Frank O. Hamm - „Alles war größer“
Die Deutschen Jugend-Meisterschaften im Berliner Olympiastadion dienten am letzten Wochenende hinter den Kulissen auch als Test für die Weltmeisterschaften 2009 an gleicher Stelle. Frank O. Hamm ist der Wettkampfleiter dieser beiden Veranstaltungen. Christian Fuchs hat mit ihm im Interview über den Probelauf gesprochen und auch auf das Großereignis im nächsten Jahr vorausgeblickt.
Frank O. Hamm, die Deutschen Jugend-Meisterschaften waren in den vergangenen drei Tagen ein Test für die Weltmeisterschaften 2009 in Berlin. Wie muss man sich so etwas vorstellen?Frank O. Hamm:
Wir haben uns im Vorfeld eine ganze Reihe von Gedanken gemacht, was wir im Berliner Olympiastadion im Rahmen der Jugend-Meisterschaften testen können. Das sind die Athletenwege, die deutlich länger als üblich sind. Es sind aber auch die Abläufe in den Kampfgerichten. Wir haben im Hintergrund Funktionsbereiche gehabt, die es in der Form und in dem Umfang sonst nicht gibt. Der Platzbau war mit über 50 Leuten im Einsatz, der Kleiderdienst war mit über 50 Leuten im Einsatz. Alles war deutlich größer als bei einer normalen Meisterschaft. Wir hatten über 350 Mitarbeiter alleine in der Sporttechnik dieser Veranstaltung. Ich denke, das ist ein Rekord für eine Deutsche Meisterschaft.
Was bedeutete das konkret im und für den zeitlichen Ablauf, mit welchen Erkenntnissen?
Frank O. Hamm:
Wir haben uns im Vorfeld auch mit den Zeiten, die wir hier für verschiedene Dinge benötigen, beschäftigt. Zum Beispiel: Wie viel vorher müssen die Informationen bereitgestellt werden, damit der Aufruf diese rechtzeitig bekommt, so dass die Athleten hereingeführt werden, in den Callroom können und dann in den Innenraum, wo sie immer noch genügend Zeit für ihre Probeversuche haben. Wir haben herausgefunden: Von 32 Staffelläufern gehen zwischen dem Aufruf und dem letzten Einlass in das Stadion garantiert 25 noch einmal auf die Toilette, darauf sind die Anlagen nicht ausgerichtet, dafür muss man entsprechende Kapazitäten vorhalten. Es sind also viele, viele Kleinigkeiten, die wir erst jetzt durch einen solchen Test erkennen konnten.
Welche Rolle spielten schon die Stätten abseits des großen Olympiastadions?
Frank O. Hamm:
Wir haben den Hanns-Braun-Platz als Aufwärmplatz und den Hueppeplatz als Wurfplatz, die erst vor wenigen Wochen fertiggestellt wurden, auf ihre Funktionsfähigkeit getestet. Wir haben überlegt, ob das Raumkonzept stimmt, ob Wege überhaupt gangbar sind oder ob man irgendwo hängen bleibt. Wir haben dabei auch neue Erkenntnisse gewonnen, zum Beispiel ist die Luft im Athletenflur im Laufe der Tage schlechter geworden. Man muss sich jetzt sicher Gedanken zu einer Zusatzbelüftung machen.
Bei der Jugend-DM waren es jetzt 2.300 Teilnehmer in drei Tagen, die WM geht über fast eineinhalb Wochen. Wie gut kann man das überhaupt miteinander vergleichen?
Frank O. Hamm:
Das war natürlich ein ganz wichtiger Aspekt. Wir haben hier eine Veranstaltung durchgezogen, die ungefähr gleich viele Athleten in drei Tagen hat wie bei der WM in neun Tagen. Das heißt, der Härtetest hier hat uns gezeigt: Wenn wir das schaffen, haben wir bei der Weltmeisterschaft überhaupt kein Problem. Die Läufe waren mit den Zeitabständen viel enger als bei der Weltmeisterschaft. Das heißt, alles wurde hier härter getestet, als es dann im „realen WM-Leben“ sein wird. Das ist für uns die ganz wichtige Erkenntnis. Wir haben absolut gewollt Engpässe geschaffen, zum Beispiel beim Materialtransport im Innenraum, um zu testen, ob wir irgendwo kollidieren, etwa an unserem noralgischen Punkt, dem Marathontor, denn alle Wege führen da durch und kreuzen sich dort.
Welche WM-Tauglichkeit musste der Callroom schon unter Beweis stellen?
Frank O. Hamm:
Der Callroom war hier mit mehr Athleten belegt, als es bei der Weltmeisterschaft der Fall sein wird. Um zu sehen, passt die Größe dieses Callrooms. Es sind ja auch einige Athleten ausgewählt worden, die eine Callroomkontrolle hatten, die umfangreicher als normalerweise ist. Es wurde dort kontrolliert, wie groß ist die Werbung auf der Sporttasche oder ähnliches. Und das nur, um zu gucken, wie lange brauchen wir dafür und reicht der Platz in diesen Räumen, den wir eingerichtet haben.
Nun war bei dieser Jugend-DM generell einiges viel strikter als üblich. Wie strikt wurden diese Punkte bei den Jugendlichen gehandhabt?
