Für Robin Schembera ist alles möglich
Robin Schembera gehört zu den 17 Gesichtern der WM, die am Montag in Berlin vorgestellt wurden, und ist gemeinsam mit dem Zweibrücker Stabhochspringer Raphael Holzdeppe (19) das jüngste unter ihnen. Der 20-Jährige war im vergangenen Jahr der beste 800 Meter-Läufer in Deutschland.
Damit fügt sich der Leverkusener ein in das Bild der jungen Leistungsträger, die in diesem Jahr bislang nicht nur bei den nationalen Höhepunkten in der Halle überraschten, sondern auch mit ungewohnt schwerem Gepäck auf dem Rückweg von den Hallen-Europameisterschaften in Turin (Italien) empfangen wurden.Sie haben dafür gesorgt, dass ganz Deutschland, in Vorfreude auf weitere Erfolge eigener Athleten, der Weltmeisterschaft in der Hauptstadt entgegenfiebern darf.
Frischer Wind
„Ein frischer Wind hat Einzug gehalten!“ Damit verwies der Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), Dr. Clemens Prokop, bei der Vorstellung der Sympathieträger im Roten Rathaus auf die jungen Persönlichkeiten, die nun gemeinsam mit den Erfahrenen als schlagkräftiges Team für Berlin die Vorfreude auf den leichtathletischen Jahreshöhepunkt der ganzen Welt in Deutschland verbreiten sollen.
Der 8,71 Meter-Satz des Bremers Sebastian Bayer, der noch keine 24 Stunden zurück lag, stand zunächst im Mittelpunkt. Dem Europameister schien seine neue Rolle als Rekordhalter zu gefallen. Noch immer total überwältigt, hatte er mit seinem perfekten Sprung alle anderen Athleten in gute Stimmung versetzt. Im Hinblick auf die Weltmeisterschaften gilt es nun, diese Stimmung im ganzen Land zu verbreiten.
WM ist Impuls
Als Präsident des WM-Organisationskomitees führte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit vor Augen, welche mit der Austragung verbundene Verantwortung zu erfüllen sei. „Wir müssen auch mit dieser Weltmeisterschaft klar machen, dass die Leichtathletik in Deutschland eine gute Zukunft hat - auch für internationale Wettkämpfe, auch für internationale Meetings. Da ist auch die Weltmeisterschaft mit ein Impuls.“
Stichwort Impuls: „Wolfram ist saustark gelaufen“, kommentierte Robin Schembera die Leistung des deutschen 1.500 Meter-Läufers aus Pirna, der in Turin ganz knapp an Bronze vorbeigelaufen war. Selbst hätte er dort sein Talent über 800 Meter auch gerne unter Beweis gestellt. „Das war schade, bei den Europameisterschaften hätte man gut mal ’ne Medaille holen können.“
Nur Zuschauer in Leipzig
Doch schon die Deutschen Hallen-Meisterschaften fielen für ihn aus, nachdem der Leverkusener im Winter, von einer schweren Erkältung geplagt, die Hallensaison abbrechen musste. Viel lieber hätte er natürlich auch für eine Überraschung in Leipzig gesorgt.
Als Zuschauer in der Arena konnte Robin Schembera seinen Hallenmeistertitel nicht verteidigen und verfolgte, wie im 800 Meter-Finale der Erfurter Sebastian Keiner, auf sich allein gestellt, einen erfolgreichen Soloritt zeigte. „Wären René Bauschinger und ich gesund gewesen und hätten wir zu dritt an den Start gehen können, dann hätten wir echt ein Riesending abgefackelt.“
Willi Wülbeck traut Robin Schembera viel zu
Neben den aktiven Aushängeschildern für die WM wurden auch einige der erfolgreichsten Leichtathleten vergangener Jahre eingeladen, um mit ihrem Rat dem Nachwuchs zur Seite zu stehen.
Willi Wülbeck wurde 1983 in Helsinki (Finnland) erster Weltmeister über 800 Meter und ist bis heute unangefochtener deutscher Rekordhalter mit 1:43,65 Minuten. Auf das Talent, das es ihm gleich machen könnte, wartet er noch, dem 34 Jahre jüngeren Robin Schembera und anderen traut er viel zu.
