Frühstart - Die etwas andere Jahresvorschau (1)
Selbst die Arbeit für ein schnell-lebiges Medium wie das Internet bedarf einiger Planung. So war es für uns zum Jahreswechsel höchste Zeit, um wie schon in den letzten Jahren die "Sportfreunde des Nostradamus" in den Tiefen des Oberpfälzer Waldes aufzustöbern und im Gekröse unserer Opfertiere herumzustochern, den Flug der Schwalben zu analysieren und schließlich Tonnen von Blei zu vergießen.
JanuarStabhochspringer Tim L. erklärt seinen Verzicht auf die Hallensaison. Leichtathletik-Deutschland rätselt: Ist er verletzt? Zu alt? Kommentiert er bei Eurosport oder wird er Profitänzer?
Hürdensprinterin Carolin N. erfüllt sich einen Lebenstraum und bringt eine eigene Aktie an die Börse. Ein deutscher Weitspringer zeichnet 51 Prozent davon.
Februar
Tim L. gibt auf Twitter seine neue Herausforderung für das Frühjahr bekannt. Er ist Kandidat bei der Premiere von „Schach den Raab“! Wenig später kehrt er aus seinem obligatorischen Wintertrainingslager in Südafrika zurück. In drei Wochen absolvierte er 13.456 Schachpartien. Der Deutsche Schachbund lehnt die Anerkennung als deutschen Rekord allerdings ab.
„Schach den Raab“: Nach fünfeinhalb Stunden voller Hirnzermarterei sind die fünf Millionen TV-Zuschauer vor den Bildschirmen eingeschlafen. Am Morgen danach: Die TV-Zuschauer schlafen immer noch und verpassen die Entscheidung. Tim L. und Stefan R. einigen sich zähneknirschend auf Remis, bei beiden war nur noch der König übrig. Tim L. nimmt in Ermangelung einer Goldmedaille seinen mit nach Hause, auch wenn er schwarz ist.
Bei der Hallen-DM bekommen die Mittel- und Langstreckler ein besonderes Angebot: Für den symbolischen Preis von einem Euro erhalten sie einen Knopf für’s Ohr, der ihnen ansagt, wie viele Runden noch zu laufen sind. Wie viele der hochmodernen Knöpfe verkauft werden, bleibt ein Geheimnis.
März
„Schach den Raab“: Tim L. kommt nach zehn schlaflosen Nächten zu einem Ergebnis: Der Sieg muss her. Er fordert Revanche, obwohl er gar nicht verloren hat. Stefan R. willigt genervt ein. Eine Fortsetzung des Formats war nicht vorgesehen.
Die deutschen Kugelstoßer verwirren mit einer neuen Taktik ihre Gegner bei der Hallen-WM. Die verzichten auf die Versuche eins bis fünf und holen dann im letzten Durchgang zum Doppelschlag aus. Gold und Silber für David S. und Ralf B.! Die irritierte Konkurrenz fordert, den Wettkampf zu wiederholen und dann vice versa mit dem sechsten Versuch zu beginnen. Der Antrag wird abgelehnt.
April
„Schach den Raab“: Matt in drei Zügen! Tim L. gelingt die Sensation und er löst damit einen wahren Schachboom aus. Er füllt die Arenen, spielt mit sechs Meter hohen Figuren im ausverkauften Olympiastadion gegen den immer noch verletzten Fußballer Alexander H. und wird vom FC Bayern München verpflichtet – natürlich auf Anordnung von Uli H.! Nach Fußball und Basketball muss der Schachboom her. Um jeden Preis.
Der US-Läufer Galen R. stellt seine neue Gesichtsmaske vor. Es handelt sich dabei um ein durchsichtiges Vollvisier, das nicht nur unerwünschte Pollen abhält, sondern vollautomatisch auch Ellbogenchecks seiner Mitläufer abwehrt.
Mai
Der DLV führt eine neue Meisterschaft ein und wird damit dem Zwillingsboom im deutschen Lauf gerecht. Lisa und Anna H. entscheiden den Piloten der neuen Titelkämpfe für sich. Nur knapp geschlagen: Elina und Diana S. Platz drei geht an Isabell und Lisa O. Jana S. und Kim-Elisa folgen auf Platz vier. Corinna H. kann Schwester Carina zwar noch einmal dazu motivieren, die Laufschuhe zu schnüren, doch der Trainingsrückstand ist zu groß: Die Oberpfälzerinnen landen trotz einer grandiosen Aufholjagd von Corinna nur auf Rang fünf.
Der französische Dreispringer Teddy T. hat seine Zwangspause genutzt. Er gewinnt als Rapper für Frankreich den „Grand Prix de Eurovision“ und stürmt die Charts.
Juni
Ein deutscher Sprinter, ein ausgewiesener Finanzexperte, hat das Vertrauen in den Euro verloren. Er will beim Saisonauftakt in Regensburg in Spikenägeln ausbezahlt werden. In unterschiedlichen Größen und nicht nummeriert. „Geht nicht gibt’s nicht“, sagt Macher Kurt R. zum 100.000. Mal. Wie gut, denkt er, dass das Meeting eine Bank als Titelsponsor hat. Der Wunsch wird dem Sprinter erfüllt. Der tritt mit einem Kofferraum voller Spikenägel die Heimfahrt an.
Apropos Regensburg! Die Gala wird wieder live übertragen. Per Web-, Satellit- und Funksignal erreicht man eine Rekord-Einschaltquote! Die von diesem Medienzuspruch überwältigten Athleten verzichten daraufhin freiwillig auf alle Start- und Preisgelder. Bis auf einen Sprinter natürlich.
Die britischen Speerwerfer gründen eine 4x100-Meter-Staffel. Der Clou: Sie laufen 15 Meter und werfen den Stab dann dem nächsten Kollegen zu. Bei der alles entscheidenden Olympia-Qualifikation in Birmingham pulverisieren sie den Weltrekord mit 16,77 Sekunden. Nach Protesten und Gegenprotesten die Entscheidung am grünen Tisch: Sie müssen noch einmal ran und die Stadionrunde laufen. Daraufhin gehen die Speerwerfer in einen Sitzstreik, der erst von einer Hundertschaft Bobbies aufgelöst werden kann.
Unser deutscher Sprinter, immer noch ein ausgewiesener Finanzexperte, hält inzwischen neunzig Prozent des weltweiten Bestands an Spikenägeln. Erst die Sportkollegen, dann die schwäbischen Landsleute und schließlich flüchten ganze Anlegermassen in die neue harte Währung Deutschlands. Der Goldpreis fällt auf ein Rekordtief. Für einen einzigen Spikenagel werden 50 Krügerrand bezahlt.
Diskuswerfer Robert H. hat zur Feier seines EM-Siegs in Helsinki ein Berlino-Kostüm mitgebracht, das er sich erst überzieht und dann medienwirksam zerfetzt. Derweil müht sich ein Bild-Reporter auf der Toilette des Medienzentrums immer noch heimlich damit ab, das DLV-Nationaltrikot zu zerreißen - ohne Erfolg.
Frühstart - Die etwas andere Jahresvorschau (2)