Gabi Wolfarth schleudert sich in die Spitze
Im Leben von Gabi Wolfarth hat sich in den vergangenen Monaten viel verändert: Neuer Wohnort, neue Schule, neuer Trainer, neue Trainingsgruppe. Ihre sportliche Leistung hat das jedoch nicht beeinträchtigt. Bei den Halleschen Werfertagen steigerte die 18-Jährige ihre bisherige Bestleistung im Hammerwurf jüngst auf 62,26 Meter und ist damit für die U20-WM in Bydgoszcz (Polen) heiße Anwärterin auf einen Platz im Endkampf.
Doch zurück zum Anfang: Knapp vier Jahre ist es her, dass die damals 15-Jährige zum ersten Mal einen Hammer in der Hand hatte. In ihrer ersten kompletten Saison verbesserte sie den baden-württembergischen B-Jugend-Rekord auf 48,62 Meter, und auch in den folgenden Jahren konnte sie sich kontinuierlich steigern.Vor noch nicht ganz einem Jahr erlebte sie schließlich mit dem Gewinn der Deutschen A-Jugend-Meisterschaft den bisherigen Höhepunkt ihrer noch jungen Karriere: „Vorher war ich ja schon mal Zweite oder Dritte, da wusste ich, dass ich in der Spitze mit dabei bin. Aber da hatte ich dann auch endlich mal den Titel.“
Zu Ende, bevor es richtig begonnen hat? Dass es in Ulm so gut für sie lief, war alles andere als selbstverständlich. Vorausgegangen waren Wochen der Unsicherheit, denn im Württembergischen Leichtathletik-Verband (WLV) war unklar, ob ihr Trainer Lutz Klemm, dessen Vertrag auslief, weiterhin eine Trainerstelle erhalten würde. Ohne ihn schien ihre sportliche Perspektive unklar.
Bei Lutz Klemm hatte Gabi Wolfarth mit dem Hammerwurf begonnen. Zweimal in der Woche trainierte sie bei ihm im Stützpunkt in Mannheim, zwei Stunden Fahrtzeit entfernt vom heimatlichen Niedernhall. „Ich hatte ja noch keinen Führerschein, sodass mein Vater mich immer fahren musste. Er ist selbständig und hat es sich so eingerichtet, dass ich zum Training konnte.“
Zu Hause alle Zelte abgebrochen Da die Entscheidung des WLV über die Vergabe der Trainerstelle nicht zeitnah zu erwarten war, sondern erst nach den Deutschen Jugend-Meisterschaften in Ulm verkündet wurde, entschloss sich die junge Hammerwerferin schließlich, von der Unterländer LG/TSV Niedernhall zur LG Eintracht Frankfurt zu wechseln. Die Zeit drängte, denn sie musste sich zum neuen Schuljahr auch für eine neue Schule anmelden. Seit August 2007 besucht sie nun die 11. Klasse des Carl-von-Weinberg Gymnasiums in Frankfurt, das eng mit dem hessischen Olympiastützpunkt zusammenarbeitet, und lebt dort im Internat.
„Die Umstellung war schon groß, weil ich ja aus meinem gewohnten Umfeld raus musste und somit jetzt auch eine Menge meiner Freunde nicht mehr oder nicht mehr so oft sehe. Auch das Großstadtleben ist neu, ich komme ja vom Land“, erzählt sie ein wenig wehmütig. Rückgängig machen will sie die Entscheidung jedoch auf keinen Fall. Schließlich genießt sie im Sportgymnasium und in ihrem neuen Verein jetzt optimale Trainingsbedingungen.
Training mit der Weltmeisterin Bei der LG Eintracht Frankfurt hat Gabi Wolfarth in Michael Deyhle einen Trainer, der mit Karsten Kobs und Betty Heidler bereits zwei Hammerwerfer zum Weltmeistertitel geführt hat. Betty Heidler ist ebenso wie die WM-Fünfte Kathrin Klaas Mitglied ihrer neuen Trainingsgruppe.