Frank O. Hamm:
Die Jugendlichen haben nicht darunter gelitten. Die Jury hat keinen einzigen Fall zur Entscheidung gehabt bei dieser Meisterschaft. Das zeigt, wie gut die Kampfgerichte gearbeitet haben. Das Feedback, das wir von den Jugendlichen oder von den Vertretern der Landesverbände erhalten haben, war durchgängig positiv. Alle haben gesagt: Wir hatten viel Schlimmeres erwartet. Sie haben gesagt, es war trotz allem eine jugendgerechte Veranstaltung.
In welchen Bereichen ist es denn besser als erwartet gelaufen?
Frank O. Hamm:
Ich hatte mir im Vorfeld doch einige Sorgen gemacht, ob wir diese komplexe und schwierigste Veranstaltung der deutschen Stadion-Leichtathletik unter den Sonderbedingungen des Olympiastadions mit langen Wegen und mit einem erheblichen technischen und personellen Aufwand wirklich gestemmt bekommen. Wir hatten am Freitag kleine Anlaufschwierigkeiten, die sich dann hingezogen haben. Da sind wir vielleicht nur von Null auf Achtzig angelaufen. Der Samstag und Sonntag waren für uns aber dann nur noch Tage des Fein-Tunings.
Das Positive überwiegt offenbar. An welchen Punkten muss trotzdem noch gearbeitet werden?
Frank O. Hamm:
Zu den Punkten, an denen für die WM noch gearbeitet werden muss, gehört beispielsweise die Ausstattung der Sportstätten. Wir haben neue Geräte im Einsatz gehabt und mit den Herstellern gesprochen, was an kleinen Veränderungen noch gemacht werden muss. Es sind viele kleine Dinge, die man wie jetzt nur im Praxiseinsatz herausfinden kann. Nun haben wir noch genügend Zeit, um die Feinjustierung zu machen.
Wie wird das angegangen?
Frank O. Hamm:
Wir haben hier drei Aktenordner an Material, an Feedback gesammelt. Darin geht es um die Ausstattung, um die Wege, um die Konzepte und ähnliches. Das ist genug Material, das wir in den nächsten Wochen analysieren können, um so herauszufinden, was die kleinen Punkte sind, die wir noch verbessern können.
Diese drei Ordner wurden bei der Jugend-DM gesammelt?
Frank O. Hamm:
Ja, es sind drei Ordner mit handschriftlichen Notizen, mit ausgefüllten Formularen, die wir im Vorfeld ausgegeben hatten. Wir hatten zum Beispiel den ganzen Samstag über Athletenbegleiter im Einsatz, die nichts anderes gemacht haben, als die Athleten von der Wettkampfstätte nach draußen auf den Aufwärmplatz zu begleiten. Einfach, um zu sehen, um wie viel schneller sind die Athleten nach dem Vorlauf wieder draußen als nach dem Endlauf. Tatsächlich sind die Athleten nach dem Vorlauf noch nicht so ermüdet und schneller zurück auf dem Aufwärmplatz. Das sind für uns auch wichtige Erkenntnisse.
Welche Zeitspannen muss man sich dabei ungefähr vorstellen?
Frank O. Hamm:
Im Durchschnitt haben die Athleten nach dem Vorlauf nach sieben Minuten auf dem Hanns-Braun-Platz wieder das Tageslicht gesehen. Wir hatten mehr erwartet und mit über zehn Minuten gerechnet.
Was sind jetzt in Ihrem Aufgabenbereich die nächsten Schritte hin zur WM?
Frank O. Hamm:
Zunächst einmal wird das Olympiastadion umgebaut. Es erhält eine neue Laufbahn, die Sportstätten werden angepasst. Was die Weitsprunganlage betrifft, machen wir einen gravierenden Umbau. Aus der momentan noch vorhandenen Doppelgrube werden wir eine gestaffelte Grube machen, so dass für die Zuschauer in den Qualifikationswettbewerben eine wesentlich bessere Sicht ist. Dieser Umbau muss begleitet werden, auch wenn er im Auftrag des Senats ausgeführt wird. Das BOC wird entsprechend tätig werden.
Wie sieht der Zeitplan für die Umbauarbeiten im Detail aus?
Frank O. Hamm:
Bereits in den nächsten Tagen wird mit dem Umbau begonnen. Soweit ich weiß, hat sich Hertha BSC bereit erklärt, die ersten beiden Heimspiele der Fußball-Bundesliga auswärts auszutragen, so dass in dieser Zeit umgebaut werden kann. Nach dem Spiel Hertha gegen Liverpool an diesem Mittwoch kann die Arbeit schon mehr oder weniger beginnen.
Mit welchem Personalaufwand wird für die WM im Wettkampfbereich geplant?
Frank O. Hamm:
Wichtig ist für uns, welche der Mitarbeiter, die jetzt bei der Jugend-DM dabei waren, dann auch bei der WM im Einsatz sein werden. Wir werden die Mitarbeiteranalyse in den nächsten Tagen fortführen, weitere Lehrgangsmaßnahmen abhalten und 80 bis 90 Mitarbeiter endgültig nominiert haben. Bis November oder Dezember wollen wir alle 1.100 Mitarbeiter für die Sporttechnik berufen haben.