Friedel Schunk - „Lahti hat etwas zu bieten“
Vom 28. Juli bis 8. August finden in Lahti (Finnland) die Weltmeisterschaften der Senioren statt. leichtathletik.de sprach mit Friedel Schunk aus Achim, seit 2005 Schatzmeister der WMA (World Masters Athletics), und bat ihn um einen Ausblick auf die WM. Im vergangenen Jahr feierte der frühere Marathonläufer und Höhenbergsteiger, der lange in den USA lebte und unter anderem den Mount Mc Kinley bezwang, seinen 70. Geburtstag.
leichtathletik.de:Friedel Schunk, mit welchen Erwartungen blicken Sie auf die WM in Lahti?
Friedel Schunk:
Ich erwarte eine technisch hochklassige Veranstaltung. Das lokale Organisationskomitee (LOC) hat erfahrene Koordinatoren im Einsatz, und ich hoffe, dass ihnen eine ausreichend fachlich ausgebildete Assistentenmannschaft zu Seite stehen wird. Dafür haben die Finnen einen guten Ruf. Für die Athleten erhoffe ich mir spannende und faire Wettkämpfe und gute Bedingungen im Umfeld.
leichtathletik.de:
Mit wie vielen Teilnehmern rechnen Sie?
Friedel Schunk:
Das ist schwer zu sagen. Das LOC ist meines Wissens mit rund 5.000 Teilnehmern in ihre Planungen gegangen. Das wäre ein sehr erfreuliches Ergebnis. Aber ich denke nicht, dass die momentanen wirtschaftlichen Gegebenheiten spurlos an der Veranstaltung vorbeigehen werden. Organisatorisch ist in der frühen Phase vielleicht auch nicht alles optimal verlaufen. Die Vermarktung der Unterkünfte hätte aus meiner Sicht etwas besser abgestimmt sein können und müssen, da von vornherein klar war, dass es in Lahti selbst eng werden würde. Aber die Veranstaltung ist ja im vollen Bewusstsein dieser Kenntnisse von der Vollversammlung vergeben worden. Und da dies ein Sektor ist, den das LOC immer gerne selbst dirigiert, hat es WMA mit seinen begrenzten Einsatzmöglichkeiten manchmal ein wenig schwer, aber vielleicht auch versäumt, rechtzeitig Einfluss zu nehmen.
leichtathletik.de:
Was erwartet die Senioren-Sportler und -Sportlerinnen in Finnland?
Friedel Schunk:
Zunächst einmal ausgereifte Wettkämpfstätten, die alle nahe beieinander liegen, für die Stadion-Wettbewerbe und innerhalb der Stadt mühelos zu Fuß erreicht werden können. Sie grenzen an das Seengebiet an und lassen gleichzeitig einen Hauch der Attraktivität ahnen, die manch einer sicherlich schon im TV bei aufregenden Ski-Sprung-Wettkämpfen erleben konnte. Die Cross-Läufer sind zum Teil auf der Endstrecke des berühmten Finnlandia Skimarathons unterwegs, den auch ich schon in meiner aktiveren Zeit unter den Brettern hatte. Die Marathonläufer werden für ihre Mühen mit See-Nähe belohnt.
Mittel-Europäer haben gegenüber Athleten aus anderen Kontinenten den Vorteil, für ihre Anreise ihr eigenes Auto benutzen zu können. Das gäbe ihnen die Flexibilität, nicht in Lahti Stadt direkt beherbergt werden zu müssen und in ihren freien Stunden auch die landschaftlich nette Umgebung mit erkunden zu können. Einige Kilometer entfernt liegt zum Beispiel ein sehr bekanntes Sportleistungszentrum, Vierumäki, das herrliche Appartements für die Übernachtung anbietet, aber auch alle erdenklichen Trainingsmöglichkeiten für jede Sportart.
Die Umgebung in der Region Lahti muss für jeden anziehend sein, der unberührte Landschaft und Natur liebt, ihre Ruhe und Unberührtheit. Das LOC hat sich auch redlich bemüht, geführte kleinere und größere Ausflugsziele anzubieten. Man empfindet überall eine freundliche Atmosphäre, was dem Menschenschlag der meisten Finnen entspricht.
Und Lahti selbst hat ja auch noch etwas zu bieten. Das bekannte Symphonie-Orchester ist hier unterbracht in der Sibelius Halle, die uns für die Athleten-Party zur Verfügung stehen wird sowie für die Regionalen und Ausschuss-Sitzungen an einem der beiden Ruhetage. Die Vollversammlung findet im Fellmanni Kongreßzentrum statt, das zentral gelegen und dem Polytechnikum angeschlossen ist.
leichtathletik.de:
Weiten wir den Blick ein wenig über Lahti hinaus. Wo steht Ihrer Meinung nach derzeit die internationale Senioren-Leichtathletik?
Friedel Schunk:
Demographische Veränderungen der letzten Jahre sind eine Herausforderung für die Leichtathletik. Die nachrückenden jüngeren Altersklassen scheinen nicht mehr so besetzt wie noch vor einigen Jahren, obwohl die Qualität nicht gelitten hat. Der rückläufige Nachwuchs in der Leichtathletik wird langfristig sicherlich noch gravierende Auswirkungen haben. Gleichzeitig ist aber auch erkennbar, dass man nicht pauschal auf jedem Kontinent das gleiche Fazit ziehen kann.
