Gedenklauf der Bundeswehr-Ehrengarde
Für die Berliner Laufszene ist der Volkspark Rehberge ein beliebtes Langstreckenrevier. Seit vielen Jahren nutzen auch die Soldaten der angrenzenden Julius-Leber-Kaserne das Naherholungsidyll für ihre sportlichen Aktivitäten. Am vergangenen Freitag erinnerte das Wachbataillon beim Bundesministerium der Verteidigung mit einem Gedenklauf an Erwin Barth – den Schöpfer der Parkanlage.
Das hätte sich der einstige Stadtgartendirektor von Gross-Berlin, Erwin Barth (1880 bis 1933), sicherlich in seinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt: Zur Würdigung seiner Verdienste bei der Garten- und Landschaftsgestaltung im Berlin der Zwanziger Jahre, ließ der Kommandeur des Wachbataillons beim Bundesministerium der Verteidigung, Oberstleutnant Frank Schuster, gleich 1.000 Soldaten „stramm stehen“.Ein außergewöhnliches Antreten, denn bei offiziellen Anlässen, bei denen Deutschlands Gardesoldaten exakt und schneidig ihre Repräsentationsaufgaben wahrnehmen, stellt das Wachbataillon maximal eine Ehrenkompanie, also gut 100 Mann, wenn protokollarisch höchste militärische Ehren gefragt sind.
Semper Talis
Im „Fall Erich Barth“ fand der Appell allerdings nicht in blitzblank gewienerten Stiefeln, präzise sitzender Uniform mit ledernem Weißzeug und dem legendären deutschen Karabiner 98 k statt. Stattdessen befahl Kommandeur Frank Schuster als „Anzugsart“ das dunkelbau-hellblau gemusterten Bundeswehr-Trainingsdress. Aus gutem Grund: Das Bataillonsantreten zu Ehren von Erwin Barth war schließlich auch der Auftakt zu einen 10.000 Meter-Langstreckenlauf.
„Als Soldaten des Wachbataillons stehen wir national wie international im Fokus der Öffentlichkeit. Wenn wir als militärische Ehrenformation die Bundesrepublik Deutschland nach außen vertreten, ist neben akkuratem Protokolldienst auch ein vitales Erscheinungsbild unserer Soldaten unabdingbar“, erklärte Frank Schuster. Und so kennt die Öffentlichkeit die Protokollsoldaten des Wachbataillons aus dem Fernsehen: stets in gespannter Körperhaltung, mit festem Blick in schnurgerader Soldatenfront aufgereiht - ganz gemäß dem universellen Wahlspruch des Vorzeigeverbandes: „Semper Talis“ – Immer gleich gut!
Doch hinter der formenstrengen Perfektion der Männer, die keinen Bart, keine Brille und keinen Bauch kennen, verbirgt sich harter Exerzier-Drill. Nur so können die jährlich rund 1.000 protokollarischen Einsätze wie am Schnürchen ablaufen, sagt Frank Schuster. Da habe der Sport - auch als Ausgleich zum drillmäßigen Einüben militärisch perfekter Chorografien - eine zentrale Bedeutung, erklärt der 45 Jahre alte Stabsoffizier weiter. So gehöre neben allgemeiner Körperertüchtigung und „Military Fitness“, auch ein dreimaliges wöchentliches Lauftraining zum Repertoire der Gardesoldaten.
„Erwin-Barth-Lauf“ – Eine Initiative des Kommandeurs
Und dies führen „Schusters Ehrengardisten“, ebenso, wie die regelmäßigen 30-Kilometer-Gepäckmärsche, grundsätzlich im Volkspark Rehberge durch. Gewissermaßen als „ziviler-militärischer Standortübungsplatz“ hat sich die attraktive Naherholungsanlage in den letzten Jahren für die insgesamt 3.000 Soldaten des angrenzenden Standortkommandos Berlin, stationiert in der Julius-Leber-Kaserne, etabliert.
