ich bin nicht als Interessenvertretung für den DLV gewählt worden. Da wir aber einer der bedeutsamsten Verbände in Europa sind, ist das nicht voneinander zu trennen. In diesem Sinne sind positive Entwicklungen der europäischen Leichtathletik auch immer positive Entwicklungen für die deutsche Leichtathletik. Wir bewegen uns ja nicht auf einer isolierten Insel, sondern die Dinge greifen stark ineinander. Für den DLV bieten sich Möglichkeiten der verbesserten Mitgestaltung, auch im Hinblick auf die Europameisterschaften 2018 in Berlin.

Ein gutes Stichwort. Welche Auswirkungen hat Ihre neue Funktion auf die Heim-EM und ihre Vorbereitungen?

Frank Hensel:

Die inhaltlichen Vorbereitungen sind das eine, das andere die vertraglichen Rahmenbedingungen, die zwischen dem Europäischen Verband, dem DLV und dem Land Berlin, geschlossen sind. Bei solchen Großereignissen, das zeigt die Erfahrung, die wir bei der WM 2009 gemacht haben, gibt es immer wieder Konfliktpotential. Und ich denke, dass man aus solch einer Funktion heraus, solche Konflikte besser lösen kann.

Sie teilen sich das Amt des Vizepräsidenten mit dem Franzosen Jean Gracia und dem Bulgaren Dobrimir Karamarinow. Können Sie zum jetzigen Zeitpunkt schon etwas über die Aufgabenverteilung sagen?

Frank Hensel:

Was die einzelnen Verantwortungsbereiche betrifft, haben wir innerhalb der ersten sieben Tage noch keine Festlegung getroffen. Es wird vom 27. bis zum 29. April eine erste Klausurtagung  des „Executive Boards“ geben, also dem Präsidenten plus die drei Vizepräsidenten, in der wir uns in allen inhaltlichen und terminlichen Fragen weiter verständigen werden.

Was sagen Sie über das neue Council, ein schlagkräftiges Team für die Leichtathletik in Europa?

Frank Hensel:

Ich denke in der Gesamtheit ja. Ich kenne die Kollegen. Wir haben wirklich ein qualitativ hochwertiges Council und auch eine deutliche Verjüngung.

Das erste Treffen des EAA-Councils gab es nach den Wahlen bereits in Bled unter Vorsitz des neuen norwegischen Präsidenten Sven Arne Hansen. Die Mitglieder des Councils kommen aus 17 verschiedenen Ländern. Was wurde besprochen?

Frank Hensel:

Es ging vorrangig um Formalien und erste Terminfestlegungen. Jetzt geht es darum, möglichst schnell handlungsfähig zu werden. Wir werden am Anfang eine sehr hohe Sitzungsdichte haben. Ich denke, dass Mitte Juni  das Arbeitsprogramm für die nächsten vier Jahre verabschiedet wird.

In den letzten Jahren gab es die Entwicklung neuer Veranstaltungsformate, Team-EM und U23-EM, und Fortschritte auf wirtschaftlicher Ebene. Die wichtigsten Zukunftsthemen der Leichtathletik sind bekannt, was haben Sie auf Ihrer persönlichen Agenda?

Frank Hensel:

Die Glaubwürdigkeitsfrage des Spitzensports schlechthin. Ich denke wir müssen in der Konkurrenz zu anderen Sportarten unsere eigenen Produkte und Stärken weiterentwickeln. Meisterschafts-Systeme ist ein Stichwort. Die große Herausforderung ist zu verstehen, dass Leichtathletik innerhalb Europas und in 50 Ländern nicht das Gleiche ist. Es gibt kleine und große Länder und Länder, in denen die Leichtathletik keine Tradition hat und keine Rolle spielt. Sowohl in der öffentlichen Wahrnehmung, in der gesellschaftlichen Verankerung als auch im Schulsport.

Und was gilt für die größeren Verbände?

Frank Hensel:

Die großen fünf oder sechs Verbände, in denen Leichtathletik noch eine Bedeutung hat, die auch für den europäischen Leichtathletik-Verband wirtschaftlich von Bedeutung sind, sind zu stärken. Sie sind die großen Fernsehmärkte und damit von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung für die EAA. Insbesondere die Vergabe-Politik von Meisterschaften muss unter diesem Gesichtspunkt überdacht werden.

Nicht nur aus Europa weht neuer Wind in die Geschicke der Leichtathletik, auch die Präsidentschaftswahl des Weltverbandes IAAF steht im Sommer vor der Tür. Was erwarten Sie sich von dem Amtswechsel? Es sieht so aus, als würde ein Europäer das Amt übernehmen. Die beiden Hauptkandidaten sind Sergeij Bubka (Ukraine) und Sebastian Coe (Großbritannien).

Frank Hensel:

Es wird innerhalb der IAAF Veränderungen zugunsten Europas geben. Ein dritter Kandidat wird wohl nicht mehr eingreifen in den Kampf der beiden Heroen der Leichtathletik. Beide betreiben einen sehr aufwendigen Wahlkampf. Den Ausgang der Wahl halte ich noch für vollkommen offen

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