„Es ist sehr schön, mit so vielen erfahrenen Athleten zusammenzuarbeiten. In der alten Trainingsgruppe in Mannheim war ich die einzige Hammerwerferin. In Frankfurt geben die erfahreneren Werferinnen dann auch mal Tipps, sagen ‚Mach es mal so, probier es mal so, stell dich mal so hin, bei mir klappt das auch besser.’“ Die Erfolge der Vereinskameradinnen spornen auch den eigenen Ehrgeiz an: „Das ist schon ein Anreiz, wenn man sieht, was die schon erreicht haben und was vielleicht bei einem selbst auch noch möglich ist.“
Nationale Konkurrenz holt auf Dass die Zusammenarbeit erste Früchte trägt, zeigen die Wettkampfergebnisse der letzten Wochen. Bei der Jugend-Winterwurf-DM im Februar siegte die Neu-Frankfurterin mit persönlicher Bestleistung von 60,90 Meter. Diese Weite lag bereits über der Norm für die Junioren-WM in Bydgoszcz (57,00 m), der Normzeitraum begann allerdings erst im April.
Mit Carolin Paesler (VfB Germania Halberstadt) und Mareike Nannen (SV Holtland) schoben sich zwischenzeitlich zwei Werferinnen im Rennen um die WM-Plätze an Gabi Wolfarth vorbei, denn beide übertrafen die geforderte Weite im Normzeitraum. Den nationalen Wettstreit bewertet die Deutsche Jugendmeisterin positiv: „Es ist gut zu sehen, dass die Konkurrenz da ist, im Gegensatz zu den letzten Wettkämpfen, gerade bei den Deutschen Meisterschaften, als es fünf Meter Abstand gab. Jetzt muss ich wieder nachlegen und kontern.“
In Halle die Junioren-WM-Norm geknackt Und das tat sie bei den Halleschen Werfertagen. Mit drei Würfen über 60 Meter und neuer persönlicher Bestleistung von 62,26 Metern gewann sie den Wettbewerb der A-Jugend. Am Tag darauf startete sie auch bei den Juniorinnen und belegte mit drei weiteren Würfen über die 60-Meter-Marke den zweiten Platz, womit sie einmal mehr ihr großes Talent bewies.
„Das war noch nicht das Ende der Fahnenstange“, sagt ihr Trainer Michael Deyhle über diese Leistung und bezeichnet die Weite seines neuen Schützlings zurückhaltend als „recht ordentlich“. Er schätzt, dass in dieser Saison noch ein, zwei Meter mehr drin sind, wenn Gabi Wolfarth die Leistungen des Trainings abrufen kann. Und mit einer Weite von 65 Metern sei der Endkampf bei der Junioren-WM möglich. „Was dann kommt, ist auch abhängig von der Tagesform der anderen Athletinnen.“
Stipendium für die ReiseBank Akademie Auch abseits des Platzes feilt die Gymnasiastin an ihrer Sportkarriere. Sie hat einen der acht begehrten Plätze in der ReiseBank Akademie ergattert, in der talentierte Nachwuchsathleten an einem Persönlichkeitsförderprogramm teilnehmen dürfen. „Ich hatte schon vorher von einigen ehemaligen Stipendiaten gehört, die das richtig gut fanden, und auch mein Trainer und meine Eltern haben mich darin unterstützt, mich zu bewerben.“
Der erste von insgesamt sechs Workshops liegt bereits hinter ihr. „Es begann mit einem Einführungsworkshop über drei Tage. Die Ausbildenden haben uns viele Tipps gegeben und uns einfach mal total unvorbereitet in eine Interviewsituation gesteckt. Das bekommt man ja normalerweise nicht, und die gemeinsame Auswertung war sehr hilfreich.“
Wenn sie ihr großes Saisonziel, die Endkampfteilnahme bei der Junioren-WM, erreicht, wird sie sicher ausreichend Gelegenheit bekommen, ihr neues Wissen in Interviewterminen anzuwenden.