WMA versucht mit den Angeboten der Weltmeisterschafts-Veranstaltungen die ganze Welt zu bedienen, das ist eine enorme geographische Fläche und nicht immer ohne Hindernisse für die Sportler sowie die Organisatoren zu überwinden. Gleichzeitig ist das aber auch der Preis für das Label Weltmeisterschaft, das wir als einzige Organisation, vom Welt-Dachverband der Leichtathletik, IAAF, legitimiert, anbieten können. Damit hebt sich WMA auch ganz erheblich von anderen Großveranstaltungen ab, die nur puren Vergnügungscharakter haben und nicht nur aus gemeinnützigen Motiven verstärkt in die Welt- und Weltteilmärkte zu drängen versuchen.
Leistungsorientierte Sportler müssen halt ihr internationales Parkett auf der Basis ihrer sportlichen Prioritäten sorgfältig auswählen, besonders, wenn wirtschaftliche Kriterien eine Rolle spielen, die ohne Zweifel besonders unterschiedlich außerhalb der europäischen und nordamerikanischen Regionen ins Kalkül fallen gegenüber denen, die wir hier in der westlichen Welt vorfinden. Es ist nicht ohne Grund, dass Europa den weitaus größten Teilnehmeranteil für die Meisterschaften stellen kann, obwohl die Standorte, die sich schwerpunktmäßig in Europa für Weltmeisterschaften herauskristallisiert haben, sicherlich keine unbedeutende Rolle spielen.
Die Teilnehmerzahlen bei den verschiedenen Weltteil-Meisterschaften sind erfreulich, wenn man die jeweils vorherrschenden wirtschaftlichen Voraussetzungen realistisch einzuschätzen vermag. Afrika erweist sich als ein Problemfall, im Seniorensport noch wesentlich gravierender als im Profisport.
Teilnehmerzahlen wie Riccione in Italien 2007 werden sicherlich nicht die Norm sein können, und sollten es auch nicht. Wir dürfen die Qualität der Weltmeisterschafts-Veranstaltung nicht aus den Augen verlieren, obwohl wir andererseits nicht nur die absolute Elite bedienen können. Letzteres würde sich ohne großzügige Hilfe von außen nicht realisieren lassen.
WMA ist bemüht, eine bessere Balance im Teilnehmervolumen zu erreichen, wenngleich dieser Teil der Veranstaltung ortsabhängig schlecht voraussehbar ist. Organisatorisch befinden wir uns in einer Umbruchsphase mit der Herausforderung, in größerem Maße direkt mit lokalen Ausrichtern und deren Finanzgaranten zu verhandeln, als das früher der Fall war und die nationalen Verbände eine führende Koordinations-Rolle gespielt haben. Das verändert die gesamte Verhandlungsstruktur und ist für einen Verband, der ehrenamtlich von einer kleinen Geschäftsführungs-Truppe geleitet wird, keine leichte Aufgabe. Die kleine Führungsriege bemüht sich unermüdlich, ein gutes Preis-/Leistungsverhältnis für Athleten zu erarbeiten, aber das gleiche Maxim gilt für den lokalen Ausrichter.
WMA sollte es längerfristig nicht unversucht lassen, Sponsoren auf sich aufmerksam zu machen, wohl wissend, dass dieser Prozess auch nicht über Nacht umsetzbar ist, und möglicherweise nicht ohne unterstützendes professionelles Engagement.
leichtathletik.de:
Welche positiven Veränderungen haben sich Ihrer Meinung nach in den letzten Jahren auf den einzelnen Kontinenten ergeben?
Friedel Schunk:
Grundsätzlich ist meines Erachtens eine große Bereitschaft auf allen Kontinenten vorhanden, die WMA Weltmeisterschaften auszurichten. Wir müssen dieses Potential richtig, das heißt geschickt vermarkten.
Ich glaube, dass die etablierten Gastländer in Europa sich nach wie vor weltweit großer Beliebtheit erfreuen. Als zentraler Anlaufpunkt ergibt sich auch kein großer finanzieller Nachteil für die meisten Athleten der anderen Kontinente aus dieser Konstellation, denn auch das Reisen in andere Kontinente ist für den Rest der Athleten nicht billiger. Dabei ist vielleicht die Frage, wer es sich eher leisten kann, die weiteren Anreisekosten besser zu verkraften.
WMA will ja unbedingt mal nach Südamerika und auch wieder nach Asien, und das wäre sicherlich auch besonders im Interesse der europäischen Vertreter, aber es ist wesentlich mühsamer, dafür die Rahmen-Voraussetzungen zu schaffen. Dabei sind die Wettkampfstätten das kleinere Problem - die sind in Fülle und Qualität ausreichend vorhanden. Und die Bereitschaft und Fähigkeit, Gast für viele tausend Besucher zu sein, ist auch das kleinere Problem. Doch eine Veranstaltung unserer Größenordnung zu vergeben und aufzunehmen, ist nicht billig.
