Fred Eberle - „Vielfältiger und kindgerechter“
Fred Eberle ist als Präsidiumsmitglied des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) für Ausbildungs- und Trainerfragen sowie für die Lehre zuständig und gilt als pädagogisches Gewissen der deutschen Leichtathletik. Er hat in den vergangenen zwei Jahrzehnten mit einem Expertenteam ein neues Wettkampfsystem für die Kinder-Leichtathletik erarbeitet. Im Interview betont er die Notwendigkeit der Neuerungen: „Es geht um die Zukunft der Leichtathletik.“

Fred Eberle:
Wenn wir die Zukunft der Leichtathletik sichern wollen, müssen wir uns um die Kinder kümmern. Bislang gab es in der Leichtathletik kein an den Kindern orientiertes Konzept vor der Pubertät. Dabei geht es auch um die Kooperation zwischen Verein und Schule, die für unsere Sportart sehr wichtig ist.
Kritiker des neuen Wettkampfsystems monieren, dass diese Änderungen nichts mit der „richtigen“ Leichtathletik zu tun haben. Was halten Sie da entgegen?
Fred Eberle:
Dieses neue System ist abwechslungsreicher und breiter angelegt als einzelne Disziplinen im Laufen, Springen und Werfen bisher. So gab es bislang im Bereich Werfen nur den Schlagballwurf. Jetzt soll es Werfen mit mehreren Geräten wie Bällen, Stäben, Heulern oder Reifen geben. Das neue System ist vielfältiger und damit kindgerechter. Kindern, die vier oder fünf Jahre bei Kreismeisterschaften oder Bundesjugendspielen immer dasselbe machen, wird es langweilig und sie verlassen die Sportart. Der Dropout im Jugendalter, den wir schon länger beobachten, ist die logische Folge. Mit dem neuen Wettkampfsystem wollen wir dieser Entwicklung entgegenwirken.
Gibt es denn erkennbare Auswirkungen dieses Ansatzes mit einer vielseitigeren Ausbildung im Kinder- und Schüleralter bei späteren Leistungssportlern?
Fred Eberle:
Speerwurf-Weltmeister Matthias de Zordo beispielsweise erhielt eine vielseitige Ausbildung: er war aktiver Handballer und durchlief in der Leichtathletik verschiedene Disziplinen wie Hoch- und Weitsprung, bevor er beim Speerwerfen erfolgreich hängen blieb. Der junge Tübinger Gregor Traber kam über das Springen [Anm.: Traber war Deutscher Jugendmeister im Dreisprung] zum Hürdensprint, wo er inzwischen Deutscher Hallenmeister wurde.
Skeptiker sagen, das neue Wettkampfsystem sei in der Umsetzung organisatorisch und personell zu aufwendig. Stimmt dies?
Fred Eberle:
Nein. Wir haben in vielen Modellveranstaltungen bundesweit getestet und dabei festgestellt, dass die Kinder in einer Stunde Wettkampf ein viel höheres Aktivitätspotenzial erreichen als bei den traditionellen Wettkämpfen, wo sie in einer Stunde manchmal lediglich drei Weitsprünge absolvieren.
In einer traditionellen Sportart wie der Leichtathletik gibt es sicher Widerstand bei solchen Neuerungen...
Fred Eberle:
Ich denke nicht, dass er groß ist. Alle Jugendvertreter der Landesverbände im DLV stehen hinter dem neuen Programm. Die Präsidenten der Landesverbände versuchen wir mit begeisterten Kindern, wie wir sie bei den Modellveranstaltungen erlebt haben, zu überzeugen. Unumstritten ist: Die Leichtathletik muss sich Gedanken machen, wie sie attraktiver wird.
Sie gelten als „Guru“ der Kinder-Leichtathletik. Wie gefällt Ihnen der Begriff?
Fred Eberle:
Das bin ich nicht. Meine Vita in der Leichtathletik zeigt, dass ich die klare Zielsetzung Leistungssport habe - aber zum entsprechenden Alterszeitpunkt. Die Leichtathletik sucht gewöhnlich den Besten. Wir versuchen mit Erlebnissen im Team bei den Kindern dafür zu sorgen, dass sie lange bei uns bleiben.
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