Im Rückblick auf die letzten Jahre merkt er an: „Es sind alle gut, man kann es ja nicht leugnen, wenn 1:45 oder 1:44 Minuten gelaufen werden, ist das nun mal Weltklasse. Was nur gefehlt hat, ist die Umsetzung bei internationalen Meisterschaften im Moment. Was mich irritiert, ist halt die Erkenntnis, dass wir in den Juniorenklassen recht gut sind: Es gibt Europameister, Weltmeister, Vize-Weltmeister, die dann aber im Erwachsenenbereich auf Umsetzung warten.“
Der Rolle bewusst
Selbstbewusst sieht der U23-Europameister Robin Schembera seiner Zielstellung entgegen: „Ich bin wieder gesund und topfit für den Einstieg in die Freiluft-Saison. Gerade weil ich es letztes Jahr nicht geschafft hatte, mich für Olympia zu qualifizieren, was sehr traurig war, habe ich dieses Jahr einiges gut zu machen und versuche der Rolle gerecht zu werden.“
Genauso wie im letzten Jahr, als sie mehrere Trainingseinheiten am Wochenende gemeinsam absolvierten, möchte Robin Schembera wieder gerne mit Sebastian Keiner zusammenarbeiten, um aus einer gesunden Konkurrenzsituation zu profitieren. „Alleine bringt das nichts, ich trainiere nur mit Mädels, das ist ein bisschen blöd, wenn man Dauer- oder Tempoläufe macht und man muss ihnen Vorsprung lassen und dann hinterher rennen.“
Auch mal Spaß am Training
Lange Dauerläufe mag der Schüler eines Sportgymnasiums überhaupt nicht und so manche Ausdauereinheit wurde in vergangenen Jahren schon mal geschwänzt. Doch diese Zeiten sind lange vorbei und inzwischen holt sich der Athlet von Adi Zaar auch fachliche Hilfe von einem Psychologen. „Bei mir ist es eher das psychische Problem, dass ich keine Lust habe zu laufen. Das haben wir versucht in den Griff zu kriegen und es geht schon besser. Jetzt habe ich auch ab und zu mal Spaß am Training.“
Der Sunnyboy folgt in seiner Gelassenheit dem Sprichwort „gute Läufer werden auf der Couch gemacht“. Er wird als echter Wettkampftyp erst richtig heiß, wenn das Adrenalin in die Adern fließt.
Wenn das ganze Stadion ausflippt…
Der deutsche Hallen-Rekordhalter über 800 Meter (1:44,88 min), Nico Motchebon, kennt das Gefühl von der WM 1993 in Stuttgart, als das ganze Stadion hinter ihm stand, und würde sofort wieder die Nationalfarben anziehen, um auf der blauen Bahn vor der Kulisse des Berliner Olympiastadions mit 70.000 jubelnden Fans laufen zu dürfen.
Dass das Erlebnis, im eigenen Land bei Weltmeisterschaften zu starten, genug Motivation hervorruft, versichert der Berliner, für den auch das Wichtigste am ganzen Sport immer der Wettkampf war.
„Es gab in Stuttgart eine Situation kurz vorm Semifinale, da kam es zu einer Verzögerung und es entstanden ein oder zwei Minuten Pause. Ich setzte mich auf den Startblock bzw. diese Nummer, blickte hoch und sah mich riesengroß auf der Leinwand. Das Stadion flippte aus. Ich glaube, so etwas kann einem wirklich nur im eigenen Land passieren. Und ich wünsche jedem Athleten, der am Start ist, dass er ein ähnliches Erlebnis hat, dass er merkt, dass das eigene Publikum so hinter einem steht. Das befügelt zu extrem guten Leistungen.“
Die Vision
Vor wichtigen Wettkämpfen geht Robin Schembera den ganzen Rennablauf vom Startschuss bis ins Ziel in Gedanken durch, damit er die Konzentration bewahrt. „Dann nehme ich mir meine 1:50 oder so, stelle mir den Lauf vor, gehe meine Taktiken durch und stoppe dann mit. Dann passt das auch meist. Bei der WM möchte ich natürlich auch dann den Afrikanern ein bisschen einheizen, möglich ist alles“, sagt er bestimmt und respektlos.
Dafür wird er fleißig trainieren, jeden Tag, und gleichzeitig mithelfen, einen Wunsch von Klaus Wowereit zu erfüllen, der sagt: „Es muss ein Wunder geschehen, dass die Deutschen wieder ihre Liebe zur Leichtathletik finden.“ Auch dieser Gedanke könnte verwirklicht werden, wenn sich die Deutschen, Athleten wie Fans, weiterhin begeistern lassen und den Slogan „Have a good time!“ weitertragen werden.