Die Aufnahmebereitschaft, besonders in der so genannten dritten Welt, ist durchaus vorhanden, und vielleicht auch in erhöhten Maße im Vergleich zu vergangenen Jahren, aber die Vermarktung dorthin erfordert intensiveren Einsatz, der wiederum mit Mehrkosten verbunden ist.
Insgesamt gehe ich davon aus, dass die Gastgeberkontinente immer eine große Athletenzahl anziehen könnten, die auch seitens der Gastathleten anderer Regionen im angemessenen Rahmen akzeptiert und honoriert werden. Die Erfahrungsbereicherung für die Besucher schätze ich als große Attraktion für die meisten potentiellen Reisenden ein. Andererseits darf man in einem solchen Szenario die wirtschaftlichen Gegebenheiten nicht außer acht lassen. Welchen Langzeitauswirkungen wir momentan entgegensehen, ist schwer abzuschätzen. Probleme sind auch immer gute Ansatzpunkte für Lösungen.
leichtathletik.de:
Welche Entwicklungen würden Sie negativ bewerten?
Friedel Schunk:
Sorge bereitet mir die politische Polarisierung auf unserem traditionellen Hauptmarkt. Das wird den Athletenerwartungen nicht gerecht und steht der Mission unseres Verbandes entgegen. Auf diesem Sektor ist sichtbarer und nachvollziehbarer Verbesserungsbedarf angesagt.
leichtathletik.de:
Wofür wollen Sie sich in den kommenden Jahren besonders einsetzen?
Friedel Schunk:
Intern müssen sich Straffungen in der Managementstruktur von WMA vollziehen. Die Konstitution erschwert effizientes Arbeiten in einem auf die ganze Welt verteilten Kompetenzumfeld nicht unerheblich. Die Aufgabenverteilung ist ungleichmäßig und daher nicht optimal. Dem gewählten, geschäftsführenden Vorstand muss ausreichend Handlungsspielraum zugestanden werden, ohne dass seine Arbeit eingeschränkt oder durch Randinteressen abgelenkt wird.
Die Netzwerke in den weniger entwickelten Regionen können zwar von WMA unterstützend mit verbessert werden, aber weder haben wir zentral die finanziellen Ressourcen noch die personellen Kapazitäten, um mehr als anregend tätig zu werden. Diese Aufgaben müssen in erster Linie vor Ort erledigt werden. Und hier sind die Regionalvertreter besonders gefordert, ihre in den vielen Jahren ihrer Beteiligung gesammelten Erfahrungen nutzbringend vor Ort einzubringen. Das muss eine ihrer Hauptaufgaben werden.
Meine besonderen persönlichen Bemühungen werden sich darauf richten, die dem WMA Verband theoretisch zur Verfügungen stehenden weltweiten Personal-Ressourcen in erhöhtem Maße einzufordern, oder Veränderungen zu artikulieren, wenn diesem notwendigen Ziel nicht entsprochen wird. Mein persönlicher Einsatz, sofern er mir gewährt wird durch eine Wiederwahl, und meine zukünftige Bereitschaft zur Verfügbarkeit wird sogar weitgehend davon abhängen, ob sich in diesem Punkte Verbesserungen abzeichnen. Ich habe mich in den vergangenen Jahren weit über das Maß des von einem ehrenamtlich Tätigen erwartbaren Einsatzes eingebracht, und ich werde mich nur weiterhin engagieren können, wenn sich der Verband regeneriert. Die zu erledigenden Aufgaben sind meist sehr undankbar und werden eher kritisiert als anerkannt.
Als Fazit: Ich hoffe, einige meiner Reformvorstellungen noch für die anstehende Vollversammlung einbringen zu können, und messe dieser Entwicklung besondere Bedeutung bei.
leichtathletik.de:
Mit Wolfgang Ritte ist bereits zum dritten Mal ein Seniorensportler aus Deutschland als (IAAF) WMA Best Master ausgezeichnet worden. Wie beurteilen Sie die internationale Rolle der Deutschen Senioren-Leichtathletik?
Friedel Schunk:
Deutschland ist zahlenmäßig immer stark vertreten und äußerst konkurrenzfähig. Die Bedingungen für eine regelmäßige Teilnahme sind für die deutschen Athleten günstiger als für viele Athleten aus anderen Staaten. Es ist zu wünschen, dass sie auch in den Ländern anderer Erdteile bei den dortigen Weltmeisterschaften dieser traditionellen Präsenz nachkommen.
Die Wahl zum Best Masters Athleten unterliegt vorgegebenen Kriterien und geht auch über die rein sportlichen Leistungen hinaus. Letztendlich aber ist es immer ein etwas subjektives Auswahlverfahren unter verschiedenen sehr guten sportlichen Leistungen und anderen Charakteristiken. Unser Vorstand wird zahlenmäßig nicht von europäischen Vertretern dominiert, und deshalb war es besonders erfreulich, dass sich im vergangenen Jahr Wolfgang Ritte durchsetzen konnte. Ich glaube, er war ein sehr würdiger Geehrter.