Gemeinsam statt einsam laufen
Sie sind es leid, immer allein zu laufen? Sie tun sich schwer, nach einem anstrengenden Arbeitstag den inneren Schweinehund zu überwinden, um noch eine Runde im Park zu drehen? Für neue Motivation könnte ein Lauftreff sorgen. Und eine umfangreiche Betreuung gibt es dort gleich dazu.
Die Blätter rauschen im Wind, Vögel zwitschern und in der Ferne plätschert der Fluss, ein paar Wellen schlagen ans Ufer – die Geräusche der Natur waren bislang die einzigen Begleiter von Anna Recker, wenn sie ihre Laufrunden entlang des Rheinufers drehte. Vor drei Monaten hatte sich die junge Frau entschlossen, etwas für ihre Fitness zu tun. Die Pfunde sollten purzeln, die Bikinifigur wieder in Form gebracht werden. Mittlerweile schafft die 33-Jährige es, acht Kilometer am Stück zu laufen.Aus dem Vorhaben der Düsseldorferin, dreimal in der Woche die Laufschuhe zu schnüren, ist aber nichts geworden. An vielen Abenden ist einfach die Verlockung der Couch oder eines Kinobesuchs mit Freunden zu groß. Anna Reckers Problem: Sie hat keinen Laufpartner. Ihr Freund, ein routinierter Marathonläufer, legt ein Tempo vor, dem sie einfach nicht folgen kann, ihre Freundinnen ziehen den Besuch im Fitnessstudio vor. Anna Recker aber will an die frische Luft. Sie will laufen, sich in der Natur bewegen – und sie will Gesellschaft.
Lauftreff als Lösung Eine Annonce in einem Magazin bringt sie auf die Idee, einen Lauftreff zu besuchen. Etwas mulmig ist ihr schon bei dem Gedanken, mit wildfremden Leuten laufen zu gehen. Wie es wohl sein wird, das erste Mal allein dorthin zu gehen? Andererseits hat sie nichts zu verlieren. Ein kurzer Blick ins Internet – und schon hat Anna Recker einen Lauftreff in ihrer Nähe ausfindig gemacht.
Zwei Tage später ist es soweit. Die vier Kilometer bis zum Treffpunkt fährt die junge Frau mit dem Fahrrad, so ist die Muskulatur schon aufgewärmt, wenn sie ankommt. Ihre Gedanken schweifen dahin. Was sie wohl dort für Leute erwarten? Hoffentlich ist es nicht eine verschworene Gemeinschaft.
Ein Schild am Straßenrand reißt Anna Recker aus ihren Gedanken. Lauftreff Düsseldorf-Süd steht dort geschrieben. Es kann nicht mehr weit sein. Das Vereinsgelände liegt unmittelbar an einem Waldgebiet. An einer großen Eiche stellt die Läuferin ihr Fahrrad ab. Hinter den Büschen hört sie Stimmen, überwiegend weibliche. Anna Recker holt noch einmal tief Luft, dann geht sie dem Eingangstor entgegen. Jetzt gibt es kein Zurück mehr.
Mitten im Getümmel
Durch den Zaun erspäht sie den Pulk von Läufern. Und schon wenige Sekunden später steckt sie mittendrin in dem Getümmel. Um sie herum Sportler, professionell ausgestattet mit Funktionskleidung, Pulsuhr und Trinkflasche, andere eingehüllt in simple Baumwollshirts, dazwischen Menschen, die orangefarbene Oberteile tragen. Auf deren Rücken sind die Worte „Lauftreff Betreuer“ zu lesen.
Bevor Anna Recker sich sicher ist, wen sie ansprechen soll, tippt ihr schon jemand von hinten auf die Schulter. „Sie sind neu hier, richtig?“, fragt der großgewachsene Mann in Orange, der sich als Lauftreffleiter Rolf Pommerenke vorstellt. „Stimmt“, sagt Anna Recker noch etwas schüchtern. Doch schon im anschließenden Gespräch, in dem der ausgebildete Laufinstruktor sie auf ihre Lauferfahrung und ihren Gesundheitszustand anspricht, taut die junge Frau auf.