Denn wenn die Gardesoldaten, die sich in der Tradition des „Königlich Preußischen Ersten Garde-Regiments zu Fuß“ verstehen, per pedes ihre Laufkilometer abspulen, mischen sich oft „zivile Langstreckler“ unter die Militärs. „Da trägt die Leichtathletik quasi per Laufrhythmus zur Verbundenheit zwischen Truppe und Bevölkerung bei“, bemerkt der passionierte Freizeit-Marathonläufer Frank Schuster.
Soziales Engagement für die Gemeinschaft
So kam ihm im letzten Jahr auch die Idee, als Höhepunkt für das läuferische Engagement seiner Soldaten, einen Bataillonslauf zu veranstalten. Der sollte natürlich durch die Rehberge führen. „Bei der Recherche zum stadthistorischen Background des Volksparks bin ich auf die Geschichte von Erwin Barth gestoßen“, erzählt Frank Schuster. Und da der Bataillonsevent Volkslaufcharakter haben und die enge Bindung zu den Bürgern der deutschen Hauptstadt verdeutlichen sollte, lag der Name „Erwin-Barth-Lauf“ für ihn auf der Hand.
Dies dürfte auch ganz im Sinne des schöpferischen Garten-Architekten sein: Was Barth, einer der wichtigsten Vertreter der modernen Volksparkbewegung im Deutschen Reich, bereits zu Lebzeiten auszeichnete, war sein soziales Engagement für die Gemeinschaft. So stand die Schaffung von schmucken wie funktionalen Stadtlandschaften für Sport und Erholung, vor allem für die weniger Betuchten der Reichshauptstadt, immer im Mittelpunkt seines Wirkens.
Kein Zuckerschlecken
Entsprechend des barthschen Ideals, ging es für die 1.000 „Wachbatailloner“, militärisch präzise, um „Null Neunhundert“ – was auf gut deutsch neun Uhr bedeutet – auf die Piste. Erst eine Asphaltschleife durch die „Julika“, so wird die Julius-Leber-Kaserne schon fast liebevoll im Bundeswehr-Jargon genannt, dann über Stock und Stein in die Rehberge. Mal über flache Passagen, dann durch scharfe Spitzkehren und im kraftraubenden Wechsel bergauf und bergab, so hatte Streckenwart Oberleutnant Randolf-Marc Richter den abwechslungsreichen Zick-Zack-Kurs ausgetüftelt. „Damit die Kameraden ordentlich ins Schwitzen kommen.“
Kein Zuckerschlecken also, wobei die Wetterlage die uniformierten Ausdauersportler noch mit strömendem Dauerregen traktierte. Für zwei, die beiden Führenden, Obergefreiter Carlo Brömel und Oberleutnant zur See Stephan Schepe, die schon nach der Kasernenrunde weit dem Verfolgerfeld entrückten, war der Parcours durch Matsch und Dreck in ein echtes „Crosslaufduell“.
„1.000 am Start, 1.000 im Ziel“
Nach 38:01 Minuten siegte Leichtathlet Carlo Brömel mit vier Sekunden Vorsprung vor dem Triathleten Stephan Schepe. „Für mich war der Erwin-Barth-Lauf ein prima Trainingswettkampf“, sagte das 19 Jahre alte Langstreckentalent aus Erfurt, das vor zwei Jahren mit einer 10.000 Meter-Bestzeit von 32:36 Minuten glänzte und auch über die 3.000 Meter-Hindernisstrecke bereits beachtliche 9:24 Minuten erzielt hat.
Auch wenn die Masse des Hauptfeldes erst wesentlich später das Ziel erreichte, stellte Leichtathletik-Fan Frank Schuster am Ende des Erwin-Barth-Laufs erfreut fest: „1.000 am Start, 1.000 im Ziel.“ Ganz nach der Devise des Wachbataillons: „Semper Talis“ - Immer gleich gut!