| Mein Moment

Gesa Felicitas Krause – Mit Herz und Köpfchen

WM in Peking (China), Hallen-EM in Prag (Tschechien), diverse internationale Nachwuchsmeisterschaften, nationale Titelkämpfe und Meetings. leichtathletik.de war 2015 erneut bei vielen Veranstaltungen live vor Ort. Dabei haben sich viele Ereignisse tief ins Gedächtnis eingeprägt. Stellvertretend blicken wir auf ausgewählte Momente zurück. Heute im Fokus: ein 50-Kilo-Leichtgewicht, das schwer Eindruck hinterlassen hat.
Silke Morrissey

Was soll ich sagen? Auch mich hat der Auftritt von Gesa Felicitas Krause bei den Weltmeisterschaften in Peking (China) aus dem Sitz gerissen – im wahrsten Sinne des Wortes. Als sich die kleine Frankfurterin im Hindernis-Finale in der letzten Kurve an die Spitze des Feldes setzte, war es um mich geschehen. Ich sprang auf und brüllte was das Zeug hielt. Nur saß ich dabei nicht alleine im Wohnzimmer vor dem Fernseher, sondern auf der Pressetribüne im Vogelnest.

Als ich mich halbwegs beruhigt hatte, bemerkte ich die Kolleginnen des US-Teams, die interessiert und ein wenig belustigt zu mir herüberschauten. Ich erklärte ihnen, dass die Bronzemedaille für die deutsche Leichtathletik einer Sensation gleich kommt.

Die deutschen Kollegen in den Reihen vor und hinter mir? Konnten sich der Magie des Moments auch nicht entziehen. Ringsum blickte ich in fassungslose, freudige Gesichter, und es gab keinen Journalisten, der nicht anerkennende Worte fand für das, was Gesa Felicitas Krause da gerade vollbracht hatte. Einen ebenso großen Respekt verdiente sich die 23-Jährige anschließend mit ihren Auftritten abseits der Laufbahn.

Wohlüberlegt und konsequent

Für mich beginnt die Geschichte dabei eigentlich schon 2013 – bei den Weltmeisterschaften in Moskau (Russland). Dort war Gesa Felicitas Krause bei ihrem zweiten WM-Auftritt ins zweite WM-Finale gerannt. Im Alter von 21 Jahren hatte sie damit zwei neunte WM-Plätze, Rang acht bei Olympischen Spielen sowie zwei Goldmedaillen bei internationalen Nachwuchsmeisterschaften auf dem Konto. Außergewöhnlich. Bemerkenswert. Aber keine Lorbeeren, auf denen sich die ehrgeizige Athletin auch nur einen Moment ausruhte.

Wir fuhren gemeinsam vom Athletenhotel in den deutschen WM-Club und die 21-Jährige erzählte mir nur wenige Stunden nach dem WM-Finale, dass sie sich noch mehr auf den Leistungssport konzentrieren wolle. Noch mehr? Ja, sie habe festgestellt, dass ihr Präsenzstudium zu viel Kraft koste, die für den Sport verloren gehe. Ihre Entscheidung war wohlüberlegt und konsequent: Gesa Krause schloss sich Ende des Jahres als Sportsoldatin der Bundeswehr an.

Es war rückblickend ein Schritt, der sich als goldrichtig herausstellte. Zu diesem Zeitpunkt traf er nicht überall auf Verständnis. Aber spätestens nach einem Gespräch mit der jungen Hindernisläuferin dürfte sich bei jedem die Erkenntnis eingestellt haben: Sie weiß genau, was sie tut. Mit großer Disziplin und eisernem Willen auf den großen Traum hinarbeiten – eine Philosophie, die sie mit ihrem Trainer Wolfgang Heinig teilt. Umgekehrt hat dieser in Gesa Krause für seine Ansprüche die wohl ideale Athletin gefunden.

Zierliche Person, starke Frau

In Peking berichtete die frischgebackene WM-Dritte in der Mixed Zone einer riesigen Journalistenschar von ihrer Geschichte. Auf der einen Seite der Absperrung das zierliche Persönchen, 1,67 Meter groß, 50 Kilogramm leicht, mit einer Flasche Wasser in der Hand und noch im Renn-Dress, auf der anderen Seite die Medienvertreter mit gezückten Diktiergeräten, die wissen wollten, warum eine Deutsche in einem Laufwettbewerb in der Weltspitze mitmischen kann.

Auch hier wurde schnell klar: Diese Athletin hat einen Plan. Sie weiß, was sie tut. Unaufgeregt und bedacht erzählte sie von unzähligen Höhentrainingslagern in Kenia, von Schwierigkeiten bei der Anpassung an die Höhenluft, von ersten Erfolgen und schließlich gewinnbringendem Training. Auch zum Thema Doping stand sie professionell Rede und Antwort. Klar stelle man als Athletin die Leistung der ein oder anderen Konkurrentin in Frage. Aber es überwiege der Glaube daran, dass man als deutsche Läuferin um Medaillen mitlaufen kann, wenn man nur konsequent dafür arbeitet.

Gesa Felicitas Krause hat Eindruck gemacht, der auch in den darauf folgenden Wochen und Monaten nachwirkt. Sie hat bewiesen, dass sich Verzicht und harte Arbeit auszahlen. Sie hat ihren Teil dazu beigetragen, dass deutschen Leichtathleten wieder Erfolge in den Lauf-Wettbewerben zugetraut werden – gemeinsam mit Athleten wie Cindy Roleder (SC DHfK Leipzig), Arne Gabius (LT Haspa Marathon Hamburg) oder Fabienne Kohlmann (LG Karlstadt-Gambach-Lohr). Dieses Selbstvertrauen und neue Selbstverständnis ist ansteckend. Und sorgt in der Zukunft hoffentlich für viele weitere sportliche Momente, die uns von den Sitzen reißen.

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