Sie erfährt, dass bei jedem Treffen unterschiedliche Strecken und Geschwindigkeiten angeboten werden. Auf der Wiese vor dem Vereinshaus stecken Schilder mit den unterschiedlichen Kilometerangaben im Boden. Anna Recker entscheidet sich für die Sechs-Kilometer-Runde und stellt sich in die entsprechende Reihe. Acht weitere Läufer und Läuferinnen haben sich heute für diese Strecke entschieden.
Rolf Pommerenke stellt den Neuling vor. Anna Recker wird freundlich begrüßt. Es dauert nicht lange und die Teilnehmer unterhalten sich angeregt, wollen wissen, woher sie kommt, was sie so macht und wie lange sie schon läuft. Die Stimmung ist prima und die anfänglichen Zweifel von Anna Recker weichen der Vorfreude auf den gemeinsamen Lauf. Die junge Frau fühlt sich wohl.
Gemeinsam in den Wald
Dann ist es soweit. Es ist kurz vor 18 Uhr. Bevor sich zu jeder der Gruppen ein Betreuer gesellt, greift Rolf Pommerenke zum Megafon. Die Erfolge des vergangenen Wochenendes werden verkündet, die Athleten mit Applaus gefeiert. Dann geht es auf die Strecke.
Vom Vereinshaus aus traben die Läufer los. Der Weg führt zu einem kleinen Tunnel, der unter der Autobahn hindurchführt. Dahinter erstreckt sich der Benrather Forst, ein riesiges Waldgebiet am Stadtrand von Düsseldorf. Der Laufinstruktor achtet darauf, dass die Läufer nicht zu schnell beginnen. Der Tross um Anna Recker will den Kilometer in acht Minuten zurücklegen, etwas über ihrem normalen Schnitt. Aber weniger das Tempo ist es, was den Lauftreff-Neuling irritiert.
Das Ungewohnte: Man muss reden! Rolf Pommerenke weicht nicht von ihrer Seite, spricht mit ihr über ihre bisherigen Laufgebiete, korrigiert ihren Laufstil und gibt Tipps in Bezug auf die Atmung. Der Laufinstruktor läuft, als hätte er einen Tempomat eingebaut. So gleichmäßig ist Anna Recker noch nie gelaufen. Und auch das Sprechen fällt ihr nicht schwer. Die anderen Läufer unterhalten sich angeregt. Urlaubserlebnisse werden ausgetauscht, Verabredungen für das Wochenende getroffen und es wird über die neueste Laufmode debattiert.
"Rührend betreut"
Der Weg führt den Pulk in Richtung Unterbacher See. Der Waldboden ist griffig, die umliegenden Bäume spenden an diesem warmen Sommertag Schatten – ideale Laufbedingungen, die Anna Recker in vollen Zügen genießt. Schnell hat die 33-Jährige Anschluss gefunden, plauscht hier und da mit den anderen Läufern. Besonders fasziniert ist sie von Martina. Die 29-Jährige ist hörgeschädigt, kam vor drei Jahren zum Lauftreff, um ihr Gewicht zu reduzieren. Mittlerweile hat sie sich einen großen Traum erfüllt: die Teilnahme am New York Marathon. „Meine Geschichte zeigt, hier ist wirklich jeder willkommen“, sagt Martina. „Wir werden rührend betreut.“
Die Zeit vergeht wie im Flug. Anna Recker lauscht noch gespannt den Erzählungen von Martina, als plötzlich in der Ferne das Vereinshaus auftaucht. Wie, schon vorbei? Nach 48 Minuten ist die Distanz bewältigt. Zum Abschluss führt Rolf Pommerenke seine Gruppe zu den Eisenstangen auf dem Rasen. Dort werden die müden Muskeln noch etwas gedehnt. Übungen, die Anna Recker guttun. Die junge Frau ist zwar geschafft, aber glücklich. Und nicht erst nach dem anschließenden Erfrischungsgetränk in geselliger Runde ist sie sich sicher: Sie wird wiederkommen.
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